Eine Proteinabsenkung im Futter ohne Leistungseinbußen ist theoretisch durch die Zugabe von geschützten Aminosäuren möglich. Doch die Kalkulation entsprechender Rationen ist nicht einfach.
Durch die Zugabe von Aminosäuren (AS) lässt sich theoretisch auf das Vorhalten von Eiweiß in Milchkuh-Rationen verzichten. Neben den Effekten eines...
Eine Proteinabsenkung im Futter ohne Leistungseinbußen ist theoretisch durch die Zugabe von geschützten Aminosäuren möglich. Doch die Kalkulation entsprechender Rationen ist nicht einfach.
Durch die Zugabe von Aminosäuren (AS) lässt sich theoretisch auf das Vorhalten von Eiweiß in Milchkuh-Rationen verzichten. Neben den Effekten eines entlasteten Leberstoffwechsels und geringerer N-Ausscheidung klingt das auch aus ökonomischer Sicht verlockend, denn Proteinfuttermittel sind teuer.
Dass dies nicht so einfach ist wie gedacht, bestätigt jedoch die große Bandbreite an Studien, die zur Rationsoptimierung mit pansengeschützten AS veröffentlicht wurden: In einigen gab es kaum Einflüsse auf die Milchprotein- und Milchmenge oder die N-Ausscheidung, andere wiederum belegen Steigerungen der Milchproteingehalte oder Milchmenge um rund 0,11 % bzw. 1,5 kg. Woran liegt das?
Kühe brauchen Aminosäuren
Wiederkäuer werden im Gegensatz zu Monogastriern, die darauf angewiesen sind alle ihre benötigten Aminosäuren mit dem Futter aufzunehmen, über das mikrobielle Protein aus dem Pansen mit den wichtigsten essenziellen AS versorgt. Das Mikrobenprotein ist in seinem AS-Verhältnis (Profil) genau auf den Bedarf des Rindes abgestimmt. Deswegen sollte zunächst in der Rationsgestaltung alles dafür getan werden, die mikrobielle Syntheseleistung voll auszuschöpfen (pansensynchrone Fütterung, Struktur)! Das Mikrobenprotein (60 bis 80 %) stellt zusammen mit dem im Pansen unverdaulichen Futterprotein (UDP) und einem geringen Teil endogenem Protein (u. a. Verdauungssäfte, ca. 10 %) das nutzbare Rohprotein (nXP) im Dünndarm dar. Mit steigender Leistung und Futteraufnahme nimmt der Anteil an Mikrobenprotein am gesamten nXP jedoch ab und ein höherer Anteil an UDP wird erforderlich (Übersicht 1).
Es ist kaum möglich, allein mittels pflanzlicher Proteinträger das für die Kuh optimale Verhältnis von essenziellen Aminosäuren und deren ausreichende Konzentration im Futterprotein für die Milchsynthese bereitzustellen (Übersicht 2), unter anderem auch weil die Proteingehalte und -verdaulichkeiten einzelner Komponenten erheblich schwanken. „Fehlen“ einzelne essenzielle AS am Dünndarm, wird die Proteinsynthese der Kuh begrenzt. Nicht ausreichend vorhandene Aminosäuren werden daher als limitierend bezeichnet. Fatal ist, dass bei einem Mangel einer essenziellen Aminosäure alle übrigen nicht weiter verwertet werden können. Die Kuh muss sie ungenutzt und energieaufwendig ausscheiden. Das belastet ihren Stoffwechsel, beteiligte Organe sowie die Umwelt mit Ammoniak und Harnstoff.
Da das deutsche Protein-Bewertungssystem nach nXP bisher keine Bedarfs- und Versorgungsempfehlungen für limitierende, essenzielle Aminosäuren ableitet, wird eine ausreichende Versorgung damit in den meisten Rationen über eine Zulage an nXP (für zwei bis drei Liter Milch) sichergestellt.
