Seit September 2017 vermarktet Andreas Böhm seine Milch unter dem Label des Deutschen Tierschutzbundes. Und das lohnt sich: Für jeden Liter erhält er 4 Cent zusätzlich.
Am anderen Ende des Stalles schwebt er fast lautlos herein. Dort angekommen, wo er hingeschickt wurde, lässt der rote Futterroboter das Futter fallen, was er kurz zuvor...
Seit September 2017 vermarktet Andreas Böhm seine Milch unter dem Label des Deutschen Tierschutzbundes. Und das lohnt sich: Für jeden Liter erhält er 4 Cent zusätzlich.
Am anderen Ende des Stalles schwebt er fast lautlos herein. Dort angekommen, wo er hingeschickt wurde, lässt der rote Futterroboter das Futter fallen, was er kurz zuvor selbstständig aus den Vorratsbehältern geholt und gemischt hat. „Es ist erstaunlich, wie viel Zeit ich durch die automatische Fütterung der Kühe spare. Das Befüllen der einzelnen Fächer, aus denen der Roboter die Grobfutterkomponenten entnimmt, dauert nur etwa eine halbe Stunde am Tag“, erklärt Andreas Böhm.
Zudem ist die Programmierung des Roboters einfach, da die Ration pro Kuh berechnet wird. „Also muss ich im Bedienungscomputer nur die Anzahl der zu fütternden Tiere ändern, das kostet mich maximal fünf Minuten. Die Mengen werden dann automatisch angepasst.“
Der 33-jährige Bayer Andreas Böhm hat, als er vor wenigen Jahren den neuen Stall für seine Fleckviehherde bauen ließ, vor allem eins im Sinn gehabt: „Für mich steht die Gesundheit meiner Kühe an erster Stelle. Dazu gehört auch, dass sie immer frisches Futter haben.“ Die beiden melkenden Gruppen mit insgesamt ca. 140 Kühen werden jeweils sechsmal täglich gefüttert, beim Jungvieh und den Trockenstehern legt der Roboter drei- bis viermal pro Tag Futter vor.
Melken übernimmt das AMS
Außer der Fütterung hat er auch das Melken automatisiert. Im neuen Außenklimastall, der 2011 bezogen wurde, werden die Kühe von zwei DeLaval-Robotern gemolken. „Sobald eine Kuh eine Milchleistung von 30 bis 40 Litern pro Tag hat, sollte sie dreimal täglich die Möglichkeit haben, ihre Milch abzugeben. Meine Kühe geben im Schnitt ca. 9.000 Liter Milch pro Jahr, also etwa 30 Liter täglich. Deshalb sind die AMS für uns als Familienbetrieb und auch für das Tierwohl die beste Option.“ Das zeigt sich auch in der guten Eutergesundheit und den 130.000 Zellen pro ml Milch.
Für die Frischabkalber, behandelte Tiere und Problemkühe, die sich nicht oder nur schlecht an den Roboter gewöhnen lassen, hat Böhm den alten 2x6er-Fischgrätenmelkstand behalten. Er ist ans Altgebäude angegliedert, in dem jetzt das Jungvieh und die tragenden Kühe stehen, „und der ist wirklich Gold wert. Ich achte darauf, dass ich nie mehr als zwölf Tiere habe, die in diesem Stand zweimal am Tag gemolken werden. Das erledigt entweder unser Praktikant, meine Mutter oder ich selbst. Eine Melkzeit dauert maximal eine halbe Stunde. So kann ich aber sicher sein, dass keine Sperrmilch in den Tank für die Molkerei gelangt.“ Böhms Mutter kümmert sich außerdem um die Problemkühe und die Versorgung aller Mitarbeiter und Helfer. Sein Vater hat in der Außenwirtschaft das Sagen und ist für die Kälberversorgung zuständig.
