Stress ist über die Haare nachweisbar

Forschern der Universität Tokio gelang der Nachweis, dass sich schon geringgradiger Stress negativ auf die Fruchtbarkeit von Milchkühen auswirkt.

Forschungsfrage: Das Ziel der Studie war es, die Cortisolkonzentration aus dem Haar als Indikator für chronischen Stress bei Milchkühen in Verbindung mit ihren Gesundheits-, Ernährungs- und Reproduktionsparametern zu untersuchen.

Studiendesign: 33 Milchkühe aus 13 japanischen Milchfarmen wurden in die Untersuchung einbezogen. Von allen Tieren wurden an vier Zeitpunkten Haare eingesammelt: 19 Tage vor dem Abkalben (L0) sowie am 44. (L1), am 103. (L2) und am 168. (L3) Laktationstag. Während der Stallbesuche wurde auch der BCS ermittelt, die Gelenke bonitiert (Hock Score) und Blutproben entnommen (Analyse auf BHBA und NEFA).

Aus den 2,5 cm langen Haarproben wurde im Labor das Hormon Cortisol extrahiert. Cortisol wird auch als „Stresshormon“ bezeichnet. Hauptaufgabe des Cortisols ist die Bereitstellung von Energie aus den Energiespeichern des Körpers. Gleichzeitig verringert es den Energieumsatz des Körpers, was besonders in anstrengenden Situationen (Nahrungsmangel, körperliche Anstrengung) wichtig ist.

Ergebnis: Stoffwechselbelastung fördert Stress

• Das Alter der Kühe bzw. die Laktationsnummer beeinflusste maßgeblich den Cortisolgehalt. Zum Zeitpunkt L0 (Trockenperiode) wurden bei Jungkühen deutlich geringere Cortisol-Konzentrationen gemessen als bei älteren Tieren.
• Auch der BCS und die Gliedmaßengesundheit (Hock Score; gesund = 1; deutliche Schwellungen/Verletzungen= 3) beeinflussten die Cortisol-Konzentrationen. Bei Kühen mit einem geringen BCS (Note 2,0 bis 3,0) wurden die höchsten Werte ermittelt (Übersicht 1). Diese fielen im Vergleich zu den der sehr gut konditionierten Tiere (BCS 4,0 bis 4,5) fast doppelt so hoch aus. Das gleiche Phänomen fand sich bei der Gliedmaßengesundheit. In den Haaren von Kühen mit einem Score 2 und 3 wurden deutlich höhere Cortisol-Konzentrationen nachgewiesen.
• Über alle Kühe hinweg nahm die Konzentration des Stresshormons zu Laktationsbeginn zu, der Cortisol-Peak wurde zum Zeitpunkt L1 (44. Tag) erreicht.

Den Konzentrationen des Stresshormons wurden zudem die Reproduktionskennzahlen gegenübergestellt. Hier wurden zunächst zwei Gruppen gebildet: Erste Besamung vor bzw. nach dem 86. Laktationstag. Vor dem 86. Tag besamte Kühe wurden als „normal“, nach dem 86. Laktationstag belegte Tiere als „verspätet“ eingestuft. Ergebnis:

• Bei den Kühen, die nach dem 86. Tag besamt wurden, stellte sich der Cortisol-Peak erst zum Zeitpunkt L2 (103. Laktationstag) ein. Anscheinend hat der Stress länger angedauert. Diese Kühe zeigten auch einen verzögerten Anstieg der BCS-Werte, was auf eine ausgeprägtere negative Energiebilanz rückschließen lässt. Gestützt wird diese Annahme durch die höheren NEFA-Werte in dieser Gruppe zum Zeitpunkt L0. Eine hohe NEFA-Konzentration unmittelbar vor der Kalbung gilt als ein Indiz einer starken Stoffwechselbelastung bzw. einer Überlastung zu Laktationsbeginn. Im weiteren Laktationsverlauf (L1 und L2) fielen die „verspäteten“ Kühe zudem durch erhöhte BHBA-Werte im Blut auf. Ein weiterer Indikator, der auf eine Belastung des Stoffwechsels hindeutet.
• Betrachtet man die Trächtigkeitsergebnisse (TU+ bzw. TU-) am 168. Tag, fällt auf, dass die „leeren“ Kühe (TU-) zu den Zeitpunkten L1 und L2 höhere Cortisol-Konzentrationen aufwiesen.

Ableitung für die Praxis: Stoffwechselbelastungen (BCS-Rückgang nach dem Abkalben) sowie Erkrankungen der Gliedmaßen und/oder Lahmheiten können Stress auslösen. Dieser wiederum beeinträchtigt die Fruchtbarkeit. Das Ausmaß des physiologischen Stresses lässt sich über die Cortisol-Konzentration in den Haaren der Kuh nachweisen. Bleibt zu hoffen, dass es den Wissenschaftlern gelingt, einen Stalltest zu entwickeln, mit dessen Hilfe sich schon nach der Kalbung gestresste Kühe selektieren lassen.

Quelle: Endo et al., 2019