Rationen individuell bewerten
Um herauszufinden, welche Aminosäuren für die Kühe limitierend sind, müssen deren Gehalte im Mikrobenprotein, im pansenstabilen Futterprotein und im Milchprotein (als Bedarfsgröße) bekannt sein. In vielen Fällen gilt Methionin (Met) als erstlimitierende Aminosäure. Welche essenzielle AS die Leistungsfähigkeit der Kuh letztendlich begrenzt, variiert jeweils nach der gefütterten Ration, denn:
- In mais- und gerstebetonten Rationen, die als Proteinträger Maiskleber(futter), Getreideschlempen oder Biertreber enthalten, ist Met meistens erstlimitierend.
- In grassilagebetonten bzw. grünfutterbasierten Rationen oder bei Weidegang kann auch Histidin (His) (erst)limitierend sein.
- In Hochleistungs-Rationen können sowohl Lysin (Lys) als auch Met limitierend sein. Denn es müssen höhere Anteile an AS aus dem UDP bereitgestellt werden, doch Komponenten mit hohen UDP-Anteilen zeigen oft reduzierte Lys- und Met-Gehalte.
- In mais- und gerstebetonten Rationen, die als Proteinträger Maiskleber(futter), Getreideschlempen oder Biertreber enthalten, ist Met meistens erstlimitierend.
- In grassilagebetonten bzw. grünfutterbasierten Rationen oder bei Weidegang kann auch Histidin (His) (erst)limitierend sein.
- In Hochleistungs-Rationen können sowohl Lysin (Lys) als auch Met limitierend sein. Denn es müssen höhere Anteile an AS aus dem UDP bereitgestellt werden, doch Komponenten mit hohen UDP-Anteilen zeigen oft reduzierte Lys- und Met-Gehalte.
Erschwert wird eine verlässliche Vorhersage über die limitierenden AS einer Ration auch durch die Rohprotein (XP)-Fraktion in Silagen. Diese variiert gerade im Reinproteingehalt ( 40 bis 70 % des XPs), sodass die Gehalte an AS aus den Silagen die Versorgung beeinflussen können. Andererseits sind die UDP-Gehalte des Rohproteins aus Silagen eher gering einzustufen (um 15 %), der Großteil des XPs daraus wird also im Pansen abgebaut. Der Einfluss der Aminosäuren-Zusammensetzung in Silagen auf das UDP am Dünndarm wird daher auch als untergeordnet bewertet. Viel wichtiger ist es daher, den Pansenmikroben genügend verfügbare Energie bereitzustellen, um viel mikrobielles Protein daraus produzieren zu können.
Die Menge und die exakte Zusammensetzung des Mikrobenproteins sind weitere Unbekannte, sie sollen sich jedoch leichter in Schätzmodelle integrieren lassen. Zusätzlich hinderlich ist, dass physikalische Vorbehandlungen von Komponenten die Verdaulichkeiten einzelner Aminosäuren sowohl positiv als auch negativ beeinflussen können.
Erschwerte Bedarfsermittlung
Auch der exakte Bedarf einer laktierenden Kuh an einzelnen Aminosäuren ist schwierig zu bewerten, denn sie werden eben nicht nur für die Produktion des Milchproteins genutzt. Viel mehr werden diverse Nutzungswege beschrieben, u. a. der Aufbau von Körpergewebe sowie die Nutzung geeigneter AS für die Glukoseneubildung in der Leber. Bei negativer Energiebilanz können sie in der Gluconeogenese Anteile von 15 bis 25 % ausmachen. AS werden zudem für die Bildung von Enzymen und Hormonen benötigt. Ist eine limitierende Aminosäure im Mangel, kann sich das also auch negativ auf Stoffwechsel, Immunsystem und die Fruchtbarkeit der Kuh auswirken.