Tierwohl zahlt sich aus
Andreas Böhms Einsatz für das Tierwohl, der ihm auch durch die eingesparte Zeit bei der Fütterung möglich ist, lohnt sich: Seit September dieses Jahres ist er einer von 78 Landwirten, die ihre Milch unter dem Label des Deutschen Tierschutzbundes über die Molkerei Gropper vermarkten. Zu kaufen gibt es sie bei Aldi und Lidl. „Auf der Grünen Woche im Januar wurde das zweistufige Label ‚Für mehr Tierschutz‘ vorgestellt. Die Kriterien für die Einstiegsstufe sind z.B. mindestens 6 m2 Fläche pro Tier, eingestreute Liegeboxen und eine separate Krankenbox. Da mir ein großzügiges Platzangebot bereits beim Bau des Stalls wichtig war, erfülle ich die Vorgaben des Labels jetzt problemlos. Für die Einhaltung der Kriterien bekomme ich zusätzlich 4 Cent pro abgegebenem Liter Milch ausgezahlt.“ Außerdem dürfen teilnehmende Landwirte ihre Kälber nur sediert, unter Lokalanästhesie und mit Schmerzmitteln enthornen, keine gentechnisch veränderten Futtermittel einsetzen und tragende Kühe nicht an den Schlachter abgeben.
Bei Andreas Böhm stehen die Tiere in einem zweireihigen Boxenlaufstall: „Mir war wichtig, dass die Fress- und Liegeplätze ein Verhältnis von 1:1 haben.“ Böhm sitzt seit Herbst 2017 auch im Gremium für die Weiterentwicklung des Labels, zu dessen Teilnahme er eingeladen wurde. So hat er die Möglichkeit, seine Fachkenntnisse mit einzubringen. „Entscheidend für die Teilnahme war für mich, dass es keine fanatischen Tierschützer sind, die dahinter stehen. Hier liegt der Fokus auf den Landwirten, die mit guten Haltungsbedingungen entscheidend zur Gesundheit ihrer Tiere beitragen.“ Einen kleinen Haken gibt es aber. Bisher, berichtet Andreas Böhm, hat er keine verbindliche Zusage über die Laufzeit des Labels erhalten. Die Premiumstufe des Tierschutz-Labels ist kein Thema für ihn: „Dafür müsste ich meinen Tieren Weidegang und einen Laufhof anbieten. Beides ist für 140 melkende Kühe an meinem Standort aufgrund mangelnder Fläche nicht realisierbar.“ Hinzu kommt, dass die Molkerei Gropper für konventionelle Betriebe nur die Vermarktung der Milch, die nach Kriterien der Einstiegsstufe erzeugt wurde, anbietet. Ausschließlich die Milch von Bio-Betrieben wird unter der Premiumstufe vermarktet. Anmerkung: Bisher können nur Mitglieder der Molkerei Gropper und der Molkerei Bechtel ihre Milch unter dem Label des Deutschen Tierschutzbundes vermarkten.
Züchter mit Leib und Seele
Für den bayrischen Milchviehhalter steht das Tierwohl jedoch an oberster Stelle, ob mit Label oder ohne, „und das fängt schon bei der Zucht an!“, betont Andreas Böhm, der gemeinsam mit seinen Eltern zum Fleckvieh-Züchter des Jahres 2016 gekürt wurde. Auf dem Betrieb wird nicht nur in die weibliche Nachzucht investiert, die zum Teil verkauft wird: Von fast allen Bullenkälbern wird die Ohrstanze zur genomischen Untersuchung an den Zuchtverband geschickt. Sind die Werte gut, wird das männliche Tier bis zu einem Alter von ca. einem Jahr aufgezogen und anschließend als Zuchttier weiterverkauft. „Bei den Werten schaue ich vor allem nach den Punkten für Kalbeverlauf, Exterieur und Milchleistung. Dann kommt es auch immer darauf an, aus welcher Anpaarung das Bullenkalb stammt und ein bisschen auf mein Bauchgefühl“, gibt Böhm schmunzelnd zu.
