Durch vorbeugendes Impfen gewöhnt sich das Immunsystem langsam an Krankheitserreger. Das Auftreten vieler Erkrankungen und deren Intensität lässt sich so senken.
Optimale Haltungs-, Fütterungs- sowie Hygienebedingungen und wenig Stress sind die Grundvoraussetzungen für...
Durch vorbeugendes Impfen gewöhnt sich das Immunsystem langsam an Krankheitserreger. Das Auftreten vieler Erkrankungen und deren Intensität lässt sich so senken.
Optimale Haltungs-, Fütterungs- sowie Hygienebedingungen und wenig Stress sind die Grundvoraussetzungen für gesunde Tiere. Darüber hinaus lässt sich die körpereigene Abwehr von Kälbern, Rindern und Kühen durch gezielte Impfungen stärken. So kann erreicht werden, dass weniger Neuinfektionen auftreten und die Infektionen weniger schwer ausfallen. Im Falle von bakteriell-infektiös bedingten Erkrankungen lässt sich daher auch der Bedarf von Antibiotika reduzieren.
Erkranken trotzt optimaler Umweltbedingungen bestandsweise gehäuft Tiere z.B. an Durchfall oder Grippe, empiehlt sich eine aktive Immunisierung der älteren Tiere oder eine passive Immunisierung von Neugeborenen über eine Muttertierimpfung. Zunächst müssen der oder die auftretende/n Erreger über Analysen, z.B. bei Durchfallerkrankungen über Kotproben, bestimmt oder über Schnelltests nachgewiesen werden. Für den oder die bestimmten Leitkeim/e kann dann ein geeigneter Impfstoff ausgewählt werden. Da sowohl Einzel- als auch Misch-infektionen auftreten können, gibt es häufig Kombinationsimpfstoffe, welche die wichtigsten bakteriellen als auch viralen Erreger abdecken.
Neugeborenen-Durchfall entschärfen
Typische Durchfall-Erreger in der Kälberaufzucht sind neben den E. coli-Bakterien, Viren (Rota- und Corona-Virus), Parasiten (Kryptosporidien) sowie Salmonellen. Eine Muttertierimpfung bietet eine gute Möglichkeit zur Vorbeugung von infektiös bedingten Kälberdurchfällen. Das Prinzip ist eine aktive Immunisierung trächtiger Kühe und Färsen, die zu einer Erhöhung der Antikörperspiegel gegen E. coli sowie den Rota- und Corona-Virus in der Biestmilch führt.
Durch eine zweimalige Vakzination (Grundimmunisierung: die erste Dosis vier bis fünf Wochen - und die zweite Dosis zwei bis drei Wochen vor der Abkalbung) tritt der sogenannte Booster-Effekt ein. Die Menge an Antikörpern im Kolostrum erhöht sich im Vergleich zur ersten Behandlung deutlich. Zu allen weiteren Trächtigkeiten einer grundimmunisierten Kuh reicht dann eine einmalige Injektion zwei bis drei Wochen vor dem errechneten Abkalbetermin aus (Wiederholungsimpfung).
Das neugeborene Kalb wird passiv durch die Antikörper in der Biestmilch des geimpften Muttertieres immunisiert (Prinzip der Immunisierung, Kasten Seite 60). Um die Wirksamkeit der Muttertierimpfung voll auszuschöpfen, sind einige Dinge zu beachten:
- Kälber müssen, möglichst innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt, mit drei bis vier Litern Kolostrum des geimpften Muttertieres versorgt werden.
- Kälber bauen erst nach ca. zwei bis drei Lebenswochen ihre eigene Immunität auf, die sie vor Erkrankungen schützt. Deswegen müssen sie mindestens in den ersten zwei Lebenswochen täglich mit dem Kolostrum der geimpften Kühe versorgt werden. Es wird empfohlen, die ersten sechs bis acht Gemelke der frisch abgekalbten geimpften Kühe/Färsen zu sammeln (Lagerung bei 4 °C, bei höheren Temperaturen verringert sich der Gehalt an Antikörpern schnell) und die Kälber täglich aus diesem Pool zu versorgen bzw. das frische Mischkolostrum zu vertränken.
- Alle Kühe und Färsen sollten in das Impfprogramm einbezogen werden. Nur so lassen sich die Infektionshäufigkeit, die Virusausscheidung und damit Erregerbelastung im gesamten Betrieb durchgreifend verringern, ohne dass der Erfolg der Behandlung durch Impflücken gefährdert wird.
- Kälber müssen, möglichst innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt, mit drei bis vier Litern Kolostrum des geimpften Muttertieres versorgt werden.
- Kälber bauen erst nach ca. zwei bis drei Lebenswochen ihre eigene Immunität auf, die sie vor Erkrankungen schützt. Deswegen müssen sie mindestens in den ersten zwei Lebenswochen täglich mit dem Kolostrum der geimpften Kühe versorgt werden. Es wird empfohlen, die ersten sechs bis acht Gemelke der frisch abgekalbten geimpften Kühe/Färsen zu sammeln (Lagerung bei 4 °C, bei höheren Temperaturen verringert sich der Gehalt an Antikörpern schnell) und die Kälber täglich aus diesem Pool zu versorgen bzw. das frische Mischkolostrum zu vertränken.
