Kompakt:
- Das Drenchen von Kälbern hat durch die klinischen Gründe einer abgesicherten, frühen Kolostrum-Versorgung von drei bis vier Litern und der Gabe von Elektrolyttränke für saugschwache Durchfall-Kälber eine Berechtigung.
- Das Material des Drenchbestecks sollte dabei tierschonend, hygienisch (leicht zu reinigen, wenig Ecken, Anschlüsse, Engstellen) und haltbar sein – das verlangt teilweise Kompromisse.
- Das Schieben der Drenchsonde muss korrekt beherrscht werden – Milch in der Lunge ist ein Todesurteil! Am besten lässt man es sich in Ruhe von einer sachkundigen Person am Kalb zeigen.
Kälber werden ohne eigene Abwehrkräfte geboren und können in den ersten vier Lebenswochen keine körpereigenen Antikörper bilden. Daher sind sie auf die Aufnahme der lebenswichtigen Antikörper (Immunglobuline, Ig) aus dem Erstgemelk der Kuh angewiesen. Die Biestmilchgabe muss geburtsnah erfolgen, denn bereits vier Stunden nach der Geburt sinkt die Resorptionsfähigkeit für Antikörper vom Darm in den Körperkreislauf deutlich. Empfohlen wird, die Kolostrumversorgung in der ersten Lebensstunde sicherzustellen. Auch Menge und Qualität sind wichtig: Kälber, die mit hochwertigem Kolostrum (IgG-Gehalt 50 g/l) in Höhe von 8 bis 10% des Geburtsgewichts versorgt werden (entspricht ca. drei bis vier Litern), entwickeln die besten Abwehrkräfte.
Nicht alle Neugeborenen schaffen es, vier Liter Kolostrum in der ersten Lebensstunde über Nuckelflasche oder -eimer aufzunehmen. Das Drenchen der restlichen Kolostrummenge ist dann eine Option, um die Ig-Versorgung nach den Empfehlungen abzusichern. Im Tierschutzgesetz ist die erzwungene Verabreichung von Nahrung ohne klinischen Grund allerdings verboten (§3, Punkt 9). Da eine nicht ausreichende Ig-Versorgung die Entwicklung hemmt und die Mortalitätsrate von Kälbern bis zu fünffach erhöhen kann, ist das einmalige Drenchen von Kolostrum bei Neugeborenen jedoch als klinisch sinnvoll zu bewerten. Wie gut die Kolostrumversorgung in einem Betrieb ist, kann an der IgG-Konzentration im Blutserum der Kälber bestimmt werden. Werte in der ersten Lebenswoche von 10 IgG/l weisen auf eine ungenügende Versorgung hin. Das sollte höchstens auf 10% der Kälber im Bestand zutreffen.
Nur ein einziges Mal 4 Liter drenchen
Für die Praxis bedeutet das, dass wenn Neugeborene nicht innerhalb der ersten Lebensstunde zwei bis drei Liter Biestmilch über einen Nuckel aufnehmen bzw. gar nicht trinken wollen, können und sollten sie gedrencht werden. Läuft hier beim Drenchen von bis zu vier Litern etwas Biestmilch aus dem Labmagen in das Vormagensystem und den Darm über (wovon ausgegangen werden kann), ist das unbedenklich. Denn zum Zeitpunkt der Geburt ist das Vormagensystem noch steril, es kann so noch nicht zu Fehlgährungen kommen. Das ändert sich bereits nach etwa sechs Stunden. Hohe Mengen von vier Litern sollten daher ausschließlich zur Kolostrumversorgung innerhalb der ersten Lebensstunden gedrencht werden.
Ein zweiter klinischer Grund für das Drenchen ist die Elektrolytgabe bei saugschwachen Durchfall-Kälbern. Dabei werden kleinere Mengen pro Drench verabreicht: Empfohlen wird zweimal täglich max. zwei Liter pro Gabe. Für die Versorgung kranker Kälber sollte aus hygienischen Gründen ein separates Drench-Besteck verwendet werden. Am besten ist, wenn dieses anders aussieht, als das für Biestmilch und es an einem anderen Platz aufbewahrt wird.
