In den Niederlanden dürfen Kühe seit 2012 nur noch selektiv trockengestellt werden. Obwohl weniger Antibiotika eingesetzt werden, hat sich die Eutergesundheit nicht verschlechtert.
Lange galten antibiotische Trockensteller als unverzichtbar, um nicht nur subklinische Eutererkrankungen ausheilen zu lassen, sondern auch Neuinfektionen in der Trockenstehzeit zu verhindern. Im Euter angewendete Antibiotika, machen einen großen Anteil der bei Milchkühen eingesetzten antibiotischen Mittel...
In den Niederlanden dürfen Kühe seit 2012 nur noch selektiv trockengestellt werden. Obwohl weniger Antibiotika eingesetzt werden, hat sich die Eutergesundheit nicht verschlechtert.
Lange galten antibiotische Trockensteller als unverzichtbar, um nicht nur subklinische Eutererkrankungen ausheilen zu lassen, sondern auch Neuinfektionen in der Trockenstehzeit zu verhindern. Im Euter angewendete Antibiotika, machen einen großen Anteil der bei Milchkühen eingesetzten antibiotischen Mittel aus. Der öffentliche Druck nimmt zu, den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren. Da liegt es nahe, selektives Trockenstellen einzuführen.
Doch geht dies nicht zulasten der Eutergesundheit? Infizieren sich mehr Kühe als zuvor während der Trockenstehzeit mit einer Euterentzündung, die anschließend in der Laktation wieder „teuer“ mit Antibiotika behandelt werden muss? Ein Blick in die Niederlande hilft, diese Fragen zu beantworten.
Niederlande: Einheitliche Strategie
Niederländische Milchkuhhalter dürfen ihre Kühe seit einigen Jahren nur noch selektiv trockenstellen (siehe Seite 41). Bei der Entscheidung, welche Kuh einen antibiotischen Trockensteller erhält und bei welcher ein Zitzenversiegler ausreicht, hilft ihnen seit 2014 eine landesweite Richtlinie, die auf Basis des letzten Milchproben-Ergebnisses vor dem Trockenstellen eine Strategie empfiehlt (siehe Übersicht 1).
Wissenschaftler (Vanhoudt et al., 2018) haben die Auswirkungen dieser Regelungen untersucht. Sie betrachteten die Zellzahlentwicklung zwischen 2011 bzw. 2013 und 2015 bei mehr als dreitausend Herden und berechneten die Neuinfektionsrate sowie die Ausheilungsrate während der Trockenstehzeit (ein landesweiter Datensatz mit 3.493 Herden sowie ein Datensatz einer Tierarztpraxis mit 280 Herden). Erstlaktierende Kühe mit einem Zellgehalt von mehr als 150.000 Zellen/ml bzw. mehrkalbige Kühe über 250.000 Zellen/ml galten dabei als euterkrank. Ergebnis:
- Zwischen 2013 und 2015 gingen in der Tierarztpraxis die Verkaufszahlen für antibiotische Trockensteller um 38% und die für Laktationsantibiotika um 19% zurück. Der Verkauf von Zitzenversieglern stieg im gleichen Zeitraum um 73% an. 20 Herden wurden noch genauer untersucht. Bei ihnen erhielten 2015 nur noch 52% der Kühe während des Trockenstehens ein Antibiotikum (im Vergleich zu 64% in 2013).
- Zwischen 16% und 18% aller untersuchten Kühe entwickelten während der Trockenstehzeit eine neue Euterentzündung. Die Ausheilungsrate in der Trockenperiode betrug zwischen 74% und 76%. Diese Werte waren über die Jahre vergleichbar. Auch die Zellzahlen der Kühe im Herdenmittel änderten sich während des Trockenstehens nicht signifikant.
- Auf Einzeltierebene allerdings war die Chance, nach der Kalbung mit einer niedrigen Zellzahl zu starten, am höchsten, wenn ein antibiotischer Trockensteller eingesetzt wurde. Ähnlich gute Ergebnisse konnten jedoch erzielt werden, wenn die Zellzahlen vor dem Trockenstellen unter dem Grenzwert lagen oder ein Zitzenversiegler zum Einsatz kam.
