Immer mehr Ställe werden per Schlauchbelüftung mit Frischluft versorgt. Die ersten Langzeiterfahrungen zeigen, dass die amerikanischen Bedingungen nicht 1: 1 auf Deutschland übertragbar sind!
Ein Sommertag im Juli 2016: Die Sonne knallt vom Himmel, es ist gut 30 Grad heiß und schwül. Später soll es noch gewittern, die Wolken beginnen...
Immer mehr Ställe werden per Schlauchbelüftung mit Frischluft versorgt. Die ersten Langzeiterfahrungen zeigen, dass die amerikanischen Bedingungen nicht 1: 1 auf Deutschland übertragbar sind!
Ein Sommertag im Juli 2016: Die Sonne knallt vom Himmel, es ist gut 30 Grad heiß und schwül. Später soll es noch gewittern, die Wolken beginnen bereits, turmhohe, dunkle Gebilde am Himmel zu bauen. Es ist schon für Menschen belastend – wie muss es dann den Kühen gehen? Denn schon ab einer Umgebungstemperatur von 24°C und einer relativen Luftfeuchte von 70% beginnt für sie Wärme in körperliche Belastung (Hitzestress) umzuschlagen. Die Tiere zeigen eine erhöhte Atemfrequenz und beginnen zu pumpen. Sie liegen weniger, drängen sich um Tränken und reduzieren ihre Futteraufnahme. Wird es noch wärmer, beginnen sie zu hecheln und die Milchleistung sackt ab.
Die Schlauchbelüftung (Positive Pressure Tube Ventilation, siehe auch Elite 6/14 und 1/15) wurde von einem Forscherteam der Uni Wisconsin (USA) entwickelt. Ein Ventilator außerhalb des Stalles zieht Frischluft an und verteilt diese über einen Kunststoffschlauch im Stall. Dessen Durchmesser und die Anordnung der Auslasslöcher für die Luft müssen genau zum transportierten Luftvolumen des Ventilators und zum belüfteten Gebäude passen. Nur so ist sichergestellt, dass die erwünschte und berechnete Luftgeschwindigkeit auf Höhe der Tiere erreicht wird.
Jetzt sind die Kühe dran
Ursprünglich wurde die Schlauchbelüftung entwickelt, um Kälber zugluftfrei mit Frischluft zu versorgen. Doch wenn die Technik schon einmal existiert, lässt sie sich natürlich mit ein wenig Kreativität beliebig auf andere Anwendungsbereiche übertragen. So sind heute vermehrt die Kühe ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Hier steht weniger die Vermeidung von Zugluft im Vordergrund, sondern die Bereitstellung von Frischluft in bestimmten Stallbereichen. Unterscheiden sollte man dabei zwischen Frischluftzufuhr und Kühlung. Durch das aktive Hereinbringen von Frischluft in den Stall werden Staub und Schadgase verdrängt. Eine Kühlung ist ab einer Luftgeschwindigkeit von ca. 1,0 m/s auf Schulterhöhe der Kühe gegeben. Je mehr Geschwindigkeit, umso höher der Kühleffekt.
Ventilatoren haben das Problem, dass die „Wurfweite“ begrenzt ist und die Luftgeschwindigkeit rasch abnimmt. Im Stall müssen daher mehrere Ventilatoren richtig angeordnet werden, um die gesamte Fläche zu belüften. Zudem wird häufig „alte“ Luft aus dem Stall verwirbelt. Sofern der Belüftungsschlauch richtig berechnet ist, ließe sich ein Raum einfacher in voller Länge mit Frischluft versorgen. Typische Anwendungsbereiche bei Milchkühen sind Futtertisch, Liegebereich und Warteraum bzw. Melkstand:
- Am Futtertisch sollte sich die Luft zur Kühlung auf einer Höhe von 1,60 m mit einer Geschwindigkeit von 2,5 bis 3,0 m/s bewegen. Der Luftstrom trifft die Tiere zwischen den Schulterblättern, leicht in Richtung Kopf gewandt. Wichtig: Der Luftstrom darf das Futter nicht erreichen, sonst trocknet es aus!