Der Verkauf der Bullen ist ein gutes zweites Standbein. Zwar wechselt nicht jeder Stier zu einem Spitzenpreis den Besitzer oder wird an der Besamungsstation eingesetzt. Böhms geben auch regelmäßig Bullen direkt an Milchviehhalter ab, die sie für den Natursprung in der Herde halten wollen. Stolz macht es ihn natürlich schon, wenn ein genomisch gut getesteter Bulle bei einer Versteigerung für eine hohe Summe verkauft wird: „Unseren Epochal haben wir vor Kurzem für 42.000 Euro an den Besamungsverein Nordschwaben verkauft. Erlöse in dieser Höhe sind aber eher die Ausnahme“, erklärt Andreas Böhm. Dass in seiner Brust ein Züchterherz schlägt, wird besonders deutlich, wenn der ehemals langjährige Vorsitzende der bayerischen Jungzüchter und derzeit zweite Vorsitzende des Zuchtverbandes Wertingen über die Anpaarungsplanung für seine Kühe und Jungtiere spricht. „60 bis 70% der Rinder sind mit Embryonen belegt. Die mit dem besten genetischen Potenzial werden besamt. Ich versuche immer, für die Besamung einen Bullen auszusuchen, der optimal zu den Voraussetzungen des Tieres passt – an erster Stelle steht für mich dabei das Exterieur.“ Bei den Milchkühen ist die Besamung die Regel, die Zwischenkalbezeit liegt bei ca. 374 Tagen. Das Sperma, das Böhm für die Kühe verwendet, ist zu 70% genomisch und zu 30% töchtergeprüft. Und wenn die Anpaarung besonders erfolgreich war, zeigt Andreas Böhm das auch gerne auf der nächsten Tierschau.
Die Freude am Beruf vermitteln
Deutlich ist dem jungen Mann anzusehen, wie viel Freude ihm sein Beruf bereitet. Auch deshalb hat er sich an dem Projekt „Kesseltaler Landwirtschaftserlebnis“ beteiligt. Böhms Hof ist die neunte der insgesamt fünfzehn Stationen eines Wanderweges, mit dem u.a. die Beschäftigung durch Touristen und die regionale Bevölkerung mit der Natur, das Verständnis für Landwirtschaft und Forsten sowie die Regionalität gefördert werden sollen. Der Milchviehhalter leistet dazu seinen Beitrag, indem er auch großzügig Raum für aktive Öffentlichkeitsarbeit auf seinem Betrieb geschaffen hat: Betritt man den neuen Stall auf der kurzen, dem Hof abgewandten Seite, kann die Kuh im Roboter durch ein großes Fenster beobachtet werden. Über eine Treppe gelangt man von diesem Raum aus auf die große Besucherterrasse. Von dort lässt sich der gesamte Stall überblicken. „Ich zähle es zu meinen Aufgaben als Landwirt, den Verbrauchern nahezubringen, wie die Erzeugung ihrer Lebensmittel heute aussieht. Hier können sie sehen, wie gute Tierhaltung funktioniert.“ Regelmäßig gibt der Landwirt auch Führungen über seinen Betrieb.
Bei aller Freude an seiner Arbeit und der vielen Technik ist es aber dennoch ein Vollzeitjob. Trotzdem: „Von zu Hause weg wollte ich nie, ich bin in die Landwirtschaft hineingewachsen und ein absoluter Kuhmensch.“ Zu den steigenden Anforderungen an die Landwirte und die Haltungsbedingungen ihrer Tiere weiß Böhm nur eines zu entgegnen: „Mir liegt die Gesundheit meiner Kühe und ihr Wohlergehen sehr am Herzen. Deshalb wird auch auf unserem Betrieb schon immer Fleckvieh gehalten, weil das in meinen Augen die gesündere, robustere Rasse ist.“ Das ist es, erzählt Böhm, was ihn jeden Tag antreibt, seinen Job gut zu machen und zu den Besten gehören zu wollen. Die guten Milchviehbetriebe haben sich in seinen Augen schon immer dadurch ausgezeichnet, dass sie allen anderen einen Schritt voraus sind und Vorgaben bereits erfüllen, bevor sie verpflichtend werden: „Für mich stellt das Tierschutzlabel eine Herausforderung, aber kein Problem dar.“K. Kortendieck