An Mähstandorten, wo Weidelgras aufgrund von sehr wechselfeuchten Bedingungen oder Auswinterungsgefährdung an seine Grenzen stößt, wird die Nutzung von Rohrschwingel interessant.
Rohrschwingel ist in den letzten Jahren verstärkt ins Blickfeld gerückt: Einerseits boten Gräserzüchtung und Saatguthandel neue Mischungen an, in denen der...
An Mähstandorten, wo Weidelgras aufgrund von sehr wechselfeuchten Bedingungen oder Auswinterungsgefährdung an seine Grenzen stößt, wird die Nutzung von Rohrschwingel interessant.
Rohrschwingel ist in den letzten Jahren verstärkt ins Blickfeld gerückt: Einerseits boten Gräserzüchtung und Saatguthandel neue Mischungen an, in denen der Rohrschwingel hohe Anteile hat oder gar dominiert. Andererseits teilten verschiedene Versuchsansteller von unterschiedlichen Standorten Ergebnisse mit, die wegen überragend hoher Trockenmasse (TM)-Erträge des Rohrschwingels aufhorchen ließen. Die in Übersicht 1 aufgeführten TM-Erträge wurden auf nordostdeutschem Niedermoorgrünland unter praxisüblicher Bewirtschaftung erreicht (Anlage der Versuche mit Parzellendrilltechnik, Ernte mit Versuchstechnik). Am gleichen Standort wurden im fünfjährigen Mittel Erträge von 170,9 dt TM/ha für eine von Rohrschwingel dominierte Mischung gemessen. Ähnlich hohe Erträge wurden für einzelne Varianten in anderen Jahren ermittelt.
Neben seiner hohen Ertragsleistung ist der Rohrschwingel aber gerade dort von Interesse, wo bisherige Angebote die Erwartungen nicht erfüllten. In den Saatmischungen dominieren ganz allgemein die Deutschen Weidelgräser, die zu Recht in der Futterqualität hoch geschätzt werden und vielfach auch mit ihren Erträgen überzeugen. Dennoch stellt der bisher erreichte Stand auf schwierigen Grünlandstandorten (häufige Vorsommertrockenheit, Auswinterungsgefährdung und wechselfeuchte Verhältnisse mit nassen Phasen, z. B. Niedermoorstandorte) bei Weitem nicht zufrieden und es wird weiter nach Alternativen gefragt.
Unter widrigen Bedingungen hat der Rohrschwingel schon häufig bewiesen, dass er vergleichsweise nicht nur eine recht gute Ausdauer, sondern dabei auch hohe Ertragsleistungen aufweist. Rohrschwingel gilt als wüchsig und vital, als robust und konkurrenzstark, winterfest und ausdauernd. Er ist gegenüber Trockenheit wie Nässe deutlich weniger empfindlich als andere Arten.
Neuansaaten bis Mitte August
Vor der Entscheidung zum Anbau sollten Sie bedenken, dass die Jugendentwicklung des Rohrschwingels besonders langsam verläuft. Der Anteil des Rohrschwingels in der Saatmischung ist daher zu beachten. Er könnte von Mischungspartnern mit schnellerer Anfangsentwicklung daran gehindert werden, sich im Bestand zu etablieren. Empfohlen werden daher Mischungsanteile von mindestens 50 Prozent. Für eine Neuansaat ist also genügend Vorlauf einzuplanen. Sie sollte bis etwa Mitte August gedrillt sein, damit eine ausreichende Vorwinterentwicklung möglich ist. Unter sehr günstigen Wachstumsbedingungen im Spätsommer und Herbst, kann es in seltenen Fällen dazu kommen, dass Sie einen Schröpfschnitt tätigen müssen. So verhindern Sie, dass der Bestand zu hoch in den Winter geht. Für das Gelingen einer Grünlanderneuerung sind solche Bedingungen jedoch allemal besser als eine zu geringe Ausbildung der Pflanzen. Schwach entwickelte Pflanzen können der Winterwitterung kaum trotzen, sie stellen sich im Frühjahr in Form lückiger Bestände dar.
Bei Direktsaaten in abgestorbene Altnarben, müssen Sie in der Regel mit zögerlichem Auflaufen rechnen. Direktsaaten sollten Sie daher bis Mitte Juli umsetzen.
Für Nachsaaten (mit konventioneller Nachsaattechnik) in verbesserungswürdigen Beständen ist der Rohrschwingel wegen seiner vergleichsweise sehr langsamen Anfangsentwicklung nicht zu empfehlen!
Die Narbendichte des Rohrschwingels ist unterdurchschnittlich. Als Horstbildner, der auch Ausläufer bilden kann, verfügt er nach erfolgreicher Etablierung jedoch über Durchsetzungskraft.
Seine Konkurrenzkraft gegenüber unerwünschten Arten ist allerdings nicht geringer als die von Sorten mit hoher Narbendichte. Dank seines zügigen Wachstums im Frühjahr und der schnellen Massebildung nach der Nutzung setzt er sich gut gegenüber anderen Arten durch. Das bestätigte sich auch in unseren Versuchen, die Rohrschwingel-dominierten Bestände wurden weniger schnell von nicht angesäten Arten durchsetzt, als andere Bestände.
