Auch in 2019 zieht die Trockenheit knappe Grundfuttervorräte nach sich. Um richtig reagieren zu können, ist eine genaue Futterplanung notwendig. Tipps, wie man dabei vorgehen kann.
Sich sorgen zu müssen, ob die eigenen Grundfuttervorräte reichen, belastet die Psyche. Für einige Milcherzeuger ist diese Futtersorge in den vergangenen Monaten alltäglich geworden und Aussicht auf Entspannung gibt es wenig. Bei allen Gefühlen – tatsächlich hilft nur eins: So genau wie möglich...
Auch in 2019 zieht die Trockenheit knappe Grundfuttervorräte nach sich. Um richtig reagieren zu können, ist eine genaue Futterplanung notwendig. Tipps, wie man dabei vorgehen kann.
Sich sorgen zu müssen, ob die eigenen Grundfuttervorräte reichen, belastet die Psyche. Für einige Milcherzeuger ist diese Futtersorge in den vergangenen Monaten alltäglich geworden und Aussicht auf Entspannung gibt es wenig. Bei allen Gefühlen – tatsächlich hilft nur eins: So genau wie möglich auszurechnen, wie lange die bis dato vorhandenen Vorräte reichen. Nur wer das weiß, kann sich im zweiten Schritt zielgerichtet darum kümmern, wie sich der Futterengpass wirtschaftlich tragbar lösen lässt.
Zunächst ist eine solche Futterplanung mittelfristig sinnvoll. Dabei geht es darum, das Ausfüttern des bestehenden Tierbestands mindestens über das nächste Dreivierteljahr zu sichern. Die Versorgung sollte jedoch auch langfristig überdacht werden. Denn das Risiko von unterdurchschnittlichen Jahreserträgen durch Dürre oder ungewöhnliche Nässe wird nicht kleiner. Tipps dazu, wie man den eigenen Grundfuttervorrat schätzen und planen kann, gibt Rainer Hahn, Unternehmensberater Rind (LWK NRW).
Den Bedarf ermitteln
Am Anfang jeder Futterplanung steht die Ermittlung der Bedarfsmenge. Was verbraucht der bestehende mittlere Rinderbestand im Betrieb an Grundfutter? Als Richtwerte gelten 25 m3 Silage/Kuh und Jahr oder 35 m3 Silage pro Kuh inklusive weiblicher Nachzucht. Das bedeutet beispielsweise, dass für einen Kuhbestand von 100 Kühen inkl. Nachzucht ein Vorrat von 3.500 m3 Silage vorhanden sein muss. Als Sicherheitszuschlag werden 10% auf die 365-Tage-Menge empfohlen, also plus 350 m3.
Genauer als die Volumen-Abschätzung wird es, wenn die echten Trockensubstanz(TS)-Aufnahmen aus dem Grundfutter von Kühen (laktierend und trocken) und Rindern sowie die TS-Gehalte der Silagen bekannt sind. Ein Beispiel: Bei einer Grundfutteraufnahme von 16 kg TS pro Kuh und Tag beträgt der Jahresbedarf inkl. Sicherheitszuschlag von 10% (365 + 37 Tage = 402 Futtertage) rund 6.440 kg TS Grundfutter pro Kuh. Sind die TS-Aufnahmen der eigenen Kühe nicht bekannt, gelten als Richtwert 14 bis 15 kg TS pro laktierende Kuh und Tag. Für trockene Kühe können als Richtwert 12 kg TS-Aufnahme an Grundfutter kalkuliert werden. Gerade die Grundfutteraufnahme kann je nach Betrieb allerdings stark variieren.
Ein Sicherheitszuschlag sollte das notwendige Durchsilieren der jüngsten Silagen einschließen. Also die vier bis sechs Wochen, in denen die Silage vor Anbruch verschlossen bleiben soll, um Verluste durch Nacherwärmung oder Verderb zu vermeiden. Die Jahre 2018 und 2019 zeigen jedoch, dass ein Sicherheitszuschlag für einige Betriebe reine Theorie ist, da sie keine Reserven bilden konnten und auch in „normalen“ Futterbaujahren knapp kalkulieren müssen.