- Zwischen 2013 und 2015 gingen in der Tierarztpraxis die Verkaufszahlen für antibiotische Trockensteller um 38% und die für Laktationsantibiotika um 19% zurück. Der Verkauf von Zitzenversieglern stieg im gleichen Zeitraum um 73% an. 20 Herden wurden noch genauer untersucht. Bei ihnen erhielten 2015 nur noch 52% der Kühe während des Trockenstehens ein Antibiotikum (im Vergleich zu 64% in 2013).
- Zwischen 16% und 18% aller untersuchten Kühe entwickelten während der Trockenstehzeit eine neue Euterentzündung. Die Ausheilungsrate in der Trockenperiode betrug zwischen 74% und 76%. Diese Werte waren über die Jahre vergleichbar. Auch die Zellzahlen der Kühe im Herdenmittel änderten sich während des Trockenstehens nicht signifikant.
- Auf Einzeltierebene allerdings war die Chance, nach der Kalbung mit einer niedrigen Zellzahl zu starten, am höchsten, wenn ein antibiotischer Trockensteller eingesetzt wurde. Ähnlich gute Ergebnisse konnten jedoch erzielt werden, wenn die Zellzahlen vor dem Trockenstellen unter dem Grenzwert lagen oder ein Zitzenversiegler zum Einsatz kam.
Bei früheren Studien (Scherpenzeel et al., 2014) kam heraus, dass ohne antibiotische Trockensteller die Gefahr, an einer klinischen Mastitis zu erkranken, um das 1,7-Fache steigt. Dass sich dieses Ergebnis nicht in den vorliegenden Daten widerspiegelt, erklären die niederländischen Wissenschaftler damit, dass sowohl Milchkuhhalter als auch Tierärzte durch die strengeren Regeln den Fokus auf andere Managementbereiche gerichtet haben, z.B. Hygiene oder die Transitphase, um die Eutergesundheit ihrer Herde zu verbessern. Details dazu konnte die Studie nicht liefern. Hilfreich sei aber gewesen, dass landesweit einheitliche Empfehlungen und Richtlinien eingeführt wurden.
Betriebsleiter und bestandsbetreuender Tierarzt müssen z.B. gemeinsam einen „Farm Health Plan“ entwickeln, der jährlich aktualisiert wird und Maßnahmen umfasst, um die Tiergesundheit zu verbessen. Im „Farm Treatment Plan“ sind Standards für alle Behandlungen hinterlegt. Antibiotische Medikamente werden nach ihrer Wirkung auf bestimmte multiresistente Erreger (ESBL) und dem Status „Reserveantibiotikum“ in Mittel erster, zweiter und dritter Wahl eingeteilt.
Auf Deutschland übertragbar?
„In Deutschland verwenden wir andere Grenzwerte, ab 100.000 Zellen/ml gilt die Eutergesundheit als gestört. Kranke Kühe werden so empfindlicher erkannt, aber wir wählen die Kühe für eine antibiotische Behandlung auch anders aus“, berichtet Professor Volker Krömker, Hochschule Hannover. Er sagt: Je mehr antibiotische Dosen gespart werden, umso mehr verschlechtern sich die Gesundheitsdaten. Allerdings ist die Verschlechterung sehr gering. „Deshalb kommen die meisten Arbeiten zu dem Ergebnis, dass die Eutergesundheit der Tiere nicht leidet, wenn die Auswahlverfahren sorgsam angewandt werden“, fasst Krömker zusammen.
Selektives Trockenstellen erfordere aber ein wenig mehr Arbeit für die richtige Tierauswahl und für ein entsprechendes Monitoring der Kühe. Dies und ein passendes Konzept für den eigenen Betrieb sollten Milchkuhhalter mit ihrem Hoftierarzt absprechen.
Selektives Trockenstellen möglich
Fazit: Die Entscheidung, ob eine Kuh einen antibiotischen Trockensteller oder nur einen Zitzenversiegler erhalten sollte, lässt sich aufgrund des letzten Zellgehalts vor dem Trockenstellen fällen, ohne dass die Eutergesundheit leidet. Das kann den Antibiotikaeinsatz in der Milchkuhhaltung senken.C. Stöcker