Ein Familienbetrieb in Hessen steigert die Herdenleistung von 7.000 auf über 11.000 kg Milch. Möglich wurde das vor allem durch die Leidenschaft und den Antrieb der jungen Betriebsleiterin.
Ich bin sehr stolz auf unsere Kühe“, sagt Melanie Diehl und blickt zu den schwarz- und rotbunten Kühen, die am Futtertisch stehen. Seit acht Jahren leben die Milchkühe in einem modernen Boxenlaufstall. Davor waren sie im alten Rinderstall untergebracht. „Das war so ein typisch dunkler Stall mit schlechten Luftverhältnissen“, erinnert sie sich. Mit dem Umzug in den neuen Stall, raus aus der Überbelegung, machte die Milchleistung einen Schub um knapp 2.000 kg nach oben. Auf dem Familienbetrieb im hessischen Grünberg ist die 33-Jährige die „Kuhfrau“, sie kümmert sich um die 260-köpfige Milchkuhherde. „Natürlich mache ich nicht alles allein, aber am Ende muss Eine die Verantwortung übernehmen“.
Während sie durch den Stall läuft, erinnert sie sich: „Wir haben uns gemeinsam mit unseren Kühen auf dieses Leistungsniveau hochgearbeitet.“ Am Futtertisch bleibt sie stehen und hebt ein Grasknäuel auf. „Ich bin Perfektionistin, eine schlechte Durchmischung der Ration stört mich sehr“, sagt sie, lacht und zupft das Grasbüschel auseinander, bevor sie es auf der Ration verteilt. Ihr Blick fürs Detail hat dazu beigetragen, dass die Herdenleistung im neuen Kuhstall auf über 11.000 kg Milch geklettert ist.
Ungeplanter Erfolgskurs
Nach dem Abitur studierte sie Mathematik und Chemie auf Lehramt für Gymnasien. Nebenbei jobbte sie in einem Immobilienbüro und arbeitete zu Hause auf dem elterlichen Milchkuhbetrieb mit. Dort begann sie, das Herdenmanagement und Betriebsabläufe zu verbessern.
„Je mehr es hier auf dem Betrieb mit Gesundheit und Leistung bergauf ging, umso mehr wollte ich nur noch Kühe managen. Außerdem haben mich neue und moderne Kuhställe fasziniert!“, erinnert sie sich. „Das hat mir richtig Spaß gemacht, auch und besonders die betriebswirtschaftliche Seite. Und zu sehen, dass die Leistung immer noch etwas weiter ansteigt, wenn man hier und da noch etwas verändert. Schon bald stand fest, wenn wir in Zukunft Milch produzieren wollen, müssen wir in einen neuen Kuhstall investieren.”
Sie brach das Studium ab und stieg auf dem elterlichen Betrieb mit ein. Zunächst ließ sie sich zur Landwirtin prüfen und absolvierte dann die Meisterschule. Dort und in einem Arbeitskreis für Milcherzeuger stieg sie noch tiefer in die Betriebswirtschaft ein. „Es ist wichtig, dass man sich mit der Betriebswirtschaft und den eigenen Zahlen auskennt“, sagt sie. „Gerade als Frau ist es noch wichtiger, denn die Vorurteile sind da. Außerdem hinterfrage ich gerne alles, damit ich nicht betriebsblind werde.“
Ihre Entscheidung, Milcherzeugerin zu werden, hat sie nicht bereut. „Egal, welche Krisen zu bewältigen waren oder wie Landwirte manchmal in den Medien zerrissen werden, ich bin stolz auf meinen Beruf.“
Stetig eigene Fehler korrigieren
Zu dem Betrieb gehören noch eine 75 kW-Biogasanlage und eine Milchtankstelle. Vieles, was sie auf Fortbildungen oder von Berufskollegen hört, versucht sie, zu Hause im Stall umzusetzen, auch die Grundlagen. „Es ist mir zum Beispiel sehr wichtig, dass die Boxen und die Wassertränke täglich gereinigt werden“, sagt sie.