Früher Nutzungsreife gerecht werden
Rohrschwingel eignet sich vor allem für die Schnittnutzung. Für Beweidung sollten Sie andere Lösungen vorziehen. Hier ist natürlich das Deutsche Weidelgras an erster Stelle zu nennen. Positive Ergebnisse aus anderen Regionen Europas lassen zwar hoffen, sind aber nicht einfach auf unsere Standortverhältnisse übertragbar.
Wer sich für den Rohrschwingel entscheidet, der sollte sich im Klaren über die frühe Nutzungsreife des Grases sein. Die derzeit angebotenen Sorten sind zugleich schnittreif mit Knaulgras, Wiesenschweidel, Wiesenschwingel, den späten Sorten in der frühen Reifegruppe der Deutschen Weidelgräser und den frühen Sorten der mittleren Reifegruppe der Deutschen Weidelgräser (laut Bundessortenamt). Die genannten Gräser kommen also auch als potenzielle Mischungspartner infrage.
Die Düngung ist ebenso entscheidend für eine erfolgreiche Nutzung: Rohrschwingel setzt Nährstoffe wirksam um und erbringt bei guter Nährstoffversorgung bessere Leistungen – bzw. wird ohne ordentliche Düngung enttäuschen! Schon in der Etablierungsphase sollte die Pflanzenernährung daher ausreichend abgesichert sein. Wie bei anderen Grünlandbeständen auch, müssen Sie Düngung und Nutzung aufeinander abstimmen und dem Standort anpassen. Im Versuch lag die N-Düngung (auf Niedermoor) bei einer Nutzung von jährlich vier Schnitten bei 120 bis 180 kg N/ha und Jahr.
Die Silierfähigkeit liegt im Vergleich der Futtergräser auf einer Ebene mit den anderen Arten, wobei sich Deutsches Weidelgras und teilweise der Wiesenschweidel gegenüber allen anderen Gräsern mit einer eher günstigeren Siliereignung hervorheben. Beim Einsatz von Siliermitteln gelten die selben Regeln wie bei anderen Gräsern auch.
Qualitätsmerkmale beurteilen
Bisher stand der Rohrschwingel ständig wegen seiner schwachen Futterqualität in der Kritik, über viele Jahrzehnte hat sich sein schlechter Ruf quasi festgesetzt. Da stellt sich verständlicherweise die Frage, wie die heute verfügbaren Rohrschwingelsorten einzuordnen sind. Schnell wird dabei der Energiegehalt als der einzige Maßstab über alles gestellt. Doch Futterqualität umfasst weit mehr Kriterien und es lohnt sich, die verschiedenen Aspekte genauer zu beleuchten. Dabei ist nicht zu vergessen, dass sich die Betrachtung von Grasarten hinsichtlich ihrer Eignung für konkrete Bedingungen nicht mehr von der Sortenfrage trennen lässt!
Sie dürfen natürlich nicht erwarten, dass Rohrschwingel – gleiche, gute Anbaubedingungen vorausgesetzt – ebenso hohe Qualitäten erbringt wie Deutsches Weidelgras! Viel entscheidender ist, dass sich mit dem Rohrschwingel durch seine Robustheit ein sicherer TM-Ertrag erzeugen lässt, dessen Futterwert zudem eine gute Verwertung in der Milchviehfütterung ermöglicht. Das gilt vor allem dort, wo andere Grünlandbestände (z. B. Weidelgras-betont) in Leistung, Zusammensetzung und Ausdauer zu wünschen übrig lassen. Und das nicht selten schon bald nach einer Erneuerung.
In Versuchen auf einem nord-ostdeutschen Niedermoorstandort mit zwei Sortengruppen (herkömmlicher und weichblättriger Rohrschwingel) wurden im Futterwert folgende Ergebnisse erzielt:
- Die Energiekonzentration der Schnitte lag zwischen 6,4 MJ NEL/kg TM für einen ersten Schnitt und 5,7 MJ NEL/kg TM für einen dritten Schnitt (im Durchschnitt bei 6,0 MJ NEL/kg TM), für beide Sortengruppen (Übersicht 2; Mittelwerte von je vier Sorten pro Sortengruppe, aus fünf verschiedenen Aufwüchsen (1. bis 3. Aufwuchs), aus zwei Jahren und von zwei Orten). Auf diesem Niveau lagen auch die Energiegehalte in weiteren Untersuchungen am Standort. Das zeigt wiederholt, dass mit Rohrschwingel sehr wohl ausreichend hohe Energiegehalte erreicht werden können. Es gab in den verschiedenen Jahren jedoch auch mehrfach schwächere Energiegehalte mit 5,7 bis 5,9 MJ NEL/kg TM.
