American Dairy Science Association, 2019 Annual Meeting (Cincinnati)
Kostet die Klauenpflege Milch und wenn ja wieviel? Lassen sich Klauenerkrankungen mithilfe der Aktivitätsmessung schon frühzeitig aufspüren? Sollten die Klauen vor dem Trockenstellen nochmals geschnitten werden? Antworten auf diese Fragen lieferten die Ergebnisse jüngst durchgeführter Studien, die auf der ADSA-Konferenz präsentiert wurden:
Eine Lahmheit in der Frühlaktation wirkt sich nicht nur negativ auf das...
American Dairy Science Association, 2019 Annual Meeting (Cincinnati)
Kostet die Klauenpflege Milch und wenn ja wieviel? Lassen sich Klauenerkrankungen mithilfe der Aktivitätsmessung schon frühzeitig aufspüren? Sollten die Klauen vor dem Trockenstellen nochmals geschnitten werden? Antworten auf diese Fragen lieferten die Ergebnisse jüngst durchgeführter Studien, die auf der ADSA-Konferenz präsentiert wurden:
Eine Lahmheit in der Frühlaktation wirkt sich nicht nur negativ auf das Wohlbefinden der Kuh und die Milchleistung aus, sie erhöht auch das Risiko eines vorzeitigen Abgangs. Zu dieser Schlussfolgerung gelangten Wissenschaftler der Universität Minnesota nach einer umfangreichen Datenanalyse. Sie haben 14.025 Gesundheitsdaten von erstlaktierenden Holstein-Kühen ausgewertet, die in 103 Beständen abgekalbt haben. Der Datensatz umfasste u.a. 1.063 erste Lahmheits-Ereignisse. Kühe ohne Gesundheits-Ereignis dienten als Kontrolle. Jede Laktation wurde in Teillaktationen unterteilt (1. bis 21. Tag; 22. bis 100. Tag; 101. bis 200. Tag; mehr als 201 Tage). Ergebnis:
- Die gesunden Kontrollkühe produzierten 1.331 kg, 803 kg und 2.052 kg Milch in der Fresh-Phase, im frühen bzw. im mittleren Laktationsstadium pro Laktation mehr als Kühe mit einem Lahmheitsereignis.
- Bei Kühen, die erstmals nach dem 200. Laktationstag eine Lahmheit „meldeten“, zeigten sich keine Unterschiede mehr zur Kontrollgruppe.
- Die gesunden Kontrollkühe produzierten 1.331 kg, 803 kg und 2.052 kg Milch in der Fresh-Phase, im frühen bzw. im mittleren Laktationsstadium pro Laktation mehr als Kühe mit einem Lahmheitsereignis.
- Bei Kühen, die erstmals nach dem 200. Laktationstag eine Lahmheit „meldeten“, zeigten sich keine Unterschiede mehr zur Kontrollgruppe.
Bleibt festzuhalten: Eine in der Frühlaktation auftretende Lahmheit kostet viel Milchleistung. Kühe sollten deshalb bereits bei den ersten Anzeichen einer Lahmheit behandelt werden.
Liegeverhalten als Indikator
Der Länge der Liegedauer wird eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Klauenläsionen zugeschrieben. Denn sind Kühe zu lange auf den Beinen, nimmt bei Stallhaltung oftmals der Duck auf die Klaue erheblich zu, was wiederum Klauengeschwüre fördern kann. Um genauere Daten zu erhalten wurde in einer Studie der Universität Minnesota, der Zusammenhang zwischen Liegeverhalten und Klauenläsionen bei Milchkühen evaluiert. Dazu wurden 435 Jersey-Kühe ohne sichtbaren Klauendefekt in der Frühlaktation (20 Laktationstage) mit Schrittzählern (AfiTag II, Afikim) ausgestattet. Nach rund 120 Tagen wurden deren Klauen auf das Vorhandensein von Läsionen überprüft. Insgesamt standen 24.813 Datensätze (Tage) für die Analyse zur Verfügung. Ergebnis:
- Bei 56,5% der Kühe wurde ein Klauendefekt diagnostiziert. Bei 88,5% handelte es sich dabei um eine „Einblutung“, bei 8,2% wurden andere nicht infektiöse Läsionen diagnostiziert, bei 4,4% infektiöse Läsionen.
- Kühe, die eine Läsion an der Klaue entwickelten, haben zum Zeitpunkt des Studienbeginns am 20. Tag rund 0,5 Stunden weniger gelegen. Dieser Unterschied in der Liegezeit nahm von der frühen bis zur mittleren Laktation jedoch allmählich ab. Unabhängig vom Läsionsstatus am 120. Laktationstag nahm die durchschnittliche Liegedauer mit fortschreitender Laktation zu (Übersicht 1).
- Bei 56,5% der Kühe wurde ein Klauendefekt diagnostiziert. Bei 88,5% handelte es sich dabei um eine „Einblutung“, bei 8,2% wurden andere nicht infektiöse Läsionen diagnostiziert, bei 4,4% infektiöse Läsionen.
