Konnichiwa Klauengesundheit

Auf der „Lameness in Ruminants”-Konferenz in Tokio haben sich Wissenschaftler zur Klauenklausur zusammengefunden.
Alle zwei Jahre treffen sich Klauenpfleger, Wissenschaftler und Tierärzte aus der ganzen Welt auf einer Konferenz, die unter dem Motto „Lahmheiten bei Wiederkäuern“ steht. Dieses Jahr reisten alle Teilnehmer nach Tokio, um die neuesten Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis auszutauschen. Dort ging es nicht nur um die Behandlung auftretender Klauenerkrankungen, sondern auch um die Prävention.

Senf und Silber gegen Mortellaro

Viele Projekte beschäftigten sich aktuell mit der Behandlung und der Prävention von Dermatitis Digitalis (DD, Mortellarosche Krankheit). So wurde zum Beispiel in einer deutschen Studie der histologische Aufbau der Haut nach unterschiedlichen Behandlungsformen verglichen, um ein besseres Verständnis des Heilungsprozesses zu erlangen.

Eine japanische Studie betrachtete die Wirkung von Senfsamenpulver auf den Behandlungserfolg der Klauenpflege. Blowey et al. aus Liverpool untersuchten die Überlebensfähigkeit der Treponemen (ein Erreger der DD) in unterschiedlichen Einstreumaterialien mit und ohne Kotkontamination. Ergebnis: Die Treponemen überlebten

  • sieben Tage lang in Sand,
  • sechs Tage in Sägespänen und
  • fünf Tage im Festanteil der separierten Gülle.

Erstaunlich war zu sehen, dass keine Treponemen in Stroh oder Sand überlebten, wenn 5% Kalk in der Einstreu untergemischt wurde. In einer Studie aus Deutschland wurde der Einsatz von elementarem Silber als Sprühschaum zur DD-Prävention auf einem Bio-Milchkuhbetrieb getestet. Hierfür wurden erst alle Stadien der Dermatitis Digitalis im Rahmen der routinemäßig durchgeführten Klauenpflege behandelt.

Das elementare Silber als Produkt ohne Wartezeit sollte also den erzeugten Zustand im Betrieb lediglich erhalten, nicht aber offene Läsionen heilen. Es zeigte sich, dass das Mittel einen positiven Einfluss auf die Gesunderhaltung der Klauen hatte, an denen es angewendet worden ist.

 

Krankheitserkennung per Kamera

Dörte Döpfer (Universität Wisconsin-Madison) stellte ein Pilotprojekt vor, in dem Kameras Bildsequenzen der Hinterfüße aufnehmen, während die Kuh im Automatischen Melksystem gemolken wird.

Die Bilddateien werden über ein Computersystem analysiert. Nach einer Lernphase für das System kann die Technik über die Zuhilfenahme Künstlicher Intelligenz automatisch ermitteln, ob die zu beurteilende Kuh an Dermatitis Digitalis erkrankt ist oder gar über ein Selektionstor für eine prompte Behandlung aussortiert werden muss.

Weniger Stress durch die „Bud Box“

Da Rinder immer gerne in einer kleinen Gruppe laufen, ist es oft schwieriger, ein einzelnes Tier in eine neue Umgebung zu treiben. Eine Arbeitsgruppe aus Wisconsin hat sich deshalb intensiv mit stressfreiem Umgang für die Tiere beschäftigt und die „Bud Box“ entwickelt, einen Wendehammer, mit dem sich Tiere ohne Druck in einen Treibegang oder eine Wartebox bringen lassen. Auf diese Art kann man die Gruppe gut in Einzeltiere aufspalten und z.B. überzählige Mitläufer der Gruppe einfach durchlaufen lassen und das gewünschte Tier fixieren. Hinzu kommt, dass die treibende Person nicht zwingend mit in die Bud Box eintreten muss. Die Bud Box funktioniert wie in der nebenstehenden Übersicht dargestellt:

  • Alle Kühe einer Gruppe den Treibegang entlang in eine Sackgasse treiben.
  • Das Tor am Eingang der Sackgasse schließen.
  • Die Tiere drehen so automatisch am Ende der Sackgasse um und laufen zurück.
  • Das nun verschlossene Tor lenkt die Kühe in den schmaleren Treibgang.20
  • Hier können die einzelnen Tiere anschließend selektiert werden. Am Ende des Treibgangs können Wartebox für einen Klauenstand, Fangplatz, Selektionstor oder eine Verladerampe installiert sein. Über eine offen gestaltete Abtrennung kann man auch von außen mit der Tiergruppe arbeiten. Dies erhöht die Sicherheit im Stall zusätzlich. Die Installation einer solchen Treibeeinrichtung ist bei der Planung eines Neubaus sinnvoll. Auch in bestehende Systeme kann diese Idee integriert werden, z.B. beim Aufbau des flexiblen Treibegangs zur routinemäßigen Klauenpflege auf dem Betrieb.

 

 

Zum richtigen Zeitpunkt pflegen

Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Klauenpflege? Je größer die Herde, desto einfacher ist es, Pflegegruppen nach Laktationsstand einzuteilen. Dies ist in kleineren Herden oft nicht möglich, da hier die kompletten Herden ein- bis viermal im Jahr geschnitten werden. Dann ist es schwierig, ein Modell zu integrieren, mit dem alle Kühe 60 bis 80 Tage vor der Abkalbung sowie 80 bis 100 Tage nach der Abkalbung gepflegt werden, wie es ein schwedisches Modell vorgeschlagen hat. Wichtig ist, die Klauen von Kühen, die schlecht aufnehmen, zusätzlich um den 300. Lakationstag zu pflegen.

Prof. David Kammel (Universität Wisconsin-Madison) schlägt vor, ohnehin schon stressige Zeiten für Kühe für den Klauenschnitt zu sperren (Übersicht 2). So ist es einfacher, einen Herdenschnitt zu implementieren. Er empfiehlt die Kuh in der Phase der Anfütterung, vier Wochen nach der Abkalbung sowie zur ersten Besamung (55bis80 Tage nach Abkalbung), nicht in den Klauenstand zu nehmen. Gerard Cramer (Universität Florida) erklärte ergänzend, warum es so wichtig ist, neue Klauenläsionen nach der Abkalbung zu vermeiden: Seine Ergebnisse zeigen, dass Tiere mit einer neuen Klauenläsion an Tag 20 nach der Abkalbung deutlich später zyklisch werden. Somit können sie erst später besamt werden und weisen dann einen schlechteren Erstbesamungserfolg auf. Es gilt also vor allem, die Kühe in der Frühlaktation an den Klauen gesund zu erhalten.

Druckverteilung auf Klaue optimieren

Christoph Mülling (Uni Leipzig) hielt einen Hauptvortrag über die Biomechanik des Rinderfußes und den Zusammenhang zur Entstehung von Klauenläsionen. Diverse internationale Studien aus unterschiedlichen Haltungssystemen zeigen, dass Rusterholzsche Sohlengeschwüre und Weiße-Linie-Defekte in Weide-basierten Haltungssystemen keine signifikante Rolle spielen. Diese Klauenerkrankungen stellen aber heutzutage mit die größten Probleme in den rinderhaltenden Betrieben dar. In welchem Umfang ist eine Interaktion von Bodenbeschaffenheit und Biomechanik des Rinderfußes für die Entstehung von Klauendefekten verantwortlich?

Die Arbeitsgruppe in Leipzig kann Rinderfüße in der Bewegung mit Röntgenstrahlen durchleuchten und so ein bewegtes Bild der innenliegenden Knochen und Gelenke erstellen und deren Interaktion zeigen. Um zu beantworten, was im Inneren des Rinderfußes passiert und welche Form der Klauenpflege die richtige für unsere Milchkühe in den vorhandenen Stallsystemen ist, hat die Arbeitsgruppe einen Klauenschuh mit integrierter Druckmessfolie entwickelt. Diese kann die unterschiedliche Intensität der Druckbelastung an der Klaue abhängig von Bodenart und Klauenschnitt messen. Hierbei konnte deutlich gezeigt werden, dass harte Betonböden auf einer kleineren Fußungsfläche deutlich höhere Druckspitzen aufweisen. Wird der gleiche Fuß auf einem weicheren Gummibodenbelag gemessen, zeigt sich eine Entschärfung der Druckspitzen und es kommt zu einer besseren Druckverteilung, welche den Effekt von Grünland nachempfindet.

