Grünlandexperten sind sich einig: Futterbaubetriebe könnten oft mehr Protein aus dem Grünland ernten, als sie es tun. Sie nennen ertragssteigernde Maßnahmen für alle Standorte.
Die Grundfutterproduktion ist teuer. Noch höher fallen die Produktionskosten Milch aber aus, wenn Grundfutter produziert wird, das geringe Nährstoffgehalte und -qualitäten aufweist. Denn die fehlenden Nährstoffe, die potenziell hätten verfügbar sein können, müssen für die bedarfs- und...
Grünlandexperten sind sich einig: Futterbaubetriebe könnten oft mehr Protein aus dem Grünland ernten, als sie es tun. Sie nennen ertragssteigernde Maßnahmen für alle Standorte.
Die Grundfutterproduktion ist teuer. Noch höher fallen die Produktionskosten Milch aber aus, wenn Grundfutter produziert wird, das geringe Nährstoffgehalte und -qualitäten aufweist. Denn die fehlenden Nährstoffe, die potenziell hätten verfügbar sein können, müssen für die bedarfs- und leistungsgerechte Fütterung der Kühe zusätzlich zugekauft werden. Im Fall von Protein ist das sehr teuer und wenig nachhaltig. Wirtschaftlich sinnvoll ist es daher, den Proteinertrag aus dem Grünland zu verbessern. Wir haben mit Grünland-Beratern und -Wissenschaftlern gesprochen, was möglich ist und vor allem wie!
10 bis 20 dt Rohprotein/ha und Jahr
Was ist möglich? 14 bis 18% Rohprotein (XP) pro kg Trockenmasse (TM) ist der Zielbereich in Grassilagen. Mögliche Rohprotein-Nettoerträge schwanken standortbedingt. Allein aufgrund der Niederschlagsverteilung. Im Wirtschaftsgrünland in Bayern reicht die Spannweite der Nettoerträge von 12 dt Rohprotein/ha (3 Schnitte, Trockenlage) bis über 20 dt Rohprotein/ha (5 bis 6 Schnitte, intensive Voralpenlage), berichtet Stephan Hartmann. Verbreitet sind Erträge von 15 dt Rohprotein/ha. Für Sachsen nennt Gerhard Riehl Spannweiten in gut geführten Beständen (14 bis 20% XP/kg TM in den einzelnen Aufwüchsen) von 10 dt Rohprotein/ha (Erzgebirge) und bis 14 dt/ha (Vogtland). In Mecklenburg-Vorpommern sind laut Heidi Jänicke Erträge zwischen 10 bis 20 dt Rohprotein/ha realistisch.
Min. 60% Gräser & 10% Leguminosen
Für dauerhaft stabil hohe (Protein-)Erträge braucht es immer standortangepasste Pflanzenbestände. Nur diese sind ausdauernd und leistungsfähig. Die Experten raten daher geschlossen, die regionalen Mischungs- und Sortenempfehlungen anzuwenden.
Ziel ist es, Dauergrünland so zu führen, dass sich der Bestand zu 60 bis 70% aus wertvollen Futtergräsern, mindestens zu 10% aus Leguminosen und aus weniger als 30% Kräutern zusammensetzt. „Je mehr Untergräser wie Deutsches Weidelgras und Leguminosen, umso besser“, sagt Dr. Gerhard Riehl.
Der Anteil Gräser ist wichtig für die Ertragsfähigkeit (Masse, Energie), dichte Grasnarben und die Silierbarkeit des Futters, da die Pufferwirkung von Protein und höheren Mineralstoffgehalten der Leguminosen und Kräuter auszugleichen sind. Hier sind allerdings keine „Hochzuckergräser“ gemeint! Gräser, vor allem Deutsches Weidelgras, verfügen per se über genügend Zucker für die Silierbarkeit von Grünlandaufwüchsen.
In puncto standortangepasste Gräser wächst der Einfluss der Wasserverfügbarkeit. Landessortenversuche zeigen, dass Knaulgras-dominierte Mischungen durchschnittlich höhere Energiekonzentrationen erzielen als Rohrschwingel-dominierte.
Da auch die Konkurrenzkraft des Knaulgrases deutlich höher ist, ist es zudem – anders als Rohrschwingel – eher nachsaattauglich. Weil beide Gräser nur wenig nutzungselastisch sind, sollten sie ausschließlich eine Option auf trockenen Standorten sein, auf denen Deutsches Weidelgras als Bestandsbildner keine Chance hat!
Leguminosen bringen Eiweiß. So verdoppelte sich beispielhaft der Rohproteinertrag in einem langjährigen Anbauversuch im sächsischen Vogtland von 10 auf 23 dt/ha (4-Schnitt-Nutzung, bedarfsgerechte mineralische Düngung) dadurch, dass der Leguminosenanteil im Bestand von 2% auf 10 bis 12% erhöht werden konnte. Etablieren lässt sich Weißklee im Grünland mittels Durchsaat (Schlitzverfahren, Bandfrässaat) im Zeitraum Juli/August. „Rotklee und Luzerne können bei höheren Anteilen den Dauergrünlandstatus gefährden“, erklärt Martin Hoppe. Denn es sind Ackerfutterpflanzen und somit keine Kennarten des klassischen Dauergrünlandes.
Aufgrund der Änderung der Düngeverordnung (DüVO) wird die Bedeutung der Leguminosen im Grünland steigen, ist sich Stephan Hartmann sicher. Gleichzeitig rechnet er mit einer „natürlichen“ Zunahme von Klee, wenn es im Zuge einer Erweiterung der DüVO in 2019 zu weiteren Einschränkungen in der Ausbringung von Wirtschaftsdünger im Grünland kommen sollte.
