Jederzeit wissen, wie es um den Betrieb steht – wie kann das im Alltag klappen? Claus Christian Luerßen hat für seinen Betrieb ein Frühwarnsystem entwickelt.
Controlling, also das Überprüfen und (Um-)Steuern des Unternehmens, basiert bestenfalls auf soliden Informationen: Steigen in einem Bereich die Kosten auf einmal an? Wie lässt sich gegensteuern? Kommt genug Geld herein, um neben den Ausgaben auch noch einen Gewinn zu erzielen?
Meist geschieht dies „Pi mal Daumen“,...
Jederzeit wissen, wie es um den Betrieb steht – wie kann das im Alltag klappen? Claus Christian Luerßen hat für seinen Betrieb ein Frühwarnsystem entwickelt.
Controlling, also das Überprüfen und (Um-)Steuern des Unternehmens, basiert bestenfalls auf soliden Informationen: Steigen in einem Bereich die Kosten auf einmal an? Wie lässt sich gegensteuern? Kommt genug Geld herein, um neben den Ausgaben auch noch einen Gewinn zu erzielen?
Meist geschieht dies „Pi mal Daumen“, abgeleitet aus den Erfahrungen der Vorjahre – oder fehlt gar völlig! Dann entscheidet das Gefühl und nicht die rationale Analyse. Auch der jährliche Blick in die Betriebszweigauswertung oder den Steuerabschluss ermöglicht nur rückwirkend eine Bewertung, ob sich eine Entscheidung ausgezahlt hat.
Direkt informiert sein
Claus Christian Luerßen ist das zu wenig. Er führt einen Betrieb mit 800 Milchkühen und 17 Angestellten. Da kann und will er sich nicht darauf verlassen, dass „immer alles optimal läuft”. Gemeinsam mit seinem Vater hat er darum in den vergangenen Jahren verschiedene Controllingsysteme eingeführt, um zeitnah über die Entwicklungen informiert zu sein.
Täglich prüft er die Arbeit der Mitarbeiter (Melken, Füttern, …) sowie die Tiergesundheit.
Wöchentlich kontrolliert der Betrieb Fruchtbarkeit, Tiergesundheit, Milchleistung, Futteraufnahmen, die Kennzahl „CowValue“, Wirtschaftlichkeit („Income over feed cost“, IOFC) sowie den Melkstand über selbst entwickelte Excel-Listen („Wochenprotokolle“). Dieses Übertragen von Zahlen in Excel ist ihm wichtig, weil er sich so intensiver mit den Ergebnissen beschäftigt und gleichzeitig bereits Ursachenforschung betreibt. „Eine Zahl nur auszudrucken, hat nicht den gleichen Effekt“, sagt der Unternehmer.
Die monatliche Kontrolle beinhaltet Folgendes:
- Wirtschaftlichkeit (IOFC)
- Arbeitszeiten (Lohnabrechnung)
- Tiergesundheit/Herdencheck (2x/Monat)
- Aufzuchtleistung Jungvieh (Zunahmen, Krankheitsraten, Erstbelegungsalter, Besamungserfolg etc.)
- Wirtschaftlichkeit (IOFC)
- Arbeitszeiten (Lohnabrechnung)
- Tiergesundheit/Herdencheck (2x/Monat)
- Aufzuchtleistung Jungvieh (Zunahmen, Krankheitsraten, Erstbelegungsalter, Besamungserfolg etc.)
Ziel ist es, die Produktionstechnik und damit auch die Wirtschaftlichkeit genau im Blick zu haben. „Durch ständiges Controlling kann ich mich näher an die Grenzen wagen, z.B. die Ration ‚schärfer‘ auslegen“, sagt der Manager einer hochleistenden Milchkuhherde. Das Wichtigste sei jedoch, die individuell passenden Kennzahlen für den eigenen Betrieb zu finden. „Bei uns hat sich das über die Zeit entwickelt“, berichtet er. Er rät, mit den einfachsten Zahlen zu beginnen: Kalbe- und Fruchtbarkeitsergebnisse, Trockensubstanz-Proben – greifbare Zahlen, die sich auch handschriftlich dokumentieren lassen!
