Immer schneller, immer weiter, immer mehr? Familie Guggenmos ist ausgestiegen und hat sich mit Heumilch eine Nische gesucht, die trotz geringer Kuhzahl eine wirtschaftliche Produktion erlaubt.
Wenn man eine Zeit lang auf einem Heumilchbetrieb gearbeitet hat, will man auf einen normalen Hof nicht mehr zurück“, stellt Franz Guggenmos fest. „Der...
Immer schneller, immer weiter, immer mehr? Familie Guggenmos ist ausgestiegen und hat sich mit Heumilch eine Nische gesucht, die trotz geringer Kuhzahl eine wirtschaftliche Produktion erlaubt.
Wenn man eine Zeit lang auf einem Heumilchbetrieb gearbeitet hat, will man auf einen normalen Hof nicht mehr zurück“, stellt Franz Guggenmos fest. „Der Geruch ist einzigartig!“ Er lehnt an dem weißen Schaltkasten im Vorraum der Bergehalle und erklärt am Bildschirm die Steuerung der Trocknungsanlage. Anschließend öffnet er das graue Metalltor. Schlagartig strömt der würzig-süßliche Geruch von frischem Gras und Kräutern aus der großen Holzhalle. Ganz anders als das muffige Bukett, das einem aus „mal eben mitgemachten“ Heuballen andernorts entgegenkommt. Guggenmos lächelt und steigt über eine Holzleiter in die Halle hinauf. Vor zwei Tagen erst haben sie den zweiten Schnitt eingefahren, die Trocknung läuft auf Hochtouren.
Heumilch als Alternative
2015 haben Guggenmos‘ kurz entschlossen die vorhandene Bergehalle entkernt, die funktionierenden Tiefsilos herausgerissen und in eine moderne Heutrocknungsanlage investiert. „Unsere Berufskollegen haben uns den Vogel gezeigt.“ Zwar winken stabile Milchpreise auf höherem Niveau, aber mal eben einen anderen Betrieb zu übernehmen ist aufgrund der unterschiedlichen Produktionssysteme nun nicht mehr problemlos möglich. Doch dieses Wagnis sind Christiane und Franz Guggenmos eingegangen. „Wir wollten raus aus dem Hamsterrad des ‚immer größer, immer weiter’ und etwas machen, das nicht jeder kann. Letztendlich haben wir uns für Heumilch entschieden.“
Denn die Voraussetzungen auf dem Betrieb passten: Aufgrund des begrenzten Lagerraums für Silage wurde schon immer viel Heu gefüttert, der Lüfter der vorhandenen Heutrocknung war gerade kaputtgegangen und musste ohnehin ersetzt werden. Als dann noch der erste Schnitt 2015 besonders zuckerreich ausfiel und Probleme mit Nacherwärmung auftraten, war die Entscheidung gefallen. „Dazu kam, dass wir unsere Bergehalle weiter nutzen konnten. Hätten wir noch eine neue Halle bauen müssen, hätte es sich nicht mehr gerechnet.“ Durch das vorhandene Gebäude und eine Förderung des Landes Bayern auf die Heutrocknung musste die Familie insgesamt noch 110.000 € investieren. Bei 45 Kühen eine große Summe. Seine Molkerei, die Schönegger Käserei, zahlt derzeit einen Grundpreis von 38 Cent/kg Milch. „Ich sehe die Entwicklung des Milchmarkts eher pessimistisch“, sagt Guggenmos. „Wenn die kurzen Hochpreisphasen dazu genutzt werden müssen, erst einmal Finanzen zu flicken, bleibt es wirtschaftlich schwierig. Durch die Heumilch erhoffe ich mir, dass wir nicht mehr so viele Löcher stopfen müssen wie bisher.“
Das Ehepaar Guggenmos hat sich bewusst gegen Bio-Heumilch entschieden. „Die Umstellungswelle rollt. Wir fürchten den Tag X, an dem zu viel Bio-Milch auf dem Markt ist und der Preis kippt.“ Sie produzieren ihre Heumilch nach dem Heumilchstandard aus Österreich. Dieser ist Basis für Heumilch als „geschützte traditionelle Spezialität“, ein europäisches Siegel, unter dem sich auch die deutsche Heumilch vermarkten lässt.