- Alle Kühe und Färsen sollten in das Impfprogramm einbezogen werden. Nur so lassen sich die Infektionshäufigkeit, die Virusausscheidung und damit Erregerbelastung im gesamten Betrieb durchgreifend verringern, ohne dass der Erfolg der Behandlung durch Impflücken gefährdert wird.
Zur Vorbeugung von Neugeborenen-Durchfällen über Muttertierimpfungen stehen aktuell sechs polyvalente (E. coli, Rota- und Corona-Virus) und ein monovalenter (E. coli) Impfstoff zur Verfügung (Übersicht 1).
Eine weitere Möglichkeit bieten Schluckimpfungen, die ebenfalls eine passive Immunisierung bewirken. Sie enthalten kolostrale Immunglobuline (vom Rind) gegen Rota-und Corona-Virus sowie E. coli und werden dem neugeborenen Kalb unmittelbar vor der ersten Biestmilchgabe, oder in abweichenden Behandlungsschemen, mit einer kleiner Plastikspritze (ohne Nadel!) in den hinteren Maulbereich gegeben.
Die Schluckimpfung bewirkt eine lokale Darmimmunisierung sowie eine Resorption der Antikörper über den Dünndarm. Eine Resorption der Immunglobuline kann nur innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Geburt erfolgen. Bei älteren Kälbern lassen sich die Impfstoffe daher oft auch subkutan verabreichen. Eine zeitige orale Verabreichung (innerhalb der ersten Lebensstunde) führt jedoch zu deutlich höheren Konzentrationen an zirkulierenden Antikörpern als bei einer subkutanen Gabe.
Oral sowie subkutan verabreichte Vakzine sind aber kein Ersatz für eine optimale Kolostrumversorgung (siehe auch Elite 4/2014) oder optimale Haltungsbedingungen/Hygiene, sie wirken unterstützend. Für Salmonellen und Clostridien sind ebenfalls Impfstoffe zur aktiven Immunisierung zugelassen. Gegen die parasitären Kryptospridien kann nicht geimpft werden.
Rindergrippe: Spätschäden an den Atemwegen aktiv verhindern
Bei der Rindergrippe (Enzootische Bronchopneumonie) spielen verschiedene Erreger eine Rolle. Oft sind Parainfluenza-3 (PI3), das Bovine Respiratorische Synzytialvirus (BRSV), Mannheimia haemolytica, Pasteurella multocida und Mycoplasma bovis an den Infektionen beteiligt. In Gruppenhaltungen kommt es häufig zu einem Austausch der Erreger zwischen den einzelnen Tieren. Das führt zu einer ansteigenden Virulenz (Ansteckungsfähigkeit) der infektiösen Keime.
Um die aus der Rindergrippe resultierenden bleibenden Spätschäden an der Lunge und damit Atemwegsprobleme insbesondere bei Kälbern und Jungrindern vorzubeugen, werden, neben der Optimierung der Haltungsbedingungen (insbesondere bezüglich der Be- und Entlüftung der Stallgebäude sowie Schutz vor Zugluft), Schutzimpfungen empfohlen. Dabei muss die Grundimmunisierung zeitlich so terminiert werden, dass sich die Immunität voll bis zum Einsetzen einer Risikophase (herbstliche Witterung, Transport, Umstallen, Einstallen) ausbilden kann. Der volle Impfschutz (Maximum an Antikörpern) tritt in der Regel tritt etwa zwei bis drei Wochen nach der erfolgten zweiten Impfung ein. Das bedeutet, dass zur Risikophase Herbst bereits im Spätsommer geimpft werden sollte.
Wie lange die Schutzwirkung der Impfung vor- hält, ist abhängig von den jeweiligen Präparaten. Bei Grippeschutzimpfungen ist ein wirksamer Schutz von bis zu fünf Monaten nachgewiesen. Um Rindergrippe erfolgreich vorzubeugen, wird zu einer Behandlung des gesamten Bestandes geraten. Denn auch Muttertiere können erkranken. Dabei zeigen sie meistens selbst keine sichtbaren Symptome, scheiden jedoch trotzdem Erreger aus und können so ihr Neugeborenes anstecken. Ob während der Trächtigkeit oder in der Laktation geimpft werden darf, hängt ebenfalls von den einzelnen Impfstoffen ab.
Zugelassene Impfstoffe stehen in der Übersicht 2.
Stallspezifische Impfstoffe helfen bei speziellen Fällen
Sogenannte stallspezifische Impfstoffe können dort greifen, wo zugelassene handelsübliche Impfstoffe nicht zur Verfügung stehen. Etwa, wenn sich die im Bestand gefundenen Krankheitserreger nicht über gebräuchliche Impfstoffe abdecken lassen. Bestandsspezifische Vakzine dürfen nur für bakterielle Erreger hergestellt werden, es handelt sich dabei immer um Suspensionen von inaktivierten Erregern und sie dürfen ausschließlich auf dem Betrieb eingesetzt werden, aus dem das Probenmaterial stammt.
