Kälber erst dann auf Festfutter umstellen, wenn sie genug davon fressen. Die Tierärztin Annette Prohl klärt auf.
Das Absetzen ist ein kritischer Punkt in der Kälberaufzucht. Die Kondition der Kälber nach dem Absetzen wird maßgeblich von der Gestaltung der Tränkephase bestimmt. Bis zum Absetzen sollten alle Kälber ihr Geburtsgewicht verdoppelt haben. Ihr Pansen muss ausreichend entwickelt sein, um den...
Kälber erst dann auf Festfutter umstellen, wenn sie genug davon fressen. Die Tierärztin Annette Prohl klärt auf.
Das Absetzen ist ein kritischer Punkt in der Kälberaufzucht. Die Kondition der Kälber nach dem Absetzen wird maßgeblich von der Gestaltung der Tränkephase bestimmt. Bis zum Absetzen sollten alle Kälber ihr Geburtsgewicht verdoppelt haben. Ihr Pansen muss ausreichend entwickelt sein, um den täglichen Energiebedarf ausschließlich aus fester Nahrung zu decken. Nur unter diesen Voraussetzungen kann der sogenannte Absetzknick vermieden werden, der durch ein Energiedefizit entsteht. Dieses Energiedefizit macht Kälber anfällig für Lungenerkrankungen, die erhebliche Leistungseinbußen durch bleibende Schäden zur Folge haben können.
Kein Getreide im Starter
Um eine ausreichende Entwicklung des Pansens der Kälber während der Tränkephase zu erreichen, muss von der ersten Woche an ein geeigneter Kälberstarter gefüttert werden. Dieser sollte einen hohen Stärkeanteil aufweisen, da die Stärke im Pansen zu Propionsäure umgewandelt wird. Letztere fördert das Wachstum von Pansenzotten. Dieses führt zu einer Oberflächenvergrößerung des Pansens und somit mehr Resorptionsfläche für Nährstoffe und fördert damit das Wachstum. Als Stärketräger sollte nur grob gebrochener Körnermais im Starter sein. Maisstärke ist im Gegensatz zu Getreidestärke langsam verdaulich und birgt ein viel geringeres Azidoserisiko.
Kälber fressen im Gegensatz zu Kühen wenige große Mahlzeiten am Tag, sogenannte schnelle Stärke bedeutet hier also ein besonders hohes Azidoserisiko für Jungtiere. Aus diesem Grund hat Getreide im Kälberstarter nichts zu suchen! Auch die Proteinquelle ist wichtig: Soja ist hier weitaus besser geeignet als Raps. Es enthält mehr Protein, ist schmackhafter und die Wertigkeit des Proteins ist höher. Der Starter sollte ad libitum gefüttert werden und bei Gruppenhaltung auf der gesamten Breite des Troges angeboten werden. Wenn alle Kälber gleichzeitig fressen können, zeigen sie synchrones Fressverhalten. Bei zu wenig Fressplätzen kommt es dazu, dass rangniedere Tiere weniger Starter aufnehmen, obwohl ad libitum gefüttert wird. In der Folge wachsen die Tiere auseinander. Um die Starteraufnahme in der Tränkephase zu fördern, ist es wichtig, die Milchmenge ab der vierten Lebenswoche auf 12% des Geburtsgewichtes/Tag zu limitieren. Außerdem muss den Kälbern Wasser angeboten werden. Das Wasser sollte aus Schalen getränkt werden, da es dann beim Saufen im Pansen landet. Wird der Nuckeleimer mit Wasser gefüllt, gelangt das Wasser mittels Schlundrinnenreflex in den Labmagen, wo es für die Pansenentwicklung wirkungslos ist.
Das Kriterium für den Zeitpunkt des Absetzens sollte einzig und allein die Starteraufnahme darstellen. Wenn ein Kalb drei Tage hintereinander ein Kilogramm Starter pro Tag gefressen hat, kann man davon ausgehen, dass sein Pansen weit genug entwickelt ist, um es abzusetzen. Die Erfassung der Starteraufnahme ist notwendig, um den richtigen Absetzzeitpunkt zu erkennen. Bei der Haltung in Einzeliglus lässt sie sich tierindividuell sehr einfach bestimmen: Täglich wird ein Kilogramm Starter vorgelegt. Frisst das Kalb die Schale drei Tage hintereinander leer, kann es abgesetzt werden. Bei Gruppenhaltung muss die durchschnittliche Starteraufnahme ermittelt werden. Hier kann ein Whiteboard im Kälberstall angebracht werden, auf dem dokumentiert wird, wie viele Eimer pro Gruppe und Tag gefüttert wurden. Fressen die Tiere genug, sollte die Milchmenge über zwei Wochen reduziert werden. In dieser Zeit wird immer noch Starter zur freien Verfügung angeboten. Die Starteraufnahme kann sich in dieser Zeit deutlich erhöhen, zwei kg/Tier/Tag sind keine Seltenheit!
Von abruptem Absetzen ist dringend abzuraten, dies bedeutet sehr viel Stress für die Tiere. Stress hat einen erheblichen Einfluss auf das Immunsystem. In wissenschaftlichen Studien konnte eine zweiwöchige messbare Reduktion der Immunantwort nach Stressreizen nachgewiesen werden. Deswegen sollten das Absetzen, Gruppenwechsel und Enthornen auch niemals kombiniert werden.
Direkt nach Absetzen: Keine Silagen
Auch nach dem Absetzen ist die Fütterung von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung der Kälber. Zu diesem Zeitpunkt sollte noch keine Silage gefüttert werden! Unmittelbar nach dem Absetzen kann sie von den Kälbern noch nicht gut verwertet werden und würde zu reduzierten Tageszunahmen führen. Das einfachste System ist eine gut gemischte Trocken-TMR aus Stroh, Körnermais, HP-Soja, Mineralfutter und Melasse. Diese kann bis zu einem Alter von sechs Monaten gefüttert werden, dann kann innerhalb von einer Woche auf die Kuh-Ration umgestellt werden. Wer keine Trocken-TMR füttern möchte, sollte die Kälber langsam auf die Fütterung von Silage vorbereiten. Über zwei Wochen werden Heu, Luzerne oder Kälberstroh getrennt vom Kälberstarter angeboten. Dann erst wird zusätzlich Kuh-Ration angeboten, ab jetzt kann die Startermenge auf 2 kg/Tier/Tag limitiert werden.
Nach weiteren zwei Wochen wird ausschließlich Kuh-TMR gefüttert, in der ersten Woche wird noch täglich 1 kg Starter/Tier darüber gestreut. Insbesondere in Altgebäuden, die sich schlecht reinigen und desinfizieren lassen, kann es bei Kälbern um das Absetzen zu Kokzidien-Durchfällen kommen. Diese sollte man unbedingt bekämpfen, da sie die Tiere anfälliger für Azidosen machen. Wenn Tiere mit dünnem Kot auffallen, sollten umgehend Kotproben auf das Vorhandensein von Kokzidien untersucht werden. Im positiven Fall muss zusammen mit dem Hoftierarzt die Durchfallbehandlung eingeleitet werden. -mw-