Bilanzierung nach dem nXP-Prinzip
Um eine Ration annähernd sicher nach den limitierenden Aminosäuren zu bilanzieren, muss das AS-Profil des im Dünndarm nutzbaren Mikrobenproteins sowie des pansenstabilen Futterproteins und das Verhältnis der AS zueinander bekannt sein. 2008 veröffentlichten Schröder et al. einen Ansatz zur AS-Bilanzierung, der auf dem deutschen Protein-Bewertungsansatz nach nXP (GfE, 2001) aufbaut und daraus die nutzbaren Aminosäuren (nAS) herleitet. Ziel ist es, den Bedarf der Kuh an Lysin und Methionin abzuleiten und die verfügbare Ration hinsichtlich der Zufuhr von nAS am Dünndarm zu bewerten. Die AS-Gehalte der Komponenten werden dazu aus Futtermitteltabellen herangezogen. In dem Berechnungsansatz wird angenommen, dass sich das AS-Profil zwischen Futter-Rohprotein und pansenstabilem Futterprotein nicht nennenswert unterscheidet und das AS-Profil des Mikrobenproteins konstant ist: 7,8 g Lysin und 2,4 g Methionin pro 100 g mikrobiellem Rohprotein (siehe Formel). Schröder et al. empfehlen Milchkühe mit 7,1 g nXLys/100g nXP und 2,6 g nXMet/100g nXP zu versorgen. Die kritische Grenze liegt bei 6,9 g nXLys und 2,4 g nXMet/100g nXP. Das Verhältnis g nXlys : g nXMet soll dabei 2,7 : 1 betragen, es kann sich jedoch im Laufe der Laktation und dem sich dabei wandelndem Bedarf an Aminosäuren, ändern.
Schuba und Südekum (2012) bewerten diesen Ansatz, um aufbauend auf der Struktur des nXP-Systems eine Erweiterung um limitierende essenzielle Aminosäuren vorzunehmen, als prinzipiell geeignet.
Die Ration anpassen
Stellt sich aus der Bilanzierung einer Ration heraus, dass von einer essentiellen Aminosäure zu wenig verfügbar ist bzw. deren Profil unausgewogen ist, empfiehlt Prof. Dr. Charles Schwab, Universität New Hampshire, wie folgt vorzugehen:
- Sicherstellen, dass die Ration genug hoch fermentierbare Kohlenhydrate und physikalisch effektive Faser liefert. So werden die Pansenfunktion und damit die Futteraufnahme sowie die mikrobielle Proteinsynthese (wertvollste Aminosäuren-Quelle!) optimiert.
- Geeignete, aber nicht zu hohe Mengen an pansenverfügbarem Protein in der Ration bereitstellen, um die Pansenfunktion zu stärken und die angestrebten Milchharnstoffgehalte zu erreichen. Eine negative RNB vermeiden.
- Futterkomponenten mit hohen Gehalten an der limitierenden Aminosäure Lysin in sinnvollen Mengen einsetzen, um so deren optimaler Konzentration nahezukommen (Futterwerttabelle nach Schwab in ElitePlus). Gegebenenfalls mit einem pansengeschützten Lysin kombinieren (on top-Prinzip).
- Ein pansengeschütztes Produkt der erstlimitierenden Aminosäure Methionin in derjenigen Menge zufüttern, die notwendig ist, um das optimale Lys/Met-Verhältnis für das Milchprotein zu erreichen (2,75 bis 3,0 : 1) (on top-Prinzip).
- Die Ergänzung mit pansenstabilem Protein langsam (nach drei bis vier Wochen) auf das Niveau absenken, dass die Kühe benötigen ohne Leistungseinbußen zu verzeichnen. Absenkungen von 1 bis 2 Prozentpunkten des UDP-Anteils am Gesamtproteingehalt sind möglich (Reformulierung).
- Sicherstellen, dass die Ration genug hoch fermentierbare Kohlenhydrate und physikalisch effektive Faser liefert. So werden die Pansenfunktion und damit die Futteraufnahme sowie die mikrobielle Proteinsynthese (wertvollste Aminosäuren-Quelle!) optimiert.
- Geeignete, aber nicht zu hohe Mengen an pansenverfügbarem Protein in der Ration bereitstellen, um die Pansenfunktion zu stärken und die angestrebten Milchharnstoffgehalte zu erreichen. Eine negative RNB vermeiden.