- In den Liegeboxen wird eine Luftgeschwindigkeit von 1,0 bis 1,5 m/s in 90 cm Höhe angestrebt.Auch hier sollte der Luftstrom die Tiere zwischen den Schulterblättern treffen, wobei eine stärkere Ausrichtung zum Kopf hin für frische Luft zum Atemholen sorgt. Im Liegebereich darf der entstehende Luftzug nicht so stark sein, dass er den Kühen unangenehm wird und sie vorzeitig aufstehen. Im Tiefstreubereich wird der Luftstrom weniger gerichtet und breiter verteilt, hier empfiehlt sich eine Luftgeschwindigkeit von 0,8 m/s.
- Im Warteraum wird die Luft mit 2,5 bis 3,0 m/s stärker beschleunigt als im Melkstand selbst (1,6 m/s), weil im Warteraum mehr Hitzestress auftritt. Im Melkstand trifft der Strom die Kühe auf Rückenhöhe zwischen den Schultern, auch eine Reihe Löcher für die Kühlung der Melker ist denkbar. Beide Bereiche sollten mit einem Schlauch belüftet werden, damit die Kühe nicht vom Betreten des Melkstands abgehalten werden.
- Am Futtertisch sollte sich die Luft zur Kühlung auf einer Höhe von 1,60 m mit einer Geschwindigkeit von 2,5 bis 3,0 m/s bewegen. Der Luftstrom trifft die Tiere zwischen den Schulterblättern, leicht in Richtung Kopf gewandt. Wichtig: Der Luftstrom darf das Futter nicht erreichen, sonst trocknet es aus!
- In den Liegeboxen wird eine Luftgeschwindigkeit von 1,0 bis 1,5 m/s in 90 cm Höhe angestrebt.Auch hier sollte der Luftstrom die Tiere zwischen den Schulterblättern treffen, wobei eine stärkere Ausrichtung zum Kopf hin für frische Luft zum Atemholen sorgt. Im Liegebereich darf der entstehende Luftzug nicht so stark sein, dass er den Kühen unangenehm wird und sie vorzeitig aufstehen. Im Tiefstreubereich wird der Luftstrom weniger gerichtet und breiter verteilt, hier empfiehlt sich eine Luftgeschwindigkeit von 0,8 m/s.
- Im Warteraum wird die Luft mit 2,5 bis 3,0 m/s stärker beschleunigt als im Melkstand selbst (1,6 m/s), weil im Warteraum mehr Hitzestress auftritt. Im Melkstand trifft der Strom die Kühe auf Rückenhöhe zwischen den Schultern, auch eine Reihe Löcher für die Kühlung der Melker ist denkbar. Beide Bereiche sollten mit einem Schlauch belüftet werden, damit die Kühe nicht vom Betreten des Melkstands abgehalten werden.
Anders als im Kälberstall kann bei Schläuchen für Kühe eine Regelungseinheit eingebaut werden, um die Intensität der Frischluftzufuhr zu beeinflussen. Im Stall empfiehlt Jakob Neumayer, Vetsmarttubes, eine Laufleistung von 100% ab einer Temperatur von 12 bis 15°C.
