Hergen Wißmann ist in Deutschland ein Vorreiter für die Kompakt-TMR. Seit 2,5 Jahren fressen seine Kühe die unselektierbare Ration und die Effekte begeistern das Team jeden Tag aufs Neue.
7.30 Uhr. Geselle Marian Lohmeier schüttelt die letzten Kilogramm Grassilage aus der Radladerzange in den Mischwagen. Die nächsten 15 Minuten verrühren die drei vertikalen Schnecken das in Wasser eingeweichte Kraftfutter mit der Grassilage zu einem braun-grünen Mus. „Ein gewöhnungsbedürftiger Anblick“, gibt Betriebsleiter Hergen Wißmann beim Blick in den Behälter zu. Und das, obwohl er seit zweieinhalb Jahren Kompakt-TMR füttert. „Und es zeigen sich immer noch Effekte, die die K-TMR auslöst, die wir heute erst kapieren“, verrät er.
Von den Dänen kopiert
Für sich entdeckt hat er das Verfahren der Kompakt-TMR im Herbst 2015 auf einer Exkursion in Dänemark. Eigentlich wollte er sich dort mit Milchkuhhaltern darüber austauschen, wie sich die Effizienz beim Robotermelken steigern lässt. „Als wir in den Stall von Torben Dahl kamen, fiel mir sofort auf, dass hier etwas komplett anders war als bei uns. Nur wenige Kühe fraßen, obwohl ihnen die Ration gerade vorgelegt worden war“, erzählt Hergen Wißmann. „Auf meine Frage nach dem Geheimnis seiner TMR antwortete Dahl nur: ‚It‘s only water‘.“ Am Abend erklärte der Däne, dessen Herde knapp 14.000 kg melkt, seinem deutschen Kollegen das Prinzip der Kompakt-TMR genau.
Zurück zu Hause, stellte Hergen Wißmann dann nach gemeinsamen Überlegungen mit seinem Fütterungsberater und Tierarzt Dr. Arnd Grottendieck die Teil-TMR für die laktierenden Kühe auf das kompakte Verfahren um.
„Dass ich so ein Nachmacher bin, war dabei genau richtig“, sagt er mit einem Augenzwinkern. „Man sollte nämlich besser nicht meinen, schlauer zu sein und auf eigene Faust von dem Original-Mischprotokoll abweichen.“ Denn die Effekte der klebrigen TMR, dass die Kühe sie nicht selektieren und keinen Futterneid entwickeln, treten nur ein, wenn man die vom Erfinder Prof. Dr. Kristensen erprobten Schritte und Zeiten einhält: 1. Kraftfutter 1:1 mit Wasser einweichen (= Premix); 2. Grassilage dazu, 15 Minuten mischen (= Struktur); 3. Maissilage dazu, 15 Minuten mischen (= Finish)!
Tag für Tag die gleiche Qualität, bitte!
Der breiige Premix wird abends aus der hofeigenen Kraftfuttermischung, Sodagrain und Wasser im Verhältnis von 1:1,2 – das entspricht 10 l Wasser pro Kuh und Tag – im Futtermischwagen angerührt.
Die im Protokoll für den zweiten Schritt vorgeschriebenen 15 Minuten Mischzeit nach dem Laden der Grassilage nutzt Marian Lohmeier zum Vorsortieren der Maissilage. Mit der Radladerzange kneift er die äußere Schicht um die Anschnittsfläche des Silos ab und kippt sie auf der Siloplatte auf einen Haufen. Diese Silage landet später in der Jungviehration. Die Silage aus dem Kern ist für die Kühe bestimmt. Hergen Wißmann beobachtet das Geschehen vom Rand der Siloplatte aus und erklärt: „So bekommen die Kühe jeden Tag die gleiche Futterqualität. Auch wenn es regnet oder wie jetzt, nach mehreren Tagen mit über 30 Grad, die oberste Schicht leicht erwärmt ist.“
Wärme ist ein Argument von Skeptikern gegen die feuchte Kompakt-TMR. Doch trotz deren Trockenmassegehalt von 38% und 7,1 kg Frischmasse Ausgleichsfutter/Kuh in der Grundration stellten Wißmanns bislang kein erhöhtes Risiko von Nacherwärmung fest. „Aber wir sind vorsichtig. Weil es die letzten Tage so heiß war, mischen wir jetzt vorbeugend einen TMR-Stabilisator ein.“ Nachdem der Geselle die letzte Zange Maissilage in den Mischbehälter gekippt hat, laufen die abschließenden 15 Minuten Mischzeit an. „Wichtig ist, dass die Ration immer gleichmäßig und komplett durchmischt“, Hergen Wißmann schaut von der Mischwagenleiter aus auf die langsam wogende Masse. „Wir kontrollieren das ab und zu, indem wir Futterkalk über die Mischung werfen.“ Damit die TMR perfekt ist, müssen die Schnecken 21 bis 23 Umdrehungen pro Minute erreichen – 180 PS seien dafür vor dem 34 m3-Futtermischwagen schon gefragt.
