In den letzten Wochen habe ich mehrere Milchviehbetriebe besuchen dürfen, die kleinere oder größere Wachstumsschritte vollzogen haben. In den Gesprächen mit den Betriebsleitern stellte sich heraus, dass die Herdenaufstockung nicht immer in einer größeren persönlichen Zufriedenheit oder in einem besseren wirtschaftlichen Ergebnis mündete. Arbeitsverdichtung, Anlaufprobleme im neuen Stall, die Umstellung von Produktionsprozessen, das Einarbeiten neuer Mitarbeiter, Schulden und...
In den letzten Wochen habe ich mehrere Milchviehbetriebe besuchen dürfen, die kleinere oder größere Wachstumsschritte vollzogen haben. In den Gesprächen mit den Betriebsleitern stellte sich heraus, dass die Herdenaufstockung nicht immer in einer größeren persönlichen Zufriedenheit oder in einem besseren wirtschaftlichen Ergebnis mündete. Arbeitsverdichtung, Anlaufprobleme im neuen Stall, die Umstellung von Produktionsprozessen, das Einarbeiten neuer Mitarbeiter, Schulden und Generationskonflikte haben des Öfteren nicht nur zur Unzufriedenheit der Familienmitglieder geführt, sondern in einigen Fällen sogar zu ernsthaften psychischen Belastungen.
Über die Auslöser dieser wachstumsbedingten Schmerzen lässt sich nur mutmaßen. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass sich einige Unternehmer im Vorfeld der Investitionen nicht intensiv genug mit den Folgen und Risiken einer Herdenaufstockung auseinander- gesetzt haben. Sie sind „irgendwie“ gewachsen, aber nicht geplant! Der ein oder andere hat sich wohl angesichts der Begeisterung „erfolgreicher“ Berufskollegen zu einer Investitionsentscheidung hinreißen lassen. Denn wer plötzlich nicht mehr selbst melken muss, sondern melken lässt, wer einen großen Kuhstall sein eigen nennen kann, der gilt, von außen betrachtet, als erfolgreicher Unternehmer.
Wachstums-Schmerzen lassen sich vermeiden, sofern die Herdenaufstockung gut vorbereitet wird. Dazu gehört auch, alle Szenarien einmal durchzuspielen – auch die negativen!
Sofern Sie sich in Gedanken gerade mit einer Investition beschäftigen, dann nehmen Sie sich unbedingt auch Zeit, um sich ernsthaft mit ihren Arbeitsabläufen im Betrieb auseinanderzusetzen. Treten Sie bewusst aus Ihrer Komfortzone heraus. Seien Sie nicht nur kritisch mit Ihrem Umfeld, sondern auch unbedingt mit sich selbst. Sind Sie offen dafür, Neues zu lernen? Wie gut sind Sie im Abgeben von Dingen, die Sie bislang (gerne) selbst erledigt haben? Sehen Sie sich gegebenenfalls in der Lage, sich als Unternehmer neu zu erfinden?
Der wirtschaftliche Erfolg eines Familienunternehmens wird maßgeblich durch die Fähigkeiten des Unternehmers bestimmt, sich selbst und den eigenen Betrieb selbstkritisch zu reflektieren. Insofern kommt der schonungslosen Selbsteinschätzung eine große Bedeutung zu. Den Wachstums-Schmerzen lässt sich so oftmals vorbeugen.