Kühe verändern bereits mit Beginn von Klauen- und Gliedmaßenproblemen ihr Verhalten. Eine Früherkennung durch Beobachten ist möglich. Das klingt kompliziert und zeitraubend, ist es aber nicht!
Erkrankungen und Verletzungen an Klauen und Beinen zeigen sich selten wie eine Mastitis prompt in einem Abfall der Milchleistung, sondern schleichend, erklärt die Tierärztin und Klauenexpertin Dr. Isabella Lorenzini. Die wirtschaftlichen Verluste sind aber nicht weniger hoch: Die Kosten pro...
Kühe verändern bereits mit Beginn von Klauen- und Gliedmaßenproblemen ihr Verhalten. Eine Früherkennung durch Beobachten ist möglich. Das klingt kompliziert und zeitraubend, ist es aber nicht!
Erkrankungen und Verletzungen an Klauen und Beinen zeigen sich selten wie eine Mastitis prompt in einem Abfall der Milchleistung, sondern schleichend, erklärt die Tierärztin und Klauenexpertin Dr. Isabella Lorenzini. Die wirtschaftlichen Verluste sind aber nicht weniger hoch: Die Kosten pro Lahmheitsfall beziffern bis zu 850 €!
Vor allem „leichte“ Lahmheiten fallen ins Gewicht. Weil deren verkettete Folgen aus verringerter Aktivität und veränderter Futteraufnahme wenig offensichtlich sind, werden sie und ihre Schmerzhaftigkeit fatalerweise oft unterschätzt. Denn für das Wohlbefinden der Kuh und die Chance auf schnelle Heilung und damit wenig Kosten, muss ein Problem so früh wie möglich behandelt werden.
Die nötige Früherkennung gelingt am sichersten durch intensives Beobachten. Ja, die Theorie vom „Lahmheitsscore“ klingt kompliziert und passt wenig in den Alltag im Milchkuhbetrieb. Doch es ist machbar. Indem man das Bewertungssystem vereinfacht nutzt, den täglichen Blick auf die Kühe schärft und alle 14 Tage 30 Minuten Zeit pro 100 Kühe investiert.
Vier klare Schmerz-Anzeichen
Verletzungen, Brüche, Druckstellen, Entzündungen etc. lösen Schmerzen aus. Und Kühe zeigen Schmerzen im Bewegungsapparat in mindestens einem von vier gut zu beobachtenden Verhaltensmerkmalen:
- Asymmetrischer Gang: Die Kuh fußt nicht gleichmäßig auf. Sie tritt nicht mit dem Hinterfuß in das Trittsiegel des jeweiligen Vorderfußes. Der Gang ist nicht fließend.
- Rückenkrümmung: Die Linie der Wirbelsäule ist nicht gerade, sondern nach oben gekrümmt. Im Stand und/oder in Bewegung.
- Kopfhaltung: Die Kuh hält Kopf und Hals nicht in Waage, sondern tiefer als die Widerristhöhe und/oder „nickt“ mit jedem Schritt.
- Entlastung: Die Kuh belastet im Stand und/oder in Bewegung nicht alle vier Füße gleich. An der Hinterhand steht der entlastete Fuß zur Körpermitte, an der Vorderhand nach vorne heraus. Die Fußstellung ist enger. Bei schwerer Lahmheit hebt die Kuh den Fuß im Stand an. Sind mehrere Füße betroffen (Mortellaro, Rehe), entlasten Kühe wechselseitig, sie „tippeln“.
Fällt eine Kuh durch einen asymmetrischen Gang auf, ist sie eindeutig lahm und sicher verletzt oder erkrankt. Zeigt sie mindestens eins der anderen drei Verhalten, besteht der Verdacht auf eine Verletzung oder Erkrankung.
Dem Beobachter muss bewusst sein, dass Kühe als Beutetiere Schmerz verstecken wollen. Zudem zeigen Kühe Schmerz individuell unterschiedlich stark. Ein leichtes Kopfnicken kann bei sehr „heimlichen“ Kühen die ganze Reaktion auf eine schwere Verletzung sein!
Augenmerk auf die Verdachtsfälle
Jede Kuh, die durch eine oder mehrere der Verhaltensweisen auffällt, sollte möglichst am selben Tag, mindestens aber in der selben Woche, zur Kontrolle in den Klauenpflegestand geholt werden.
Dass sich auch das Kontrollieren der „nur“ verdächtigen Kühe lohnt, zeigt folgendes Ergebnis: 64% der verdächtigen, aber nicht klar lahmenden Kühe zeigen bei der Untersuchung mit einer Klauenabdrückzange schmerzhafte Klauen. Nicht immer kann hier die Schmerzursache direkt erkannt werden.
Findet man „nichts“, schafft das Kleben eines Klotzes auf die nicht schmerzhafte Klaue meist erste Abhilfe. Eine Druckstelle kann so schon vor der Entwicklung zu einem schweren Sohlengeschwür erfasst werden.
Alle 14 Tage „Klauen-Sichtungs-Tag“
Eine Lahmheit entwickelt sich in zehn bis vierzehn Tagen. Das ergaben Herdenbewertungen, in denen alle Kühe wöchentlich gemäß der genannten Verhaltensweisen eingestuft wurden. Lahmheit heißt hier, dass sich die Kuh von „unauffällig“ auf „lahm“ entwickelt.
Um Probleme früh zu erkennen, empfiehlt es sich demnach, neben der täglichen Tierbeobachtung, alle vierzehn Tage die ganze Herde – auch Trockensteher – komplett auf das Auftreten von Lahmheit zu bewerten. Pro Kuh dauert der „Scan-Blick“ nur drei bis fünf Sekunden.
Im Betriebsalltag eignen sich hierfür folgende Situationen: Am Futtertisch zur Futtervorlage von hinten (Entlastung), seitlich von vorne (Rückenlinie), beim Laufen der Kühe in den Melkstand oder im Rücktrieb von hinten (Gang, Rückenlinie).
Es reicht, alle lahmen und verdächtigen Kühe zu notieren – stecken Sie die Zeit in die Kontrolle und Behandlung der Kühe, nicht ins Schreiben! -kb-
Diese Verhaltensänderungen und Zeichen helfen dabei zu erkennen, ob eine Kuh oder ein Rind Unwohlsein oder Schmerzen verspürt.