Positive Wirkung, aber…
In Kuhställen liegen mit der Schlauchbelüftung noch keine „Langzeiterfahrungen“ vor. Die ersten Systeme arbeiten gut ein Jahr. Es gibt bisher keine wissenschaftlichen Studien über eine möglicherweise bessere Wirksamkeit von Schläuchen im Vergleich zu Ventilatoren. Zwei Fallbeispiele zeigen aber, dass es Verbesserungen geben kann: „Wir können einen Anstieg der Milchleistung nicht zu 100% der Schlauchbelüftung zurechnen“, sagt Hannes Oberascher aus Frankenmarkt, Österreich, „aber seitdem der Schlauch am Futtertisch hängt, fressen unsere Frischabkalber mehr.“ Seit einem halben Jahr seien sie von Labmagenverlagerungen verschont geblieben, ergänzt seine Frau Regina. Jürgen Wegmann aus Papenburg, Niedersachsen, konnte durch einen Schlauch über den Liegeboxen und dem Wartebereich des Melkroboters die Zahl der Melkungen pro Tier und Tag von 2,8 auf 2,9 steigern. „Das klingt nicht viel. Aber gerade an den heißen Tagen laufen die Kühe besser als früher“, sagt er (Fotos und ausführliche Berichte auf
www.elite-magazin.de/ElitePLUS).
Ein Lüftungsschlauch (150 bis 300€/lfd. m plus Ventilator) ist kein Wundermittel für mehr Milch. Durch die vermehrte Frischluftzufuhr scheint sich aber der Hitzestress zu verringern, auch wenn sich die Wirkung nicht konkret an einer Kennzahl festmachen lässt.
Planung auf Deutschland anpassen
Nach den ersten Jahren und Erfahrungen in Deutschland hat sich gezeigt, dass die Rechenmodelle aus den USA nicht 1 : 1 auf Deutschland übertragbar sind. Die hier tätigen Anbieter haben sich Schlauchhersteller und die dazu passenden Ventilatoren gesucht und eigene Anpassungen vorgenommen. Beispielsweise stößt die US-amerikanische Planungsdatei in ihrer ursprünglichen Form an ihre Grenzen. Lothar Knopf (Dr. Knopf & Oswald) hat mit seinem Lieferanten eine Möglichkeit gefunden, die drei bis vier Lochreihen flexibler anzuordnen. „Wir arbeiten zudem mit Textilschläuchen. Diese sind geringgradig luftdurchlässig, somit bildet sich kein Kondenswasser“, sagt er.
Auch für Jakob Neumayer, Vetsmarttubes, sind drei Lochreihen nicht präzise genug. Seine Schläuche weisen bis zu sechs Lochreihen auf und bestehen aus Polyethylen und Polyester. Der größte Unterschied liegt für ihn jedoch weiter vorher: in der Planung. Stalleinrichtung oder Verwinkelungen (Mauervorsprünge, Einhausungen im Stall, …) scheinen mehr Einfluss auf die Luftbewegungen und das Klima zu haben als gedacht. Ein 3D-Simulationsprogramm hilft, die Luftbewegung im Stall einzuschätzen. Mit Vorgaben wie der Größe des Stalls, der Schlauchposition und der gewünschten Luftgeschwindigkeit in bestimmten Bereichen wird der Stall am Computer nachgebaut. Das Programm überprüft, wie sich die Luftbewegung an jedem Punkt des Stalles pro Zeiteinheit verändert und sich beeinflusst. Bei besonders schwierigen Fällen oder zu Präsentationszwecken lässt sich ein Video erstellen, das die Luftbewegungen zeigt. Die einzelnen Ställe unterscheiden sich stark voneinander, sodass jedes Bauprojekt individuell zu betrachten ist.
Zudem müsse man deutlich stärker die Abfuhr der Luft kontrollieren, stellt Neumayer fest. Man bringt mit den Tubes sehr viel Luft in den Stall hinein. Diese muss ihn auch wieder verlassen! „In vielen Kuhställen reicht die offene Bauweise aus. Doch gerade im Warteraum oder in Altbauten sollte man darauf achten, Curtains offen zu lassen oder eine Wand herauszunehmen, damit der Tube seine Wirkung auch wie berechnet entfalten kann“, sagt Neumayer.
Tipp: Wird die Einrichtung feucht und klebrig, stimmt was mit der Abluft nicht!C. Stöcker