Aktuelle Untersuchungen zur Energiebewertung zeigen, dass die Bedarfszahlen für Erhaltung und Milchleistung angepasst werden sollten. Eine Abkehr vom NEL-System scheint angebracht.
Kühe haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Neben einer Zunahme des Körpergewichts, haben sie vor allem ihre Leistung gesteigert. Daraus ergibt sich die Frage, ob Kühe noch den gleichen Bedarf an Energie haben, wie zu dem Zeitpunkt als das heutige Energiebewertungssystem (NEL-System)...
Aktuelle Untersuchungen zur Energiebewertung zeigen, dass die Bedarfszahlen für Erhaltung und Milchleistung angepasst werden sollten. Eine Abkehr vom NEL-System scheint angebracht.
Kühe haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Neben einer Zunahme des Körpergewichts, haben sie vor allem ihre Leistung gesteigert. Daraus ergibt sich die Frage, ob Kühe noch den gleichen Bedarf an Energie haben, wie zu dem Zeitpunkt als das heutige Energiebewertungssystem (NEL-System) entwickelt wurde. Auf der Abschlussveranstaltung des Verbundprojekts optiKuh wurden neueste Erkenntnisse vorgestellt, um hierauf eine Antwort zu finden.
Mehr Energie für die Erhaltung…
Forschungsergebnisse (Agnew und Yan, 2000; Moraes et al., 2015) haben gezeigt, dass der Erhaltungsbedarf heutiger Kühe deutlich höher ausfällt als im derzeit in Deutschland angewandten Energiebewertungssystem (NEL-System: Netto-Energie-Laktation).
Denn in den vergangenen Jahrzehnten hat sich nicht nur die durchschnittliche Milchleistung der Kühe, sondern auch ihr Energiebedarf zur Erhaltung der Körpersubstanz erhöht. Unter anderem, weil Verdauungs- und Stoffwechselvorgänge bis hin zum Herz-Kreislauf-System bei höheren Milchleistungen bzw. Futteraufnahmen deutlich stärker arbeiten müssen und dementsprechend hierfür mehr Energie benötigt wird.
Legt man diese neuen Erkenntnisse zugrunde, kann davon ausgegangen werden, dass der leistungsunabhängige Energiebedarf (Erhaltungsbedarf plus Energie für Bewegung, Kauarbeit etc.) einer 625 kg schweren Milchkuh bei 80 MJ ME und nicht wie im derzeitigen System (GfE, 2001) entsprechend bei 60 MJ ME pro Tag liegt.
…weniger für die Milchproduktion
Dieselben Untersuchungen zeigen auf der anderen Seite aber auch, dass es weniger umsetzbarer Energie (ME, metabolisierbare Energie) zur Produktion eines Liter Milchs bedarf als bisher angenommen wurde. Damit zeigt sich ein höherer Verwertungskoeffizient.
Die Verwertung der Energie aus dem Futter ist eine sehr konstante Größe, die weder von der Rationszusammensetzung (Futtermittel, prozentuale Anteile etc.), noch von der Rasse oder der Höhe der Milchleistung beeinflusst wird. Sie kann daher auch nicht durch die Züchtung verändert werden.
Der Energiebedarf pro Kilogramm energiekorrigierte Standardmilch (4% Fett, 3,4% Eiweiß und 4,8% Laktose) beträgt nach neueren Schätzungen nun 4,7 MJ ME gegenüber einem Wert von 5,2 MJ ME, wie er im bisherigen NEL-System (GfE, 2001) festgelegt wurde.
Bedarf bei hoher Leistung überschätzt
Aus dem höheren Erhaltungsbedarf und der gleichzeitig besseren Verwertung der Energie aus den Futtermitteln (Leistungsbedarf) ergibt sich damit ein veränderter Gesamtbedarf der Milchkühe.
Dieser liegt bei niedrigen Milchleistungen nach den neuesten Berechnungen höher (hier macht sich der höhere Erhaltungsbedarf bemerkbar), wohingegen sich bei sehr hohen Milchleistungen mit über 40 kg ein niedrigerer Gesamtbedarf durch die bessere Verwertung der Futterenergie ergibt. Im Leistungsbereich zwischen 30 und 40 kg halten sich der alte und neue Berechnungsweg hingegen die Waage.
Gerade bei sehr hohen Milchleistungen hat der veränderte Gesamtbedarf zur Folge, dass die relative Unterversorgung hochleistender Kühe geringer ausfällt, als bisher von den Tierernährern angenommen.
Der geringere Gesamtbedarf bei leistungsstarken Kühen würde in einem angepassten Energiebewertungssystem damit einen niedrigeren Kraftfutteranteil in der Ration erforderlich machen. Damit ist bei der Gestaltung der Ration auch eine ausreichende Strukturversorgung, besonders der hochleistenden Milchkühe, leichter zu realisieren.
Weg vom NEL-System?
Von den genannten Änderungen sind nur der Erhaltungs- und Leistungsbedarf der Kühe, nicht jedoch der energetische Wert der verschiedenen Futtermittel betroffen, denn dieser wird in metabolisierbarer Energie (ME) angegeben.
Da der NEL-Wert (derzeitiges Energiebewertungssystem) des Futters aus dem ME-Wert berechnet wird, würde der veränderte Verwertungskoeffizient jedoch eine Änderung des NEL-Wertes (energetischer Futterwert) nach sich ziehen.
Ein Beispiel: Weist eine Grassilage einen Energiegehalt von 10 MJ ME pro kg Trockensubstanz auf, bedeutet dies nach dem aktuellen NEL-System 6,0 MJ NEL. In einer an die neuen Untersuchungsergebnisse angepassten Berechnung (höherer Verwertungskoeffizient) müsste der Energiewert dann 6,7 MJ NEL betragen.
Hier zeigt sich die Schwäche von Systemen, die auf der Netto-Energie-Laktation basieren. Denn sie können eine veränderte Energieverwertung nicht automatisch berücksichtigen bzw. ziehen eine aufwendige Änderung der Futterwerte (NEL-Werte) nach sich.
Deshalb empfiehlt es sich, eine Umstellung auf das ME-System (weg vom NEL-System) vorzunehmen, wenn diese neuen Erkenntnisse berücksichtigt werden sollen. Damit lässt sich auch gewährleisten, dass künftige Änderungen, die den Leistungs- oder den Erhaltungsbedarf sowie die Verwertung betreffen, einfach in ein bestehendes System integriert werden können. B. Ostermann-Palz