Drench-System-Check: Sonde
Das Drenchen von Kälbern muss einfach, hygienisch und tierschonend sein. Auf dem Markt stehen dafür unterschiedliche Systeme und Materialien zur Verfügung. Grundsätzlich sollten die Gerätschaften einfach zu reinigen, haltbar und gut zu händeln sein. Bei der Auswahl eines Systems gilt es also Vor- und Nachteile abzuwägen, um ein passendes System zu finden.
Die Sonden lassen sich nach starrer oder flexibler Ausführung unterscheiden. Starre Sonden haben den Nachteil, dass die Kälber sie als festen Fremdkörper weniger gern schlucken und daher eher mit Abwehrbewegungen reagieren. Sie werden in Kunststoff- oder Edelstahlausführung, einer Länge von ca. 40 bis 50 cm und Durchmessern um die 0,8 bis 1,0 cm angeboten. Es gibt Sonden, die direkt an den Behälter oder über einen Verbindungsschlauch an diesem befestigt sind. Die Verdickung an der Spitze von starren Sonden, auch Olive genannt, reduziert das Risiko, dass die Sonde versehentlich in die dünnere Luftröhre geschoben wird. Edelstahl hat den Vorteil, dass er aufgrund seiner Materialbeschaffenheit gut zu reinigen und sehr haltbar ist. Bei der Edelstahlolive muss darauf geachtet werden, dass sich mit der Zeit der Anwendung an der Nahtstelle von Olive und Sonde kein scharfer Grat entwickelt – erhöhtes Verletzungsrisiko.
Kunststoff als Material der Sonde hat gegenüber Edelstahl den Nachteil, dass er durch den Kontakt mit den Kälberzähnen (Kälber kauen während des Sondenschiebens häufig), leicht scharfe Kratzer und Risse bekommt (auch harter Kunststoff). Diese erhöhen das Risiko von Schleimhautreizungen während des Drenchens und erschweren erheblich eine gründliche Reinigung. Sehr dünnwandige Kunststoffsonden (Einwegsysteme) können durchaus brechen/splittern, zudem können sie teilweise bereits von der Herstellung bedingte, scharfe Kanten (Schweißnähte) aufweisen.
Kälber, die durch genannte Materialschwächen oder Anwendungsfehler beim Drenchen schlechte Erfahrungen gemacht haben und verletzt wurden, haben oft Schluckbeschwerden und lassen sich schwerer am Nuckeleimer anlernen. Klare Anzeichen dafür sind eine schonende Halshaltung (Vorstrecken des Kopfes) und ein röchelndes Atmen! Beschädigte Sonden (Kanten, Grade, Bissspuren) daher sofort entsorgen!
Die starren Sonden geben die maximale Einschubtiefe über ihre Länge vor. Damit nicht beim Einführen der Sonde schon Milch ins Maul läuft, ist ein Schnellverschlussventil am Schlauch sinnvoll. Oder dass der Sondenstab über ein Gummi-Anschlussstück zum Behälter verfügt, das beim Einführen abgeknickt werden kann.
Eine durchgehend flexible Sonde aus weichem Rotgummi (Fohlensonde, SoftDrench) hat gegenüber starren Sonden den Vorteil, dass die Kälber sie besser an- und aufnehmen. Es gibt weniger Abwehrbewegungen. Die Fohlensonde hat keine verdickte Spitze (Olive) und einen insgesamt schmaleren Durchmesser. Darum ist es hier besonders wichtig, den Sitz der Sonde während des Sondenschiebens an der linken Halsseite zu prüfen. Nur drenchen, wenn man den Schlauch sicher in der Speiseröhre fühlt! Auch die Gummisonde gilt es auf Bissspuren zu kontrollieren, sie hält ca. 100 Anwendungen.
Schläuche, bei denen ein kurzer Olivenkopf in die Schlauchspitze eingesteckt ist, sind aufgrund der Dehnungseigenschaft von Kunststoff bei Wärme kritisch. Es darf kein Risiko bestehen, dass sich die Olive aus dem Schlauch löst und im Kalb „verloren geht“.