Früh und häufig nutzen
Am stärksten wird die Futterqualität von Grünland in Verdaulichkeit, Protein- und Energiegehalt durch die Nutzungsintensität beeinflusst. „Eine frühe und häufige Nutzung erhöht die Blattanteile im Aufwuchs und damit die Proteinkonzentrationen“, erklärt Martin Hoppe. „Neben Pflanzenart und empfohlenen Sorten im Bestand ist demnach besonders der Nutzungszeitpunkt entscheidend. Natürlich gibt es Unterschiede, ohnehin blattreiche Pflanzen und Leguminosen sind nutzungselastischer als die Gräser.“ Kräuter weisen die höchsten Futterwerte ebenfalls in der frühen Nutzung auf.
Die höchsten Proteinerträge lassen sich aus diesem Grund auf Kurzrasen-Vollweide sowie einer Schnittnutzung und folgender Weide (bis 25% XP im Durchschnitt aller Nutzungstermine) erreichen. Das zeigen Ergebnisse aus NRW. Die Vergleichsfläche mit einer Vier-Schnitt-Nutzung brachte „nur“ 17 bis 20% XP. „Intensive Beweidung ist das Beste, was Grünland passieren kann,“ sagt Martin Hoppe. „Die häufige Nutzung fördert die Bestockung besser als jede mechanische Maßnahme, sodass sehr dichte Grasnarben entstehen.“
Begrenzend auf die Nutzungsintensität wirken unvermeidlich die Wachstumsbedingungen am Standort. Bei reiner Schnittnutzung ist in vielen Regionen ein vierter Schnitt das Maximum.
Aber noch zwei weitere Größen spielen eine Rolle: Der Kompromiss zwischen Nährstoffgehalten und Masseertrag im optimalen Schnittzeitpunkt und die entsprechend nötige Schlagkraft. „Ich sehe hier ab etwa 150 Hektar eine Grenze des Machbaren. Erschwert wird das Ziel, alle Grünlandflächen zum optimalen Termin und unter idealer Witterung zu ernten noch, wenn die einzelnen Flächen nur eine geringe Höhendifferenz aufweisen“, sagt Gerhard Riehl.
Dabei sind mischungsbetonte Grünlandbestände noch deutlich nutzungselastischer als Aufwüchse im Feldfutterbau. Betriebe in dieser Größenstruktur, die an diesem Punkt an ihre Grenzen stoßen und nicht z.B. aufgrund der Bestandszusammensetzung, sollten zunächst versuchen, die Schlagkraft in der Ernte zu erhöhen und dabei mit mehreren Silos arbeiten. Kleinere Betriebe haben durchaus Vorteile bei der Futterkonservierung.
Geerntetes Protein bewahren!
Die Futterkonservierung ist ein wichtiges Stichwort: Ihre Art bestimmt mit darüber, mit welchem ernährungsphysiologischen Wert die Kuh am Ende das Protein aus dem Grünland vorgelegt bekommt.
Ziel ist es, den Reineiweißabbau so gut es geht zu begrenzen (siehe S. 27). In Grassilagen liegt oft 50% des Rohproteins als Aminosäuren, Peptide und Harnstoff vor (= schnell verfügbar im Pansen). Der gewünschte hohe Anteil an pansenstabilem Protein verringert sich entsprechend. Die höchsten Proteinqualitäten werden „vom Halm gefressen” und bleiben in Belüftungsheu erhalten. Letzteres Verfahren beginnt, teilweise bestärkt durch die Verschärfungen in puncto Silagesickersaft (AwSV), vermehrt Betriebe zu interessieren, auch im Norden.
Düngen ist so wie Kühefüttern
Auch die Stickstoff-Düngung beeinflusst den Rohproteinertrag, jedoch deutlich geringer als die Nutzungsintensität und die Bestandszusammensetzung! Höhere N-Gaben bringen dabei nur bei einer entsprechend hohen Nutzungsintensität der Bestände und bei einer angemessenen Versorgung mit Mineral- und Spurenelementen (Schwefel, Kalium, Magnesium) höhere Proteingehalte im Aufwuchs.
Wegen der mittlerweile hohen und vermutlich noch wachsenden Komplexität, sollte für die erforderliche Düngebedarfsermittlung entsprechend der DüVO mit den offiziellen Beratungsstellen zusammengearbeitet werden.
Im Sinne der guten fachlichen Praxis und der wachsenden Notwendigkeit, Dünger so gezielt und bestmöglich verfügbar einzusetzen wie nur möglich, ist Grünlanddüngen vergleichbar mit Kühefüttern. Gülle entspricht im übertragenden Sinn hier dem betriebseigenen „Grundfutter”, das man so gut wie möglich ausnutzen sollte, und die Mineraldünger sind die „Ausgleichs- und Mineralfutter”, die gezielt abzustimmen sind.
Und wie in der Fütterung hilft es, zu kontrollieren, wie effizient die Düngung erfolgt: Stimmt das, was man an Nährstoffen zugeführt hat, tatsächlich mit dem überein, was man geerntet hat? Und was sind die Ursachen dafür, wenn Unstimmigkeiten auftreten?
Je besser die Datengrundlage im Betrieb, umso genauer lässt sich planen und kontrollieren. Neben den regelmäßigen Bodenproben gehört daher heute eine Nährstoffanalyse der Gülle zum Start der Düngesaison (Mischprobe) unbedingt zur guten fachlichen Praxis – wie die Grundfutteranalysen in der Fütterung! „Ohne Analysen bleibt die Düngung im Grünland eine Blackbox”, bringt es Dr. Martin Komainda auf den Punkt. Zur Datengrundlage gehört es auch, die Erträge zu erfassen bzw. zu schätzen und die Grassilagen immer auf ihre Nährstoffgehalte untersuchen zu lassen.-kb-