- Kühe, die eine Läsion an der Klaue entwickelten, haben zum Zeitpunkt des Studienbeginns am 20. Tag rund 0,5 Stunden weniger gelegen. Dieser Unterschied in der Liegezeit nahm von der frühen bis zur mittleren Laktation jedoch allmählich ab. Unabhängig vom Läsionsstatus am 120. Laktationstag nahm die durchschnittliche Liegedauer mit fortschreitender Laktation zu (Übersicht 1).
Bleibt festzuhalten: Bevor ein Klauendefekt sichtbar wird, nimmt bereits die Liegedauer ab.
Aktivitätsüberwachung hilft
Neben der Überwachung der Liegedauer erlaubt auch die Analyse der Bewegungsaktivität das Aufspüren von Lahmheiten. In der Praxis bewährt hat sich die Beobachtung der Fortbewegung (Locomotion Scoring). Dabei wird das Gangbild der Kühe beurteilt (unter anderem Schrittlänge, Rückenlinie und Kopfhaltung). Üblicherweise werden dabei Noten (Scores) vergeben (1 = gesund; 4 und 5 = lahm). Allerdings ist diese Beurteilung zeitaufwendig und anfällig für individuelle Verzerrungen. An der Universität Colerado wurde deshalb überprüft, ob sich die visuelle Bewertung durch Aktivitäts-Messsysteme möglicherweise ersetzen lässt. Dazu wurde bei 310 mehrlaktierenden Holstein-Kühe am 12. Laktationstag ein Schrittzähler (IceQube, IceRobotics) an einem der Hinterbeine befestigt. Während der nachfolgenden sieben Monate wurden die Liegezeit (Min/Tag), Anzahl der Schritte (n/Tag) und die Liegevorgänge (n/Tag) aufgezeichnet. Zudem wurde die tägliche Milchleistung erfasst sowie ein Bewegungsindex (MOI) und eine geschätzte Lahmheitswahrscheinlichkeit (%) vom System errechnet. Zur Kontrolle wurden alle Kühe zweimal wöchentlich unter Verwendung des oben beschriebenen Bewertungssystems (Score 1 bis 5) auf Lahmheit bewertet. Ergebnis:
Die Aktivitätsparameter variierten in Abhängigkeit vom Locomotion Score. Lahme Kühe (Score 5) zeigten eine längere Liegedauer, sie legten sich zudem häufiger ab. Auch fiel die Lahmheitswahrscheinlichkeit höher aus (Übersicht 2). Die Ergebnisse lassen die Schlussfolgerung zu, dass die routinemäßige Analyse von Aktivitätsparametern zur Früherkennung von Klauendefekten genutzt werden kann.
Klauenschnitt ist Stress
Ein Klauenschnitt ist für die Milchkuh immer mit Stress verbunden, sie führt denn auch oft zu vorübergehenden Verhaltensänderungen und zu einem Absinken der Milchleistung.
Um das Ausmaß der durch eine Klauenpflege ausgelösten „Veränderungen“ zu quantifizieren, hat ein Team der Universität Colorado 265 Kühe in einen Klauenstand geführt. Bei 190 Tieren wurden nur Fehlstellungen korrigiert, bei 75 Kühen erfolgte zusätzlich eine Behandlung.
Alle Kühe sowie 45 weitere, zufällig ausgewählte, gesunde Tiere (keine Klauenpflege; Kontrollgruppe) sind zuvor mit einem Schrittzähler (IceQube, IceRobotics) ausgestattet worden. Der Pedometer wurden den 310 Kühen am 12. Lakationstag an einem Hinterbein befestigt. Anschließend wurde sieben Monate lang die Liegezeit (Min/Tag) und die Anzahl der Abliege-Vorgänge (n/Tag), die Anzahl der Schritte (n/Tag) und die Milchleistung (kg/Tag) erfasst. Ergebnisse:
- Bei zehn Kühen wurde eine Klauenfäule diagnostiziert, bei je 21 Kühen eine Dermatitis Digitalis (Mortellaro) und bei weiteren 23 Kühen eine unspezifische Lahmheit.
- Die behandelten Kühe haben täglich mit 626 Minuten länger gelegen als die nur „korrigierten“ Tiere (573 Minuten) und die klauengesunden Kühe (563 Minuten). Das gleiche Bild fand sich auch bei der Anzahl der Abliegevorgänge: Behandelte Kühe suchten am häufigsten die Liegeboxen auf (19,6-mal). Kühe, deren Klauen nur geschnitten wurden, legten sich 18,7-mal ab, gesunde Tiere 18,5-mal.
- Kühe, die wegen einer Klauenerkrankung behandelt werden mussten, waren deutlich weniger aktiv. Bei ihnen wurden 2.016 Schritte täglich gemessen. Keinen Einfluss auf die Aktivität hatte hingegen die Klauenpflege bei Kühen, deren Klauen nur korrigiert wurden. Bei diesen Kühen wurden 2.610 Schritte aufgezeichnet, kaum weniger als bei den gesunden Tieren (2.664 Schritte).
