Antibiotika zur Behandlung von Euterentzündungen stehen in der Kritik. Wirksame Alternativen sind gefragt. Wir berichten über neue Trends in der Mastitisforschung von der Hochschule Hannover.
Der Verbraucher ist zunehmend intolerant, wenn es um die Anwendung von Antibiotika im Nutztierbereich geht. Die Resistenzsituation ist bei der Bekämpfung der Mastitiskeime zwar noch vergleichsweise gut, jedoch sprechen bestimmte Mastitisformen (chronisch, unheilbar) und Erreger (Staph. aureus)...
Antibiotika zur Behandlung von Euterentzündungen stehen in der Kritik. Wirksame Alternativen sind gefragt. Wir berichten über neue Trends in der Mastitisforschung von der Hochschule Hannover.
Der Verbraucher ist zunehmend intolerant, wenn es um die Anwendung von Antibiotika im Nutztierbereich geht. Die Resistenzsituation ist bei der Bekämpfung der Mastitiskeime zwar noch vergleichsweise gut, jedoch sprechen bestimmte Mastitisformen (chronisch, unheilbar) und Erreger (Staph. aureus) nicht zufriedenstellend auf die antibiotische Therapie an. Dazu kommen die strengeren Vorschriften, was die Anwendung von Antibiotika allgemein und im Speziellen die sogenannten Reserveantibiotika angeht. An der Hochschule Hannover (HS), Arbeitsgruppe Prof. Volker Krömker, sucht man deshalb nach Alternativen zur antibiotischen Mastitistherapie.
Lebende Bakterien ins Euter
Lokal ins Euterviertel verabreichte Milchsäurebakterien hemmen und verdrängen die krankmachenden Mastitiserreger. Mit diesem Therapieansatz lassen sich in Zukunft Antibiotikabehandlungen am Euter reduzieren und die Gefahr verringern, dass Antibiotika über die Sperrmilch in die Umwelt gelangen und dort das Auftreten von resistenten Keimen vorantreiben.
Im Labor der HS-Hannover wurden in einem ersten Schritt Milchsäurebakterien-Stämme isoliert und ihre hemmende Wirkung auf Mastitiserreger getestet. Untersucht wurde dabei auch, wie sich diese Stämme an Schleimhautzellen des Zitzenkanals anlagern und ob die Milchsäurebakterien einen Biofilm bilden. Dieser wirkt wie ein Schutzfilm gegen pathogene (krankmachende) Keime.
Die anschließenden Versuche an Kühen unter kontrollierten Bedingungen zeigten, dass der ausgewählte Milchsäurebakterien-Stamm das Eindringen und das Vermehren der krankmachenden Bakterien in der Milchdrüse nachweisbar verhindert. „Unsere Tests haben gezeigt, dass an Mastitis erkrankte Kühe durch eine derartige innovative Milchsäurebakterien-Behandlung gleichermaßen gesund werden wie durch die herkömmliche antibiotische Methode“, erklärte Prof. Krömker. Es seien zudem keine Nebenwirkungen festgestellt worden. Die ausgewählten Milchsäurebakterien leben nur kurze Zeit (ca. eine Woche) und verlieren dann ihre Funktion.
Bevor ein marktgängiges Präparat entwickelt werden könne, seien allerdings noch weitere Untersuchungen und eine größere klinische Studie erforderlich. Auch die Zulassung eines Produktes, das lebende Bakterienkulturen enthält, ist aufwendig. Mit einem neuen Produkt ist deshalb erst in einigen Jahren zu rechnen.
Viren infizieren Bakterien
Eine andere Alternative zur antibiotischen Mastitistherapie ist der Einsatz von Bakteriophagen. Sie zerstören Krankheitserreger und werden anschließend nebenwirkungsfrei ausgeschieden. Bakteriophagen sind Viren, die es aber nicht auf Menschen oder Tiere abgesehen haben, sondern auf Bakterien.
Dabei sind sie hoch spezialisiert, d.h., dass zu jedem Bakterium nur bestimmte Phagen passen. Isoliert man die richtigen Phagen, kann also gezielt ein pathogener Mastitiserreger (z.B. Staph. aureus) durch die Phagen zerstört werden. Körpereigene Bakterien, wie zum Beispiel die in der gesunden Darmflora, bleiben unbehelligt.
Mittel gegen resistente Keime
In Zeiten der Antibiotikareduktion ist die Behandlungsmöglichkeit mit Bakteriophagen wieder in das Zentrum des Interesses gerückt. Neben der Schweiz hat auch die Hochschule Hannover mit der Bakteriophagen-Forschung begonnen. Denn bisher fehlt der wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweis bei Tieren, der internationalen Kriterien standhält. Die Schweizer suchen dabei nach einem Mittel gegen multiresistente Keime. Die Hannoveraner suchen nach einem Mittel gegen Staphylococcus aureus – ein ansteckender Mastitiskeim, der in der Laktation nicht zufriedenstellend auf die antibiotische Therapie anschlägt.
Im Labor klappt es bereits, dass ausgewählte Phagen Staph. aureus-Bakterien zu einem hohen Prozentsatz zerstören. Weitere Untersuchungen beschäftigen sich damit, wie gut die Abtötungsrate in der Milch ist bzw. welche Phagenmengen in das Euter eingebracht werden müssten. Bis zur Produktentwicklung und Markteinführung werden ebenfalls noch ein paar Jahre vergehen.
Enzyme knacken Antibiotika
Wird eine euterkranke Kuh antibiotisch behandelt, entsteht Sperrmilch. Die Hannoveraner arbeiten an einer neuen Methode, wie bestimmte Enzyme zur Neutralisierung von Antibiotika in der Milch eingesetzt werden könnten.
In der klassischen antibiotischen Mastististherapie kommen v.a. β-Laktamantibiotika (Penicilline, Cephalosporine 1. Generation) zum Einsatz. Die dabei entstehende hemmstoffhaltige Milch enthält noch 25 bis 70% der eingesetzten Wirkstoffe. Diese wird in der Praxis oft an Kälber verfüttert oder landet über die Gülle auf dem Feld. Beide Praktiken wirken sich negativ auf die Umwelt aus. Über die Gülle findet eine Beeinflussung der Mikroorganismen im Boden statt. Das führt über einen längeren Zeitraum zu einer verstärkten Resistenzentwicklung. Durch das Verfüttern von Hemmstoffmilch an Kälber findet eine Beeinflussung der Bakterien im Darm statt und im Kot dieser Kälber konnten vermehrt resistente E. coli-Bakterien nachgewiesen werden.
Die Behandlung dieser Milch mit Enzymen und Wärme (Pasteurisierung) kann in Zukunft helfen, dass weniger antibiotische Rückstände und Krankheitserreger in die Umwelt gelangen. Im Labor in Hannover wird an Enzymlösungen gearbeitet, die in der Lage sind, innerhalb kurzer Zeit die Ringstruktur von Penicillinen zu zerstören. Das führt zu einer Inaktivierung bzw. zum Verlust der antibiotischen Wirksamkeit. Wird hemmstoffhaltige Milch mit Enzymen vorbehandelt, kann sie danach mithilfe der Pasteurisierung (dann sind auch evtl. enthaltene Krankheitskeime tot) gefahrlos an Kälber vertränkt werden oder über die Gülle entsorgt werden. Zum menschlichen Verzehr ist die so behandelte Milch allerdings nicht mehr geeignet.M. Weerda