„Wir wollten raus aus dem Hamsterrad des ‚immer größer, immer weiter’ und etwas machen, das nicht jeder kann. Letztendlich haben wir uns für Heumilch entschieden.“
Franz Guggenmos
„Schaukuh-Diät“
Dieser Standard besagt, dass der Trockenmasseanteil des Raufutters im Jahresmittel mindestens 75% betragen muss. Vergorene Futtermittel wie Silage sind ausgeschlossen. Die Kühe erhalten darum 30 bis 40% Heu vom 1. Schnitt, aufgefüllt mit Heu der späteren Schnitte. Etwa 1,5 kg Ausgleichsfutter je Kuh und Tag aus 50% Mais und 50% Gerste sowie Mineralfutter aus Leckeimern ergänzen die Ration.
Nur wenige Schritte liegen zwischen der Bergehalle und dem hellen Boxenlaufstall. Neugierig und ihre Heuration mit kräftigen Schlägen kauend schauen die Braunviehkühe auf: Auf ihrem graubraunen Fell liegt ein silbriger Glanz, ihre Gelenke zeichnen sich klar unter der Haut ab. Der Fettgehalt der Milch sank durch die Umstellung von 4,2% auf 4,0%, der Eiweißgehalt stieg von 3,85% auf über 3,9%. „Derzeit ermelken wir zwar nur 7.800 kg und einen Eiweißgehalt von 3,7%. Wir verfüttern aber gerade das letzte alte Heu aus der Umbauzeit 2015. Ich bin zuversichtlich, dass wir bald unser übliches Niveau von 8.500 kg Milch erreichen werden.“
Denn Heu ist nicht gleich Heu. Um eine Milchkuh nur mit Heu leistungsgerecht zu füttern, ist sowohl „Kraftfutter-Heu“ als auch „Rohfaser-Heu“ nötig. Diese beiden Futtermittel ergibt das Gras je nach Schnittzeitpunkt. Guggenmos mäht vier bis fünf Schnitte im Jahr. Etwa ein Drittel des Grases wird zur Silagereife (Kraftfutter-Heu) geerntet, der Rest später (Rohfaser-Heu), wenn für zweieinhalb Tage gutes Wetter angekündigt ist und die Aufwuchsmenge passt. Anders als früher wird heute eher nachmittags gemäht. Der Betrieb nutzt ein Knick-Mähwerk mit Aufbereiter, dazu wurde ein Wender mit liegenden Zinken angeschafft.
Dank der Heutrocknung ist das Zeitfenster für die Heuernte auf 24 bis 36 h zusammengeschrumpft. Trotzdem wendet der Milchviehhalter vier Mal, wenn viel Futter auf der Fläche steht. Ist es besonders warm oder liegt nicht sehr viel Gras, wird einmal gewendet. „Insgesamt mache ich mir viel mehr Gedanken um die Außentemperatur als früher“, sagt Franz Guggenmos. Er schwadet mit niedriger Drehzahl. „Die Blattmasse darf auf keinen Fall brechen!“ Im Ladewagen darf das Futter nicht verdichtet werden, damit bei der Trocknung die Luft ungehindert hindurchströmen kann.
Trocknung ist Hightech
Per Ladewagen gelangt das Erntegut in die Bergehalle, von wo es mit einem Kran in die Trocknungskammern eingelagert wird. Der beste Mann müsse abladen, erklärt Franz Guggenmos, denn eine homogene Einlagerung von außen nach innen bestimmt Energieeffizienz und Futterqualität. Die Software der Anlage schlägt Trocknungszeit und Füllhöhe anhand der Parameter Restfeuchte, Hektarertrag oder geerntete Fläche vor. Zudem ist sie in der Lage, je nach Außentemperatur Entfeuchter und/oder Heizung dazu- oder abzuschalten. So konnte Guggenmos seit Sommer 2015 bereits 300 Stunden à 19 ct/kWh einsparen, die er ohne diese intelligente Steuerung hätte ausgeben müssen. Luftfeuchte- und Temperatursensoren im Dachgebälk der Bergehalle melden, ob das Heu ausreichend getrocknet ist. Guggenmos rät, sich intensiv mit der Anlage zu beschäftigen, damit beispielsweise während der energieintensiven Melkstandreinigung nicht auch noch die Trocknung auf Volldampf läuft. Insgesamt bemüht sich die Familie, so viel des eigenen Photovoltaik-Stroms wie möglich auf dem Betrieb zu nutzen.