Die Vorräte abschätzen
Im zweiten Schritt einer Futterplanung wird der auf dem Betrieb vorhandene Gesamtvorrat an Grundfuttermitteln (Gras-, Mais-, Ganzpflanzensilage; Stroh, Heu, Heulage) erfasst. Dabei gilt: Je mehr Informationen ein Betrieb in Form von tatsächlich erhobenen Daten über sein Grundfutter hat, umso genauer lässt sich die Abschätzung vornehmen.
Die gesamte Futterplanung ist einfacher, wenn gemessen wird, was in die Silos eingefahren wird. Ideal ist dafür eine vorhandene Fuhrwerkswaage. Eine solche steht allerdings nur wenigen Betrieben zur Verfügung. Eine Chance kann dann die Ertragserfassung über entsprechend ausgerüstete Feldhäcksler bieten. Diese ist ebenfalls eine Schätzung (Volumenstrommessung mit Kalibrierung über tatsächlich gewogene Mengen). Sie wird umso genauer, je mehr echte Daten von Abfahr- bzw. Überladewagen mit Wiegeeinrichtung oder einzelne Wägungen zur Kalibrierung in das System eingespeist werden. Eine gleichzeitige TS-Messung über den Feldhäcksler kann noch einen Schritt weiterhelfen. Misst dabei ein NIRS-System, kann mit einer Genauigkeit von 2 bis 3% Abweichung vom tatsächlichen TS-Wert bei Mais und bis zu 5% Abweichung bei Gras gerechnet werden.
Wer nicht über derartige Ertragsdaten verfügt, muss mit dem Futter im Silo arbeiten. Drei Methoden für eine Abschätzung des Vorrats von Gras- und Maissilage in Fahr- oder Flachsilos finden Sie in der Tabelle 1. Die Kenntnis der tatsächlichen TS-Gehalte der Silagen (selbst ermittelt oder aus Futteranalysen vorhanden) sowie ihrer tatsächlichen Lagerungsdichten (Siloblock mit definiertem Volumen wiegen, z.B. in Futtermischwagen; ansonsten sind 220 kg TS/m3 Grassilage und 250 kg TS/m3 Maissilage Orientierungswerte) ist dafür sehr hilfreich.
Mindestens 1 x im Jahr Futterplanung
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um die Grundfuttervorräte abzuschätzen und zu planen? Laufend, unter Beobachtung und Messung des Verbrauchs (Vorschub) und immer nach der Ernte bzw. zu den absehbaren Masseerträgen von Gras und Silomais. Und mindestens einmal jährlich sollten Milcherzeuger eine umfassende Jahresplanung mit Ermittlung von Bedarf (bei ggf. verändertem Tierbestand), Vorrat und Verbrauch durchführen.
Als geeigneter Zeitpunkt für eine große Jahresplanung gilt im Futterbaubetrieb Ende Juni, wenn der erste und zweite Schnitt vom Grünland geerntet sind. Beide Schnitte zusammen stellen im Ideal zwei Drittel des Jahresertrags dar und ermöglichen damit eine recht gute Einschätzung der bestehenden Versorgungssituation. Der Verlauf der Saison 2019 zeigt jedoch, dass man sich an diesem Zeitpunkt nicht festnageln darf. Dass der dritte Schnitt nahezu ausgefallen ist, gab vielen Futterbaubetrieben wieder Anlass, sich Alternativen zu überlegen.
Genug Vorlauf zum Vegetationsende
Zum empfohlenen Zeitpunkt Ende Juni ist jedenfalls noch eine Palette an Optionen verfügbar, über die sich ein Engpass ausgleichen lässt. Etwa durch die Ansaat von Klee-/Ackergras nach Wintergetreide, den Zukauf von Stroh, Gras oder Mais zur Ernte ab Feld oder Alternativen wie Pressschnitzel. Betriebe mit Getreide in der Fruchtfolge haben einen Vorteil in der Reaktionsfähigkeit (ggf. Ernte als GPS oder Ansaat von Ackerfutter). Wird Ackergras nach dem ersten Schnitt für den Anbau von Silomais umgebrochen, ist allerdings zu bedenken, dass bei zu wenig Regen leicht ein Ertragsverlust von 20% beim Mais eintreten kann.