Zudem arbeitet Melanie Diehl eng mit dem Tierarzt zusammen und lässt sich Diagnosen und Untersuchungsergebnisse erklären. So kann sie bei den Kühen mittlerweile viele Untersuchungen selbst durchführen und nachvollziehen, wo mögliche Probleme liegen. Nachdem ein Mal kurz nach dem Einstreuen zwei gesunde Kühe zeitgleich eine Euterentzündung bekamen, ließ sie die Milch untersuchen und konnte den Erreger eindeutig auf die Einstreu zurückführen. Aber auch, wenn sich nicht alle Fehler so schnell beheben lassen, ist sie sich sicher: „Man kommt nur weiter, wenn man die eigenen Fehler sehen will.“ Offen sein, die eigenen Fehler erkennen und diese abstellen, ist der zweite Erfolgsfaktor.
Nach und nach will sie die einzelnen Bereiche auf dem Betrieb verbessern. Nachdem die Kühe in einen größeren Stall umgezogen sind, hat sie den Kälberbereich optimiert. „Eine gesunde Kälberaufzucht entscheidet über das Leistungspotenzial der späteren Kühe“, sagt die Milcherzeugerin. Der ursprüngliche Kälberstall war zu klein und lag in direkter Windrichtung. Um die Kälbergesundheit zu verbessern, bauten sie auf dem Betrieb einen neuen überdachten und windgeschützten Kälberstall für die Iglus mit Rein-Raus-Prinzip. „Gesunde Kälber sparen Arbeitszeit und machen Spaß!“, weiß sie. Die Hälfte des Jungviehs geht nach dem Absetzen bis kurz vor der Abkalbung auf einen Aufzuchtbetrieb. Mit der ausgelagerten Aufzucht ist sie sehr zufrieden.
Auch ein neuer Abkalbebereich ist in Arbeit. „Im Moment haben wir nur eine einzige kleine Abkalbebox mit hohem Durchsatz. Den Stress für die hochtragenden Kühe durch die Umstallung hatte ich bisher unterschätzt. Das muss besser werden“, erklärt sie. Um den Stress und den Keimdruck zu verringern, sind nun vier Abkalbeboxen für jeweils drei Kühe in der Mache. Dort sollen die Kühe nach dem Rein-Raus-Prinzip in Dreiergruppen kalben. Nach der Kalbung sollen die Kühe diese Gruppe verlassen, keine neue Kuh wird eingestallt. Erst nachdem die dritte Kuh gekalbt hat und die Box verlässt, soll die Box dann komplett gereinigt und desinfiziert werden. „Ob dieses Verfahren den gewünschten Erfolg bringt, kann ich erst in einem Jahr beantworten“, sagt sie und lacht.
Nur gesunde Kühe geben Milch
Die Gesundheit ihrer Kühe ist der jungen Milcherzeugerin sehr wichtig. „Man kann nur viel Milch produzieren, wenn die Kühe gesund sind“, sagt sie. „Wenn man ständig Kühe behandeln muss, macht das keinen Spaß.“ Um die Klauen der Herde gesund zu halten, kommt regelmäßig ein Klauenschneider, außerdem behandelt sie akut lahme Tier selbst. Denn sie weiß: Lässt man Mortellaro zu lange unbeachtet, häufen sich schnell die Probleme.
Außerdem setzt sie in Sachen Klauengesundheit und Reduzierung des Keimdrucks im Stall auf Weidegang. Vor zwei Jahren probierten sie das erste Mal den Weidegang bei den laktierenden Kühen aus und ließen sie über Nacht auf die angrenzende Fläche, was auf dem Betrieb gut funktioniert. „Das hat die Leistung nicht verändert, aber die Kühe wirken jetzt viel agiler“, resümiert Melanie Diehl. Sie sieht die Vorteile der Weide darin, dass die Kühe längere Schritte machen und sich natürlicher bewegen. „Ich habe das Gefühl, dass das der Rückenmuskulatur der Kühe gut tut. Dadurch wirken sie viel lebendiger, wenn sie zum Winterbeginn wieder im Stall bleiben.“ Bei den Jungrindern konnte sie den Infektionsdruck massiv reduzieren, nachdem sie den Stall im vergangenen Sommer gründlich reinigte und desinfizierte.
Nicht jammern, sondern machen!