Drench-System-Check: Behälter
Behälter für die Drenchflüssigkeit unterscheiden sich nach Volumina und Material. Kunststoffbehälter, wiederverwertbare oder Einweg-Beutel gibt es mit Volumina von ein bis vier Litern. Um lästiges Umfüllen beim Verwenden von eingefrorenem Kolostrum zu umgehen, ist es praktisch, wenn sich der Gefrierbehälter mit der aufgetauten Milch direkt an das Drenchbesteck anschliessen lässt.
Große Kunststoffbehälter (Gallonen) fassen vier bis fünf Liter. Ihr Vorteil: Beim Drenchen von Biestmilch muss nicht während des Drenchens nachgefüllt bzw. der Behälter gewechselt werden. Sie liegen dafür schwerer in der Hand. Eine Fohlensonde passt bei einigen Behältern (z.B. 5 l-Super-Kälberdrencher) auch auf den Schlauchanschluss mit Luftventil(!). Flexible Sonde + großer Behälter lassen sich so kombinieren.
Praktisch hinsichtlich Aufwand und Hygiene sind kombinierbare Systeme (Nuckel + Drenchsonde passen an einen Behälter): Man tränkt zunächst über einen Nuckel so viel wie möglich des Kolostrums und drencht dann gegebenenfalls den Rest.
Bei Mehrwegbehältern sind große Öffnungen für ein schnelles, sauberes Befüllen und eine einfache Reinigung vorzuziehen. Denn Milch- und Wasserreste in einem Behälter sind bester Nährboden für Keime! Diese könnten schlimmstenfalls über das Drenchbesteck in das Kalb gelangen. Ideal ist also eine einfache Behälterform, ohne schwierig zu reinigende Stellen (z.B. durch eingegossene Haltegriffe, komplizierte Verschlüsse, spitze Ecken, Falten).
Unbedingt notwendig ist ein Luftventil, entweder am Behälter oder am Sonden-Anschlussstück, damit die Milch beim Drenchen störungsfrei und ohne Vakuumbildung im Behälter, zügig ins Kalb fließen kann. Auch auf eine möglichst leichte, einhändige Handhabung des Behälters ist zu achten (z.B. Handgriff, Tragehilfe, „Rucksack“).
Sachgemäß, tierschonend drenchen
Das Einführen der Sonde und das Drenchen müssen von der ausführenden Person sachgemäß und sicher beherrscht werden. Alles andere bedeutet Stress, Verletzungs- und Lebensgefahr für das Kalb. Und zwar wenn die Sonde „gestochert“ und nicht wie nötig, auf das selbstständige Abschlucken der Sonde vom Kalb geachtet wird: Die Schleimhaut würde dabei unnötig gereizt, mit der Folge von Schmerzen. Stress (Abwehrverhalten) soll auch die Resorptionsleistung für Immunglobuline im Darm hemmen. Zudem steigt bei falscher Anwendung die Gefahr, dass die Sonde anstatt in die Speiseröhre (Ösophagus) in die Luftröhre geschoben wird.
Doch einmal richtig gelernt, ist Drenchen einfach. Am besten nimmt man sich die Zeit, um es sich von einer sachkundigen Person in aller Ruhe (!) direkt am Kalb zeigen zu lassen. Bei Drench-Bestecken mit starrer Sonde und großem Behälter ist es anfangs leichter, zu zweit zu arbeiten.
Sonde schieben, Schritt für Schritt
- Vorbereiten: Sauberes Drench-Besteck und befüllten Behälter bereitstellen. Um den Keimdruck auf das Kalb gering zu halten, Einweghandschuhe anziehen.
- Kalb fixieren: Das Kalb unter Kontrolle zu haben ist wichtig, gerade wenn starre Sonden verwendet werden, da hier eher Abwehrbewegungen zu erwarten sind. Daher das Kalb – über ihm stehend, dessen Hals zwischen den eigenen Beinen festhaltend – fixieren. Druck erzeugt Gegendruck, also nicht zu fest klemmen! Neugeborene Kälber stehen zum Zeitpunkt des Drenchens oft noch nicht. Sie können im Liegen gedrencht werden. Dabei darauf achten, dass sie in Brustlage liegen und den Kopf aufrecht halten.
