uNDF240om: Was wie die Bezeichnung eines neu entdeckten Planeten oder nach einem Ausdruck aus der Programmiersprache klingt, ist in Wirklichkeit eine neue Faserfraktion, mit der US-amerikanische Fütterungsprofis die Trockenmasse-Aufnahme abschätzen.
Die Ration „füttert“ nicht. Wer hat das nicht schon einmal erlebt? Da sollen die Kühe laut...
uNDF240om: Was wie die Bezeichnung eines neu entdeckten Planeten oder nach einem Ausdruck aus der Programmiersprache klingt, ist in Wirklichkeit eine neue Faserfraktion, mit der US-amerikanische Fütterungsprofis die Trockenmasse-Aufnahme abschätzen.
Die Ration „füttert“ nicht. Wer hat das nicht schon einmal erlebt? Da sollen die Kühe laut Rationsberechnung 23 oder 24 kg Trockenmasse (TM) aufnehmen, doch die Menge an Restfutter auf dem Futtertisch spricht eine andere Sprache. Wissenschaftler der Cornell Universität und dem Miner Institut (New York, USA) sind dem Phänomen kürzlich näher gekommen. In verschiedenen Studien konnten sie den deutlichen Einfluss u.a. der Menge der unverdaulichen NDF-Fraktion (Neutrale Detergenzien Faser) im Pansen auf die Futteraufnahme der Kühe nachweisen. Mit dem neuen Kennwert uNDF (undigested NDF) könnte sich zukünftig die Trockenmasse-Aufnahme deutlich besser vorhersagen lassen.
Schon länger nachgewiesen ist, dass die Höhe und das Ausmaß der Verdaulichkeit der NDF maßgeblich das Fressverhalten, die Trockenmasse-Aufnahme, das Wiederkauen, die Pansenmotorik und den Futterdurchsatz durch den Pansen beeinflusst.
NDF ist die organische Fraktion des Futtermittels, die eher langsam verdaulich oder unverdaulich ist und Platz im Magen-Darm-Trakt einnimmt. Die NDF-Fraktion beinhaltet alle Zellwandbestandteile, u.a. Cellulose, Hemicellulose und Lignin. Je nach Entwicklungsstadium der Pflanzen machen diese Gerüstsubstanzen 30 bis 70% der Trockenmasse aus.
Lignin ist nicht gleich Lignin
Das Ausmaß der Zellwandverdaulichkeit wird hauptsächlich durch die Cellulose und das Lignin bestimmt. Bei hohen Lignin-Gehalten weist die NDF in der Regel eine niedrige Verdaulichkeit auf. Doch allein vom Lignin-Gehalt auf die tatsächliche Verdaulichkeit zu schließen, reicht nicht aus, wie die amerikanischen Wissenschaftler nachweisen konnten. Denn Lignin ist nicht gleich Lignin. Es stellte sich heraus, dass trotz gleichem NDF- und Lignin-Gehalt im Futter die Verdaulichkeit stark variieren kann (46,0% – 67,3%; Übers. 1). Daraus schlussfolgerten die Wissenschaftler, dass es nicht nur auf den absoluten Lignin-Gehalt in der Pflanze ankommt, sondern auch auf die Form des Lignins und auf die Art der Verknüpfung im Zellverbund mit anderen Zellwandbestandteilen. Den größten Einfluss auf diese Verknüpfung scheint Wasserstress auszuüben (Niederschlagsmenge und Stärke der Regenfälle während der Aufwuchsphase). So verbessert z.B. bei sintflutartigem Regen die Pflanze ihre Standfestigkeit durch eine erhöhte Ligninproduktion. Solche Pflanzen weisen oftmals eine schlechtere NDF-Verdaulichkeit auf, denn die Verknüpfungen zwischen Lignin und Hemicellulose sind deutlich stärker ausgeprägt.