Werden Futterengpässe erst im Herbst und Winter erkannt, kann nur noch mit dem Zukauf von Silagen bzw. Heu und Stroh reagiert werden. Zu bedenken ist, dass man die Qualität hier nicht selbst in der Hand hat und ein Umsilieren, etwa von Maissilage, wieder einen Silierungsprozess auslöst. Um Nacherwärmung zu vermeiden, sollte umsilierte Silage daher ebenfalls idealerweise einige Wochen verschlossen bleiben, bevor begonnen wird sie zu füttern.
Für Betriebe mit Weidegang ist die Jahresfutterplanung eine besondere Herausforderung. Dabei zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre, dass Betriebe mit Halbtagsweide eigentlich nahezu über das ganze Jahr mit einer vollständigen Ration rechnen müssen. Betriebe mit Vollweide halten wegen dem Wetterrisiko nicht selten einen vollständigen Schnitt Silage als Notreserve vor.
Verluste vermeiden schafft Reserven
In 2018 und 2019 erlebten viele Landwirte, wie beruhigend es sein kann, zu viel Grundfutter auf dem Hof liegen zu haben. Rinderhalter ohne Reserven mussten teils im Juni 2019 ihren erst im Vormonat geernteten 1. Schnitt anbrechen und konnten sich keinen neuen Vorrat aufbauen. Gewöhnlich öffnen viele Betriebe ihren ersten Schnitt erst im August.
Aber sollte sich per se jeder Milchkuhbetrieb einen großzügigen Sicherheitszuschlag, eine „Notreserve” anlegen? Das ist eine absolut betriebsindividuelle Entscheidung, bei der zu viele Faktoren hereinspielen, um eine Empfehlung aussprechen zu können. Etwa die eigene Flächenausstattung, die Möglichkeit zum (spontanen) Zukauf von Gras oder Mais zur Ernte ab Feld oder von Silage und natürlich die verfügbare AwSV-konforme Silofläche im Betrieb. Und bei allem entscheidet, neben der Verfügbarkeit, die Preiswürdigkeit, ob es sich dauerhaft lohnt, auf den genannten Wegen Grundfutter zu besorgen. Dazu kommt, dass eine Notreserve Platz braucht. Hierfür neue Silofläche anzulegen ist mit ca. 60 bis 80 €/m³ eine teure Sicherheit. Neben dem Preis ist beim Zukauf die Qualität bedeutsam. Oft handelt es sich um Futter, das in normalen Jahren „über“ ist, also mitunter auch um nährstoffarme Erträge von extensiven Flächen.
Manchmal kann es betriebswirtschaftlich die bessere Entscheidung sein, den Tierbestand langfristig an die gegebene Flächenausstattung anzupassen, statt jedes Jahr auf hohe Zukaufsmengen an Grundfutter zu setzen. Dieser Fragestellung sollte sich jeder „knappe” Betrieb einmal kritisch widmen. Kurzfristig ist es wichtig zu berücksichtigen, dass jede „überflüssige“ Kuh gerade bei knappem Futter teuer im Unterhalt ist. Dass das Reduzieren einer Herde und damit der Belegdichte nicht selten mit einer Erhöhung der Milchleistung einhergeht, ist hier ein erfreulicher Nebeneffekt!
Die wohl für alle Betriebe wirkungsreichste Maßnahme für die Grundfutterverfügbarkeit ist es, Verluste zu vermeiden! Denn obwohl die Empfehlungen zu Verdichtung und Vorschub ein „alter Hut“ sind, sind Nacherwärmung und damit einhergehende Silageverluste jeden Sommer wieder Thema. -kb-