Beim Melken im 28er-Innenmelker ist ihr die Überwachung jeder einzelnen Kuh wichtig. Melanie melkt selbst, zweimal täglich. Vor dem Ansetzen kontrolliert sie die Kühe. Durch die gute Melkhygiene mit Vormelken, Reinigung und Dippen weist die Milch ihrer Herde eine hohe Qualität mit einem somatischen Zellgehalt von nur 130.000 Zellen/ml auf.
Trotz der vielen Arbeit ist Melanie Diehl immer noch motiviert. Die 33-Jährige lacht viel, wenn sie von ihren Kühen spricht. Ihre Leidenschaft für die Kühe ist nicht zu übersehen. Unterstützung bekommt sie von einem zuchtbegeisterten Freund, der die Anpaarungen übernimmt.
Mit der Außenwirtschaft hat Melanie sehr wenig zu tun, da kann sie sich voll und ganz auf ihren GbR-Partner verlassen. Als Marktfrucht werden Weizen und Raps angebaut. Bei der Futterbergung hingegen setzt sie auf die Zusammenarbeit mit zwei befreundeten Betrieben. „Das Wichtigste dabei ist, dass man nicht seine Leistungen gegeneinander aufrechnet, sondern die Manpower zusammenzählt und dass man sich gut versteht.“ Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut.
11.000 Liter mit nur einer Ration
Den letzten großen Schub bei der Milchleistung brachte eine Umstellung der Fütterung auf eine Ration für die gesamte Herde. Die Empfehlung hatte der langjährige Futterberater gegeben. „Ich war zuerst skeptisch und auch etwas stur, weil wir eine lange Zwischenkalbezeit haben“, erinnert sich Melanie, die nicht wollte, dass ihre Kühe verfetten. Anstatt die Kühe bei hohen Milchleistungen trockenzustellen, setzt sie lieber auf eine gute Persistenz.
„Wir haben die einheitliche Ration dann einfach ausprobiert.“ Gleichzeitig verabschiedete sie sich von den Leistungsgruppen und teilte die Kühe stattdessen in Mehrlaktierende und Erstlaktierende ein. Schwächere Kühe sortierten sie ebenfalls die Färsengruppe ein. Die neue Ration ist einfach und besteht aus Gras- und Maissilage, Rapsextraktionsschrot, Weizenschrot, Melasse, Futterfett und Mineralfutter. Der Erfolg stellte sich schnell ein. „Die Persistenz der Herde wurde deutlich besser, auch die Färsen gaben auf einmal mehr Milch“, erinnert sich Melanie. Übermäßig fett werden die Kühe jetzt nicht, trotzdem schaut die Milcherzeugerin bei manchen Kühen etwas genauer hin. Sie zeigt auf eine schwarzbunte Kuh mit einem weißen Fleck auf der Stirn, die am Fressgitter steht. „Bei Doris zum Beispiel musste ich nach der Kalbung genauer hinschauen, damit sie nicht zu viel Fett mobilisiert. Aber solange sie dick bleibt, ist alles gut!“ Doris schaut kurz hoch und senkt dann wieder den Kopf, um weiter zu fressen.
Auch arbeitswirtschaftlich hat die Futterumstellung auf eine Ration Vorteile gebracht. Zweimal täglich mischt Melanies Vater nun eine Ration, anstatt einmal täglich zwei verschiedene Leistungsrationen. Gerade im Sommer bei hohen Temperaturen ist es jetzt so viel besser, zwei frische Rationen zu füttern. Das Ergebnis: Die Herdenleistung hat mit der Fütterungsumstellung die Marke der 11.200 Liter überschritten.
Weitere Projekte hat Melanie Diehl schon im Kopf: Als nächstes möchte die Außenanlage fertigstellen. Ein großes Rondell mit Blumen und einigen zarten Pflanzen ist vor dem Melkhaus bereits angelegt. Außerdem sollen die Trockensteher in den alten Kuhstall umziehen. Dort sind bereits Hubfenster eingebaut und die Liegeboxen bequemer gestaltet worden. Zudem sollen die Trockensteher zweiphasig gefüttert werden und Auslauf nach draußen erhalten. Damit auch diese Kühe agil und leistungsstark bleiben. So wie sie selbst.