24,9 kg TM-Aufnahme ohne Neid
In der abschließenden fünfzehnminütigen Mischzeit schiebt Marian Lohmeier die Futterreste der Kühe zusammen. Während er den letzten Haufen von Hand in die Radladerschaufel schippt, recken von der anderen Seite des Fressgitters sechs Kühe ihre Hälse zu ihm rüber. „Es sind immer die gleichen“, sagt der ehemalige Auszubildende und blickt mit einem Lächeln auf die versammelten Schwarzbunten. Vier bis fünf Prozent Futterrest sind eingeplant. Kurz vor dem Füttern soll an jedem Platz noch Futter liegen, damit die Kühe kein Hungergefühl entwickeln. Daher ist die Futtervorlage ein Fixpunkt im Tagesablauf: „Acht Uhr, plus/minus zehn Minuten. Derjenige der füttert, wird in Ruhe gelassen“, bestimmt Hergen Wißmann. Der Futtertischroboter fährt das erste Mal zehn Stunden nach dem Füttern. Vorher sei kein Bedarf.
Der Futterrest wird später in die Rinderration geladen und so zurückgewogen. Das Ergebnis dokumentiert der Fütterer dann in einer Excel-Datei auf dem Tablet, das seinen festen Platz auf dem Radlader hat und das Gewicht in Trockenmasse umrechnet. „Gestern lag die Futteraufnahme bei 24,9 kg TM pro Kuh“, erklärt Hergen Wißmann. Um die Mischzeiten nicht zu unterschreiten, läuft auf dem Tablet auch ein Timer mit. Um 08:02 Uhr fährt der Mischwagen auf die Futterachse. Bis auf die bekannten Gesichter vom Trogsäubern stehen keine weiteren Kühe an den Futtertischen. Auch als diese sich Meter für Meter mit der frischen K-TMR füllen, bleiben die Kühe wo sie sind, an den Melkrobotern oder in den Tiefboxen.
Nachdem das Futter ausgeladen ist, fressen höchstens zwölf Kühe pro Gruppe. Die Kühe wissen, dass sie nicht damit rechnen müssen, zu späterer Stunde nur noch die, von ihren Vorgängerinnen verschmähten, Reste vorzufinden. „Damit das klappt, muss die Mischqualität Tag für Tag konstant sein“, so Wißmann. Die Kühe fressen immer von oben ab und wühlen nicht durch den Futterberg. Sie haben gelernt, dass Schieben und Schmeißen nichts nützt. „Sie nehmen zwei Bissen, heben den Kopf, kauen kurz und schlucken. So können sie schnell viel Futter aufnehmen.“ Kühebeobachten gehört in diesem Stall zum Alltag.
Wohlfühlgewicht & mehr Leistung
Die gleichmäßig propere Kondition der Kühe fällt auf. Keine Rippe steht hervor, egal ob Färse oder Mehrkalbskuh. Homogene TMR, homogene Herde? Die Sätze sprudeln nur so aus ihm heraus, fragt man Hergen Wißmann nach den Effekten der K-TMR: „Zuerst ist der soziale Stress weg. Uns war vorher nicht bewusst, wie stark Futter Stress provoziert, wenn es selektierbar ist.“ Zu erwähnen ist, dass im Stall auch ohne die kompakte Ration viel gegen Stress in der Herde getan wird: Die vier Gruppen sind maximal zu 100% belegt und die Kühe bleiben ihr Leben lang in ihrer Gruppe. Das gilt auch für die Trockensteher. Diese stehen jeweils in, an ihre eigenen AMS-Gruppen angrenzenden Bereichen. Färsen werden sechs Wochen vor der Kalbung dort eingegliedert. Gekalbt wird in vier Kleingruppen im Stalltrakt nebenan.