- Allerdings kostete die Klauenpflege etwas Milchleistung. Während die Kühe der Kontrollgruppe im Durchschnitt 37,9 kg Milch täglich gaben, verminderte sich schon allein durch den Korrekturschnitt im Klauenstand die Leistung um 1,7 kg täglich (36,2 kg). Lahme Kühen gaben nochmals etwas weniger Milch (36,0 kg pro Tag).
- Bei zehn Kühen wurde eine Klauenfäule diagnostiziert, bei je 21 Kühen eine Dermatitis Digitalis (Mortellaro) und bei weiteren 23 Kühen eine unspezifische Lahmheit.
- Die behandelten Kühe haben täglich mit 626 Minuten länger gelegen als die nur „korrigierten“ Tiere (573 Minuten) und die klauengesunden Kühe (563 Minuten). Das gleiche Bild fand sich auch bei der Anzahl der Abliegevorgänge: Behandelte Kühe suchten am häufigsten die Liegeboxen auf (19,6-mal). Kühe, deren Klauen nur geschnitten wurden, legten sich 18,7-mal ab, gesunde Tiere 18,5-mal.
- Kühe, die wegen einer Klauenerkrankung behandelt werden mussten, waren deutlich weniger aktiv. Bei ihnen wurden 2.016 Schritte täglich gemessen. Keinen Einfluss auf die Aktivität hatte hingegen die Klauenpflege bei Kühen, deren Klauen nur korrigiert wurden. Bei diesen Kühen wurden 2.610 Schritte aufgezeichnet, kaum weniger als bei den gesunden Tieren (2.664 Schritte).
- Allerdings kostete die Klauenpflege etwas Milchleistung. Während die Kühe der Kontrollgruppe im Durchschnitt 37,9 kg Milch täglich gaben, verminderte sich schon allein durch den Korrekturschnitt im Klauenstand die Leistung um 1,7 kg täglich (36,2 kg). Lahme Kühen gaben nochmals etwas weniger Milch (36,0 kg pro Tag).
Bleibt festzuhalten: Die Klauenpflege führt kurzfristig zu einer verlängerten Liegedauer, zu vermehrtem Abliegen und einer geringeren Aktivität (Schritte). Das Ausmaß der Verhaltensänderungen hängt davon ab, ob die Kühe einen Defekt an der Klaue aufweisen. In diesem Fall sind die Abweichungen am höchsten.
Lahmheit in Trockenzeit
Lahmheiten, die während der Trockenperiode auftreten, haben bislang wenig Beachtung in der Forschung gefunden. In einer kanadischen Studie wurde deshalb Lahmheitsinzidenz und Heilungsraten während der Trockenperiode sowie die Risikofaktoren für den Beginn und die Heilung von Lahmheiten während der melkfreien Zeit untersucht.
Dazu wurde das Laufverhalten (Locomotion Score) von 455 Milchkühen aus sechs Laufställen vor dem Abkalben acht Wochen lang regelmäßig beurteilt. Ungefähr 45% der Kühe wurden vor Beginn der Studie in den Klauenstand genommen, wo ihre Klauen geschnitten wurden.
Der Beginn einer Lahmheit und deren Heilungsrate wurden auf der Grundlage der Veränderungen des Gangbildes (Locomotion Score) während des Untersuchungszeitraums bewertet. Kühe galten als lahm, wenn der Locomotion Score ≥ 4 war, oder wenn ein Score von 3 bei zwei aufeinanderfolgenden Bewertungen attestiert wurde. Bewertet wurde der
- prozentuale Anteil neu auftretender Lahmheiten29
- prozentuale Anteil neu auftretender Lahmheiten29
- prozentuale Anteil ausgeheilter Lahmheiten30
- prozentuale Anteil ausgeheilter Lahmheiten30
Ergebnis: Pro Woche stellten sich 8,2 neue Lahmheiten ein, während 7,1 ausheilten. 50% der Kühe in der Trockenperiode wurden als lahm eingestuft, 36% der Kühe erkrankten neu an einer Lahmheit.
Auffällig war, dass sich eine Wechselwirkung zwischen der Laktation und Klauenpflege feststellen ließ. Demnach hatten mehrlaktierende Kühe ein 4,7-fach höheres Risiko lahm zu werden, sofern vor dem Trockenstellen noch ein Korrekturschnitt erfolgte. Bei den Jungkühen wirkte sich die Klauenpflege am Ende der Laktation hingegen leicht positiv auf die Klauengesundheit aus.
Zudem heilten Lahmheiten bei den mehrlaktierenden Kühe nicht so gut aus. Bei dünnen Kühen (BCS 3,0) bestanden nur geringe Chancen auf eine Heilung.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Klauenpflege vor dem Trockenstellen das Risiko einer Lahmheit nur bei erstlaktierenden Kühen verringert, bei mehrlaktierenden Kühen scheint ein Pflegeschnitt vor dem Trockenstellen kontraproduktiv.
G. Veauthier
G. Veauthier
G. Veauthier
Jährlich lädt die American Dairy Science Association (ADSA) zum Informationsaustausch. Auf dem Jahreskongress präsentieren mittlerweile Wissenschaftler aus aller Welt die Ergebnisse ihrer Studien.