- Auch die Verdaulichkeit lag für beide Sortengruppen auf nahezu gleichem Niveau und entsprach noch dem Zielwert für Gras vom ersten Aufwuchs mit 50 ml Gasbildung/200 mg TM. Und das obwohl nur zwei erste Schnitte unter den fünf Aufwüchsen waren (Übersicht 2). Damit wird eine hohe Verdaulichkeit ausgewiesen, die auch Voraussetzung für eine gute Energiekonzentration ist. In weiteren Untersuchungen wurden in drei Jahren im ersten bis dritten Aufwuchs von einer Rohrschwingel-dominierten Mischung die für die Milcherzeugung anzustrebenden 50 ml Gasbildung/200 mg TM von den ersten Schnitten und der Zielwert von 45 ml Gasbildung/200 mg TM von den Folgeschnitten jeweils eindeutig übertroffen. Der Rohrschwingel kann also durchaus Futteraufwüchse mit hoher Verdaulichkeit erbringen.
- Beim Rohprotein waren in allen Aufwüchsen zwischen 140 und 180 g/kg TM enthalten. Damit werden die Anforderungen der Tierernährung gut erfüllt (Übersicht 2).
- Die Fasergehalte dagegen sind etwas kritischer einzuschätzen: Sie lagen über den, für die Milchproduktion geforderten Zielbereichen (Übersicht 2). Hier ist zu ergänzen, dass bei der praktizierten Schnittführung nicht alle Aufwüchse zum optimalen Zeitpunkt beprobt werden konnten (Befahrbarkeit der Flächen) und hier niedrigere Faser- und damit höhere Energiegehalte durchaus möglich gewesen wären.
- Auch für das Rohfett wurde der anzustrebende Gehalt von 30 g/kg TM nicht erreicht.
- Die Energiekonzentration der Schnitte lag zwischen 6,4 MJ NEL/kg TM für einen ersten Schnitt und 5,7 MJ NEL/kg TM für einen dritten Schnitt (im Durchschnitt bei 6,0 MJ NEL/kg TM), für beide Sortengruppen (Übersicht 2; Mittelwerte von je vier Sorten pro Sortengruppe, aus fünf verschiedenen Aufwüchsen (1. bis 3. Aufwuchs), aus zwei Jahren und von zwei Orten). Auf diesem Niveau lagen auch die Energiegehalte in weiteren Untersuchungen am Standort. Das zeigt wiederholt, dass mit Rohrschwingel sehr wohl ausreichend hohe Energiegehalte erreicht werden können. Es gab in den verschiedenen Jahren jedoch auch mehrfach schwächere Energiegehalte mit 5,7 bis 5,9 MJ NEL/kg TM.
- Auch die Verdaulichkeit lag für beide Sortengruppen auf nahezu gleichem Niveau und entsprach noch dem Zielwert für Gras vom ersten Aufwuchs mit 50 ml Gasbildung/200 mg TM. Und das obwohl nur zwei erste Schnitte unter den fünf Aufwüchsen waren (Übersicht 2). Damit wird eine hohe Verdaulichkeit ausgewiesen, die auch Voraussetzung für eine gute Energiekonzentration ist. In weiteren Untersuchungen wurden in drei Jahren im ersten bis dritten Aufwuchs von einer Rohrschwingel-dominierten Mischung die für die Milcherzeugung anzustrebenden 50 ml Gasbildung/200 mg TM von den ersten Schnitten und der Zielwert von 45 ml Gasbildung/200 mg TM von den Folgeschnitten jeweils eindeutig übertroffen. Der Rohrschwingel kann also durchaus Futteraufwüchse mit hoher Verdaulichkeit erbringen.
- Beim Rohprotein waren in allen Aufwüchsen zwischen 140 und 180 g/kg TM enthalten. Damit werden die Anforderungen der Tierernährung gut erfüllt (Übersicht 2).
- Die Fasergehalte dagegen sind etwas kritischer einzuschätzen: Sie lagen über den, für die Milchproduktion geforderten Zielbereichen (Übersicht 2). Hier ist zu ergänzen, dass bei der praktizierten Schnittführung nicht alle Aufwüchse zum optimalen Zeitpunkt beprobt werden konnten (Befahrbarkeit der Flächen) und hier niedrigere Faser- und damit höhere Energiegehalte durchaus möglich gewesen wären.
- Auch für das Rohfett wurde der anzustrebende Gehalt von 30 g/kg TM nicht erreicht.
Um den Rohrschwingel in diesen Parametern genauer bewerten zu können, werden noch umfangreichere Daten benötigt.
Fazit
Grundsätzlich bieten sich die heute angebotenen und von den zuständigen Landeseinrichtungen empfohlenen Rohrschwingel-Sorten als Lösung für schwierige Grünlandstandorte an.
Ob sich die herkömmlichen Sorten oder die weichblättrigen Sorten besser eignen, kann noch nicht gesagt werden. In den bisher untersuchten Proben wiesen die beiden Gruppen kaum Unterschiede auf (Übersicht 2). Das gilt für die gezeigten Mittelwerte wie auch für die einzelnen Aufwüchse.
Um die Sortenfrage abschließend beurteilen zu können, werden noch weitere Daten (z. B. von mehr Standorten, aus weiteren Jahren) gebraucht.