„Und dann nehmen die Kühe zu. Das dauert, je nachdem von welchem Niveau sie kommen“, beschreibt er den Prozess weiter. Gemeinsam mit dem Gesellen und seinem Auszubildenden Niklas Block klickt der Ausbilder sich am Stall-PC durch die Auswertungen. „Drei Monate nach der Umstellung stellte sich ein stabiles Gewicht bei den Melkenden ein. Um die 715 kg beträgt es jetzt, 30 kg mehr als vorher.“ Das habe zunächst natürlich höhere Kosten verursacht. Die Kühe fressen mehr, der Aufwand beim Füttern ist größer. Doch haben die Kühe ihr Wohlfühlgewicht erreicht, folgt der dritte Effekt: mehr Milch. Die Herdenleistung stieg um 1.000 kg. Aktuell liegt das Tagesgemelk mit 193 Laktationstagen im Herdenmittel bei 36,5 kg. Ein Blick auf die nächste Kurve zeigt, dass die Färsen am 70. Tag mit 39,9 kg Milch ihren Laktationspeak erreichen. „Spannender ist aber, dass sie schon ab dem 30. Laktationstag wieder konstant zunehmen.“ Die jungen Kühe profitieren am meisten davon, dass es keinen Futterneid mehr gibt.
Zuletzt verbesserte sich die Fruchtbarkeit. Vor der Einführung der Kompakt-TMR lag der Erstbesamungserfolg bei 50%, in den letzten 365 Tagen betrug er 71% mit 2,2 Besamungen. Was aber laut dem Betriebsleiter nicht heiße, dass die letzten 30% keine Schwierigkeiten mehr bereiten würden. Alles in allem hat sich die Wirtschaftlichkeit im Betrieb verbessert.
Auch die Trockenen fressen kompakt
Heute würde Hergen Wißmann als Erstes die Ration der Trockensteher auf Kompakt-TMR umstellen, was er tatsächlich erst Anfang 2017 tat. „Hier sehe ich den Effekt am größten. Aber wir haben falsch damit angefangen.“ Begeistert vom Erfolg bei den Laktierenden hatten sie einfach die bestehende Trockensteherration nach dem Kompakt-TMR-Protokoll gemischt. Die Futteraufnahme stieg sofort, also fütterten sie mehr. Bis zu 14 kg TM pro Kuh.
Das Ergebnis waren ganz schnell fette Kühe zur Kalbung – mit allen Konsequenzen. „Wir haben sofort die Dänen um Rat gefragt. Aufgrund der hohen Futteraufnahme muss der Nährstoffgehalt der Ration klar begrenzt sein. Das kann dazu führen, dass die Trockenen den Trog für ein, zwei Stunden am Tag leer haben müssen“, erklärt Hergen Wißmann und lässt eine Handvoll des strohgelben feinfaserigen Futters vor das Maul einer Färse fallen. Mit 5,2 kg (alles in TM) Mais- und 1,5 kg Grassilage, 3 kg Stroh und 2,2 kg Ausgleichs- und Mineralfutter pro Kuh/Tag, enthält die Ration 5,7 bis 5,9 MJ NEL, 130 bis 140 g XP und 230 bis 250 g XF/kg TM. Die Kalzium- und Phosphoraufnahme sind auf max. 45 g/Tag; der Kaliumgehalt auf max. 15 g/kg TM begrenzt.
Ein Spezial-Team um die Kühe
Die Umstellung auf die Kompakt-TMR veränderte die Betriebsabläufe weit über das reine Futtermischen hinaus. So erlebten alle Beteiligten, welche Vorteile es bringt, nach einer fixen Anleitung zu arbeiten. Als Nächstes haben sich Familie Wißmann und ihre Mitarbeiter daher vorgenommen, auch für andere Abläufe im Kuhstall feste Protokolle einzuführen. Dann veränderte sich auch der Ablauf der Grasernte. Da Mähen, Schwaden und Feldhäcksler perfekt aufeinander abgestimmt sein müssen, um tatsächlich die für die Kompakt-TMR gewünschte theoretische Häcksellänge von 8 mm zu erreichen, wurde die Arbeit komplett an den Lohnunternehmer ausgelagert.
Alle Veränderungen sind dabei das Ergebnis von Teamarbeit. Das „Team“ ist für Hergen Wißmann der wesentliche Erfolgsfaktor. „Man muss erkennen, was die Kühe brauchen und dann holt man sich die Leute mit dem entsprechenden Wissen ins Boot.“ Dazu gehören unter anderem Fütterungsberater, Tierarzt, Klauenpfleger, Lohnunternehmer, Melktechnik-Service und Unternehmensberater. Alle sind Spezialisten auf ihrem Gebiet und motiviert, weil sie in das Gesehen im Betrieb eingebunden werden. „Gemeinschaftlich Probleme zu bekämpfen bringt vorwärts und macht einfach Spaß“, findet er. Das nächste Ziel im Stall sei es, die 2.200 kg abgelieferte Milch pro Melkroboter und Tag zu knacken – neuer Denkstoff für das Spezial-Team! K. Berkemeier