Für die Herstellung müssen zunächst die krankheitsauslösenden Erreger im Betrieb gefunden und bestimmt werden. Dazu werden vom Tierarzt mehrere sterile Proben von verschiedenen Tieren aus dem betroffenen Bestand gezogen. Die Tiere müssen möglichst frisch erkrankt sein und dürfen zuvor noch nicht antibiotisch behandelt worden sein. Denn das würde zur Folge haben, dass bereits einige der infektiösen Erreger ausgeschaltet wurden.
Die Proben werden in einem geeigneten Labor untersucht und die Ergebnisse auf einen ursächlichen Erreger hin interpretiert. Kann dieser eindeutig zugeordnet werden, wird überprüft, ob er nicht doch über einen handelsüblichen Impfstoff abgedeckt werden kann. Diese sind immer vorzuziehen, da sie bezüglich Nebenwirkungen und der Reaktion der Tiere auf den Impfstoff getestet wurden. Ist dem nicht so, wird der Erreger isoliert und vermehrt.
Die Erregerkultur wird danach inaktiviert, aufgereinigt und formuliert. Durch einen Zusatz von geeigneten Adjuvantien (Hilfstoffe) kann die immunisierende Wirkung der Keime verstärkt werden. Der fertige und geprüfte Impfstoff wird abgepackt und gekühlt an den Tierarzt ausgegeben. Der gesamte Herstellungsprozess dauert etwa sechs Wochen.
Gemeinsam mit dem Tierarzt wird ein Impfschema für den Bestand aufgestellt. Je nach Situation kann sowohl eine Muttertierimpfung als auch eine direkte Impfung (oral, intranasal oder subkutan) mit den Vakzinen erfolgen. Die Wirksamkeit von stallspezifischen Impfstoffen muss konsequent beobachtet werden. Denn möglicherweise wurden nicht alle Erreger bei der Beprobung erfasst oder das Erregerspektrum hat sich mit der Zeit verändert. Dann besteht die Gefahr, dass der eigentliche Nutzen der Impfung ausbleibt.
Der Einsatz bestandsspezifischer Impfstoffe hat sich im Rinderbereich zum Beispiel bei E. coli-bedingten Kälberdurchfällen, Mannheimia haemolytica-bedingten Atemwegserkrankungen, Mortellaro, Warzen oder auch bei Mykoplasmen- oder E. coli-Euterinfektionen bewährt.
E. coli oder S. aureus als Leitkeime in der Eutergesundheit?
Dann kann sich, je nach Infektionsdruck, eine Impfung gegen diese Erreger neben einer Optimierung von Haltungs-, Fütterungs- und Melkbedingungen als sinnvoll erweisen.
Die Ziele einer Mastitis-Impfung sind eine verkürzte Krankheitsdauer, verbesserte Heilungsraten, weniger Neuinfektionen und eine verringerte Erregerausscheidung. Letzteres ist vor allem bei S.aureus-Infektionen interessant. Denn jede infizierte Kuh kann immer wieder Erreger ausscheiden und so die Gesundheit der gesamten Herde gefährden.
In Deutschland ist bisher nur ein Kombinations-Impfstoff gegen S.aureus und E. coli zugelassen. Das Präparat (Startvac) enthält inaktivierte Erreger und darf seit 2009 in der gesamten EU verwendet werden. Das zugelassene Impfschema um die Abkalbung beinhaltet drei intramuskuläre Injektion: am 45. Tag und 10. Tag vor der Abkalbung und die dritte am 52. Tag nach dem Abkalben. Der Schutz der Impfung hält etwa bis zum 130. Laktationstag an. Die Immunisierung muss also zu jeder weiteren Laktation wiederholt werden.
Außerhalb der Europäischen Union können noch weitere Mastitisvakzine genutzt werden. Etwa der E. coli-Impfstoff Enviracor J-5 oder das S.aureus-Vakzin Lysigin. Mit einer Zulassung innerhalb der EU ist vorerst nicht zu rechnen.
Künftig auch gegen Metritis impfen?
Wissenschaftler der Cornell Universität (USA) haben die weltweit ersten Impfstoffe gegen erregerbedingte Gebärmutterentzündung bei Milchkühen entwickelt. In einem Versuch wurden fünf Präparate mit inaktivierten Erregern von E. coli, Fusobacterium necrophorum, Trueperella pyogenes getestet.
Die Behandlung der Versuchskühe erfolgte am 230. und 260. Tag der Trächtigkeit. In der Kontrollgruppe erkrankten 12 % der Kühe innerhalbe der ersten sechs Laktationstage an einer Metritis, in der geimpften Gruppe hingegen nur 4 %. Die Impftiere zeigten insgesamt weniger Fieber und eine bessere Fruchtbarkeit. Bei den geimpften Kühen waren die Häufigkeit und die Schwere von Metritis-Infektionen insgesamt signifikant verringert.
Die Zulassung eines solchen Impfstoffes könnte eine weitere Möglichkeit bereiten, um infektionsbedingtes Leiden der Tiere sowie damit einhergehende Antibiotikagaben zu verringern.Katrin Berkemeier