- Futterkomponenten mit hohen Gehalten an der limitierenden Aminosäure Lysin in sinnvollen Mengen einsetzen, um so deren optimaler Konzentration nahezukommen (Futterwerttabelle nach Schwab in ElitePlus). Gegebenenfalls mit einem pansengeschützten Lysin kombinieren (on top-Prinzip).
- Ein pansengeschütztes Produkt der erstlimitierenden Aminosäure Methionin in derjenigen Menge zufüttern, die notwendig ist, um das optimale Lys/Met-Verhältnis für das Milchprotein zu erreichen (2,75 bis 3,0 : 1) (on top-Prinzip).
- Die Ergänzung mit pansenstabilem Protein langsam (nach drei bis vier Wochen) auf das Niveau absenken, dass die Kühe benötigen ohne Leistungseinbußen zu verzeichnen. Absenkungen von 1 bis 2 Prozentpunkten des UDP-Anteils am Gesamtproteingehalt sind möglich (Reformulierung).
Bei Frischlaktierenden (bis zur 4. Laktationswoche) wird von einer Reformulierung abgeraten und eine on top-Versorgung mit Methionin empfohlen, da die Kühe es gerade in dieser Phase für diverse Stoffwechselwege benötigen.
Schuba und Südekum (2012) geben in ihrer Aufarbeitung mehrerer Studien an, dass bei einer Ergänzung mit geschütztem Methionin und Lysin eher mit positiv beeinflussten Milchproteingehalten gerechnet werden kann, als mit einer höheren Milchmenge. Wenn gesteigerte Milchmengen beobachtet wurden, dann in der Früh- und Hochlaktation und weniger in der Spätlaktation. Die deutlichsten Effekte seien bisher in maissilagebetonten Rationen sowie bei einer kombinierten Zulage von Methionin und Lysin erreicht worden. Zudem seien die Effekte einer Rations-Balancierung eher zu erwarten, wenn die Ration bereits vor dem Kalben dahingehend angepasst wird.
Sicherer Pansenschutz
Bei pansengeschützten Produkten müssen die Aminosäuren so bearbeitet werden, dass sie vor dem Abbau im Pansen gesichert sind, ohne deren Aufnahme im Dünndarm zu hemmen. Ob der Pansenschutz funktioniert, lässt sich über die Konzentrationen der AS im Blutplasma prüfen.
Vergleiche von verschiedenen Produkten zeigen, dass Varianten mit einer pH-sensitiven Polymer- und Fettsäuren-Ummantelung (Coating) einen sicheren Schutz vor dem ruminalen Abbau (Pansen-pH 4) bieten. Im sauren Milieu des Labmagens (pH 2) löst sich das Coating auf und die AS sind frei verfügbar. Zu beobachten ist jedoch, dass besonders feuchte Mais- ( 30 % TM) und Pressschnitzelsilagen teils recht niedrige pH-Werte ( pH 4) aufweisen. Bei solchen Grobfuttern sowie bei angesäuerten Rationen und bei Rationen mit hohen Anteilen an leicht fermentierbaren Kohlenhydraten, die zu niedrigen Pansen-pH-Werten führen, ist der Einsatz von gecoateten AS bezüglich eines sicheren Pansenschutzes als kritisch zu bewerten. Einzelne Hersteller verweisen darauf, dass ihre Produkte aber auch dann noch sicher sind.
Ebenfalls als sicher bewertet wird pansengeschütztes Methionin in Form von 2-Hydroxy-4-Methylthio-Butansäure-Isopropylester (HMBi), als nicht geeignet dagegen die bei Monogastriern eingesetzte 2-Hydroxy-4-Methylthio-Butansäure (HMB).
Fazit: Wer darüber nachdenkt, pansengeschützte Aminosäuren zu ergänzen, sollte sich sehr genau mit dem Thema auseinandersetzen, seine Ration bilanzieren lassen und nur sicher geprüfte Produkte einsetzen. K. Berkemeier