Der erste Schnitt benötigt zur Trocknung durch die höhere Menge ein bis zwei Wochen, die weiteren Schnitte zwei bis fünf Tage. Für weitere ein bis zwei Wochen wird zudem für etwa eine Stunde täglich nachbelüftet. Trotz der Sensorüberwachung muss zwei bis drei Mal täglich kontrolliert werden, ob die Luft durch den Stock geht oder Haufen umgeschichtet werden sollte. Ziel ist ein TM-Gehalt von 70 bis 80%.
Umstellung auch im Management
Neben dem höheren Aufwand bei der Futterbergung verändert sich auch das Herdenmanagement. Früher habe er extrem genau gemischt. „Das ist mir jetzt weniger wichtig. Einziges Kriterium heute: Die Kühe müssen voll sein“, sagt Guggenmos. Schwieriger als früher gestalten sich die Kontrolle der Mineralstoffversorgung sowie die Steuerung der Fütterung (Kotkonsistenz), da nicht einfach auf Zeit eine Rationskomponente ergänzt werden könne. „Man muss bedenken, dass man zum Ausgleich der Ration kein Stroh mehr einsetzen kann – die Kühe fressen es nicht mehr!“, sagt er lachend mit Blick auf seine Herde. Alle Tiere müssen zudem 14 Tage lang silagefrei gefüttert werden, bevor die Milch als Heumilch vermarktet werden darf.
Aus arbeitswirtschaftlichen Gründen investierte die Familie in eine automatische Fütterung von GEA. Der Kuhstall verfügt nicht über einen befahrbaren Futtertisch, aufgrund des geringen Fassungsvermögens des Troges musste fünf bis sechs Mal am Tag der Futtermischwagen laufen. Derzeit ist Franz Guggenmos durch sein zweites Standbein, ein Kühlsystem (Wasserverneblung) für Kühe, häufig unterwegs. Dann schmeißt Christiane Guggenmos mit ihren Schwiegereltern Franz und Helga den Betrieb.
„Es hat uns ein halbes Jahr Bastelei gekostet, bis die Anlage verstopfungsfrei auch Heu gefüttert hat!“, so Guggenmos. Heu ist viel leichter und bauschiger als Silage. In normalen Anlagen ist eine Mischstation für das Vermischen des Futters zuständig, das Band liefert es nur aus. Das ist hier anders. Daher musste die Software umprogrammiert werden. Da Guggenmos die Anlage auch zum Einstreuen der Liegeboxen nutzt, wurde kurzerhand ein Fütterungs- in ein Einstreuband umfunktioniert: Ein Rohr mit Loch und Schnecke befördert nun die Einstreu, Getreidespelzen, aus der Halle vollautomatisch aufs Band und in die Boxen.
Auch, um während der Melkzeiten wenig Handarbeit zu haben, läuft die Fütterung sehr ausgeklügelt. Die erste Runde Ausgleichsfutter startet morgens um 6.00 Uhr. Die Kühe hören es, stehen auf, koten und gehen an den Trog. Um 6.10 Uhr kommt dann das Heu hinterher. Die Kühe sind nun alle wach und können um 6.15 Uhr zum Melken geholt werden. Um 7.00 Uhr folgt die nächste Runde Heu. Während der Mittagsfütterung reinigen Guggenmos‘ die Boxen, eine weitere Runde ist vor der zweiten Melkzeit um 17.30 Uhr vorgeschaltet. Hochleistende Kühe erhalten zudem bis zu 6 kg Kraftfutter pro Tag an der Station.
Unternehmer sein dürfen
Durch die Umstellung auf Heumilch erwartet Familie Guggenmos, dass sie auch künftig aus der relativ kleinen Kuhzahl ausreichend Einkommen für die Familie erwirtschaftet. Aber ist das ein Vorbild auch für andere Milchviehbetriebe? „Heumilch ist und bleibt eine Nische, weil es nur in Zusammenarbeit mit einer verarbeitenden Molkerei funktioniert“, ist Guggenmos überzeugt. Für sie passe alles zusammen. Der Betrieb trägt sich selbst, lediglich die automatische Fütterung habe der Verkauf der Wasserverneblungsanlagen finanziert. „Ob in fünf Jahren die Milchproduktion oder vielleicht doch die Kuhdusche den Großteil meiner Arbeitszeit ausmacht, weiß ich noch nicht. Ich lasse mir aber die Freiheit, beide Unternehmen zu entwickeln und mich noch nicht festzulegen.“C. Stöcker