Eine schwedische Arbeitsgruppe, die sich ebenfalls mit dem Thema der Druckverteilung an der Rinderklaue auf unterschiedlichen Bodenbelägen befasste, stellte die gleichen Ergebnisse im Vergleich von Beton, Gummimatten und Weide heraus. Die überwiegende Gewichtsbelastung vom hinteren Bereich der Klaue, wo Rusterholzsche Sohlengeschwüre entstehen, verteilen sich gleichmäßig auf die gesamte Sohlenfläche. Somit ist auf der Weide keine übermäßige Druckspitze mehr auf einen Bereich konzentriert.

Lahmheit mindert Tierwohl

Laut Borut Zemljic (Universität Ljubljana, Slowenien) hat das Auftreten von Lahmheiten neben der Beinträchtigung der Gesundheit auch fatale Auswirkungen auf das Tierwohl. Seiner Meinung nach hat jedes Lebewesen fünf grundlegende Freiheiten, die zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt oder verwehrt bleiben dürfen. Zu diesen Freiheiten zählen:

  • Freiheit zu essen und zu trinken
  • Freiheit von Stress durch ein unpassendes Umfeld
  • Freiheit von Verletzungen
  • Freiheit, das natürliche Verhalten auszuleben
  • Freiheit von Schmerzen

Zemljic fasst zusammen, dass bei der Betrachtung von Lahmheit alle fünf möglichen Freiheiten eingeschränkt sind und schmerzhafte Klauenerkrankungen so ein großes Problem für das Tierwohl darstellen.

 

Fachliche Praxis auf japanisch

Der Praxistag im Anschluss an drei volle Tage im Kongresszentrum hatte mehrere Schwerpunkte: Erkennen und Benennen der Klauenerkrankungen sowie das Messen des Drucks an der Klaue.

Dörte Döpfer legte hier den Fokus auf die Erkennung von Dermatits Digitalis. Christoph Mülling hingegen zeigte die Druckverteilung an der Klaue unter verschiedenen Bedingungen. Die direkten Messungen an den Totklauen ergaben: Je weicher der Untergrund war, desto weniger Druckspitzen ließen sich messen. Zusätzlich zeigte sich deutlich, dass ein elastischer Boden eine größere Fußungsfläche zulässt. Die ständig wiederkehrende, punktuelle Druckbelastung bei Bewegung und im Stand wird also durch einen elastischen Gummiboden gegenüber dem herkömmlichen Beton von Spalten- oder planbefestigten Böden deutlich abgemildert.
Auf diesem besonderen Kongress wurde eine Sache sehr deutlich: Alle verschiedenen Methoden der Klauenpflege haben aber das gleiche Ziel: Die Wiederherstellung der gleichmäßigen Gewichtsbelastung aller acht Klauen bei korrekter Winkelung und Sohlendicke und der Vorbeuge von Klauenerkrankung. Denn so lässt sich das Tierwohl stärken und der maximale wirtschaftliche Erfolg eines gesunden Tieres erhalten.

Auf diesem besonderen Kongress wurde eine Sache sehr deutlich: Alle verschiedenen Methoden der Klauenpflege haben aber das gleiche Ziel: Die Wiederherstellung der gleichmäßigen Gewichtsbelastung aller acht Klauen bei korrekter Winkelung und Sohlendicke und der Vorbeuge von Klauenerkrankung. Denn so lässt sich das Tierwohl stärken und der maximale wirtschaftliche Erfolg eines gesunden Tieres erhalten.

Die nächste „Lameness in Ruminants“-Konferenz findet 2021 in Minneapolis (USA) statt.


Mehr zu dem Thema