- Kopf sichern: Den Kopf mit einer Hand unter dem Unterkiefer halten. Der Kopf darf beim Schieben der Sonde nicht überstreckt werden! Dass heißt, die Nase bleibt in der Höhe unterhalb der Ohren. Das Anschlussstück/Verschlussventil zwischen Sonde und Behälter ist beim Einführen abgeknickt/verschlossen, damit nicht zu früh Flüssigkeit hinausläuft.
- Sonde einführen: Von der Seite mit dem Daumen ins Maul fassen und leicht auf die Zunge drücken (siehe Foto). Das Kalb öffnet das Maul. Die Sonde über die Mitte der Zunge in das Maul einführen und links Richtung Rachen schieben, denn die Speiseröhre verläuft eher linksseitig. Sobald das Kalb anfängt zu schlucken, die Sonde mit Gefühl weiterschieben.
- Kontrolle: Während des Vorschiebens der Sonde an der linken Halsseite fühlen, ob die Sonde in die Speiseröhre läuft. Bei der richtigen Position spürt man zwei feste, schlauchartige Strukturen: die knorpelige Luftröhre und darüber, wie die Sonde in die weiche Speiseröhre eintritt. Das Ertasten bedarf etwas Übung. Tritt ein Widerstand auf oder hustet das Kalb, die Sonde vorsichtig rausziehen, warten bis sich die Atmung normalisiert und von Neuem versuchen. Ein leichtes (!) Wehren beim Schieben von starren Sonden ist normal.
- Milch drenchen: Erst wenn die Sonde richtig liegt, den Schlauch freigeben und die Milch laufen lassen. Die Sonde mit einer Hand vor dem Verrutschen am Maul sichern. Über die Haltehöhe vom Behälter wird die Fließgeschwindigkeit gesteuert (etwa 2 Liter in 30 Sek.). Blökt das Kalb jetzt oder wehrt sich, ist das, solange sich der Sitz der Sonde nicht wesentlich verändert hat, o.k. Achtung: Kommt während des Drenchens Milch hoch ins Maul, sofort den Zufluss stoppen und die Sonde neu positionieren.
- Sonde herausziehen: Ist die Milch im Kalb, den Schlauch wieder abknicken und die Sonde vorsichtig herausziehen. Tipp: Sehr gute Lernvideos im Internet sind z. B. „Softdrench, deutsch“ (Heusmann) und „How to use an esophageal feeder“ (McGuirk), siehe auch ElitePlus.
Besteck reinigen & hygienisch halten
Drench-Besteck und Behälter müssen nach jeder Verwendung gründlich gereinigt werden. Dabei gilt:
- Zuerst mit klarem, kalten Wasser ausspülen. Denn bei hohen (Wasser-)Temperaturen gerinnt das Milcheiweiß und würde sich ohne Vorspülen am Material schwerlöslich festsetzen.
- Dann das vorgespülte Besteck mit heißem Wasser und einem fettlösenden Reinigungsmittel (z.B. Geschirrspülmittel) waschen. Flaschenbürste nutzen sowie den Behälter mit angeschlossener und dem Daumen verschlossener Sonde, kräftig schütteln. Das Besteck kann im Wechsel auch mit alkalischem und saurem Reiniger gespült werden (richtige Dosierung ausrechnen und halten!).
- Danach mit kaltem, klarem Wasser nachspülen. Das entfernt Reinigungsmittelreste und kühlt das Material ab.
- Den Behälter kopfüber aufstellen und Sonde/Schlauch frei aufhängen, sodass das Restwasser vollständig abläuft und die Geräte schnell trocknen (siehe Foto).
- Grundsätzlich reicht eine gründliche Reinigung und trockene Lagerung aus. Eine Desinfektion des gereinigten, abgetrockneten Bestecks mit Alkohol kann bei hohem Infektionsdruck (viele kranke Kälber) und vielen Kalbungen pro Tag sinnvoll sein.
Fazit: Das Drenchen von Kälbern ist berechtigt, wenn es einen klinischen Grund dafür gibt (Kolostrum- und Elektrolytversorgung saugschwacher Kälber) und es tierschonend erfolgt.