Unverdaulich erst nach 240 h
Da also der Lignin-Gehalt allein keine ausreichende Aussage über die Verdaulichkeit der NDF-Fraktion zulässt, untersuchten die Wissenschaftler die unverdauliche Fraktion (potenzielle Verdaulichkeitsrate). Dazu nutzten sie die modifizierte Tilley und Terry-Methode. Hierbei wird Futter in Nylonsäckchen gefüllt. Diese weisen eine Porengröße von 1,5μm auf, sodass auch die kleinsten unverdaulichen Faserpartikel erfasst werden. Die Säckchen werden anschließend in filtrierten, gepufferten Pansensaft und Pepsin-HCl gelagert. Mit der Zeit lösen sich die verdaulichen Nährstoffe. Damit kann die Verdaulichkeit quantitativ abgeschätzt werden.
Es stellte sich heraus, dass nach einer Fermentationszeit von 240 Stunden der Nährstoff-Abbau einer nahezu bei Null liegt, das Futter (TMR) also nicht weiter abgebaut wird. Der Anteil an NDF, der übrig bleibt, ist die unverdaute NDF (uNDF = undigested NDF). Die NDF lässt sich anhand ihrer Abbaukinetik in eine schnelle Fraktion (Abbau 30 Stunden), eine langsame Fraktion (Abbau in 30 bis 240 Stunden) und in die unverdauliche Fraktion (kein Abbau in 240 Stunden) einteilen.
Die ermittelten Werte beziehen sich dabei immer auf aNDFom, d.h. der NDF-Wert ist sowohl um Schwefel als auch um Asche bereinigt. Der Anteil der unverdaulichen NDF eines Futters wird als uNDF240om angegeben, ausgedrückt entweder in Prozent der TM-Aufnahme oder in Prozent der Faser.
Menge an uNDF immer gleich
Doch wie so oft in der Wissenschaft, fallen die wirklich interessanten Ergebnisse als Zufallsprodukte in Studien ab, die eigentlich eine andere Zielsetzung verfolgten. So stellt es sich auch im Fall der uNDF240om dar. Bei einer Untersuchung, die eigentlich das Ziel verfolgte, den Einfluss der Partikelgröße und der Verdaulichkeit auf die Pansenfermentation und Passagerate aufzuzeigen, ergaben sich beim uNDF – Gehalt im Pansen interessante Ergebnisse (siehe Übersicht 2).
So konnte nachgewiesen werden, dass das Verhältnis bei allen vorliegenden Rationen zwischen der aufgenommenen und der uNDF-Menge, die sich im Pansen befindet, immer etwa 1,60 beträgt – unabhängig von den zugeführten Futtermitteln bzw. den Verdaulichkeiten. So kann im Umkehrschluss also anhand der gefütterten uNDF240om auf den Gehalt an uNDF240om im Pansen geschlossen werden. Daraus wiederum lässt sich die optimale Füllung des Pansens ableiten. So gehen die Wissenschaftler mittlerweile denn auch davon aus, dass die maximale Aufnahme an uNDF240om bei 0,40% des Körpergewichts der Kühe liegt. Nehmen Milchkühe mehr uNDF240om auf, scheint die Trockenmasse-Aufnahme der Kühe rückläufig, da die uNDF-Fraktion im Pansen zu lange zu viel Platz einnimmt.
Gleichzeitig gibt es aber auch eine minimale Menge an uNDF240om, welche die Kuh benötigt. Sie liegt bei ca. 0,30% des Körpergewichts. Enthält die Ration weniger unverdauliche NDF, können sich bei hochleistenden Kühen subakute Azidosen einstellen. Der Gehalt an uNDF240om kann also als weiterer Parameter zur Bewertung der Trockenmasse-Aufnahme herangezogen werden.
Weniger uNDF am Laktationsende
Weitere Studien am Miner Institut deuten darauf hin, dass die genannten uNDF240om-Werte bei Frischmelkern bzw. hochleistenden Kühen „passen“. Zum Ende der Laktation scheint hingegen die von der Kuh benötigte Menge an uNDF240om (in % des Körpergewichts) etwas geringer auszufallen.
Fazit: Mithilfe der unverdaulichen NDF lässt sich bei leistungsstarken Kühen die Futteraufnahme besser vorhersagen bzw. lassen sich Veränderungen des Fressverhaltens und der TM-Aufnahme nach Futterumstellungen erklären (Feintuning der Pansenfüllung und der Passagerate).
In einigen amerikanischen Laboren wird deshalb die unverdauliche NDF bereits standardmäßig bei Futteruntersuchungen ausgewiesen.
B. Ostermann-Palz