Dokumentation zahlt sich aus
Ein leistungsstarkes Herdenmanagement-Programm bildet die Basis für die Auswertungen in Sachen Fruchtbarkeit. Claus Christian Luerßen nutzt „DairyComp 305“. Wöchentlich prüft er, ob sich zwischen den Besamern oder zwischen verschiedenen Belegungsarten (OvSynch, natürliche Brunst o.ä.) Unterschiede in der Konzeptionsrate finden lassen.
Auch Brunstnutzungsrate und Pregnancy Rate (Anteil der Kühe, die in einem 21-Tage-Zyklus zur Besamung anstehen und tatsächlich tragend werden) sind wichtige Kennzahlen. Die Angaben aus dem Herdenmanagement-Programm überträgt er in eine Excel-Liste, die kritische Werte automatisch gelb bzw. rot einfärbt und unproblematische Ergebnisse grün. Die Kriterien dafür basieren auf Beratungsempfehlungen oder Erfahrungswerten.
Nach dem gleichen Prinzip hat Claus Christian Luerßen eine Excel-Tabelle erstellt, mit der er die Tiergesundheit kontrolliert. Er wertet Färsen und Kühe getrennt aus und prüft wöchentlich die Milchabweicherlisten insgesamt, die Ketosetest-Ergebnisse, Milchmengen der Frischmelker in den ersten 50 Laktationstagen sowie das Auftreten von Krankheiten. Dazu kommt drei Mal täglich die Kontrolle aller melkenden Kühe über die Milchabweicherliste. Sobald eine Kuh zwei Mal weniger als zwei Kilo Milch aufweist, führt ein Herdsman einen vollständigen Gesundheitscheck durch und behandelt die Kuh entsprechend standardisierter Arbeitsanleitungen.
In Bezug auf die Milchleistung kontrolliert Luerßen die Veränderung der Milchleistung in 30-Tages-Abschnitten. „Minus 7% alle 30 Tage nach dem Laktationspeak sind okay“, sagt er. „Alles darüber hinaus muss ich überprüfen.“
Fütterung im Griff
Die berechnete Futterration kommt längst nicht 1:1 bei den Kühen an. Bei der Mischung, beim Vorlegen, aber auch beim Fressen oder in der Verdauung der Kühe können Fehler passieren. Daher nutzt Claus Christian Luerßen ein Wiegesystem als Echtzeit-Kontrolle. Eine Software (TMR-Tracker) überträgt die berechnete Ration auf den Futtermischwagen. Dieser gibt einen Ladebericht aus, der genau ausweist, wann welche Komponente mit welchem Gewicht hinzugefügt worden ist. Auch das Ausfüttern lässt sich so kontrollieren. „Ziel ist beim Füttern eine Genauigkeit von mehr als 95%. Erreicht ein Fütterer das nicht, spreche ich rasch mit ihm und gehe auf Fehlersuche“, so Luerßen. Tipp: Im Programm die Preise der Futtermittel hinterlegen – das verdeutlicht den Fütterern die Auswirkungen ihres Handelns!
Die tatsächlich gefressene Ration wird über sog. „Zero Events“ überwacht. Der Fütterer wiegt den Futterrest aus jeder der 10 Gruppen zurück, indem er sie in den Feststoffeintrag der Biogasanlage gibt. Die Gewichte für jede Gruppe werden auf die Tafel geschrieben und zusätzlich einmal pro Woche in eine Excel-Liste übertragen. Ziel ist, bei den melkenden Kühen jeden Tag 5%, bei Frischmelkern und Trockenstehern 7% Futterrest vorzufinden. Unterschreitet der Wert diese Marke, heißt dies „Zero Event“. Solche „Nullnummern“ dürfen bei max. 5% bzw. 15 Mal pro Monat bei allen Fütterungen vorkommen.
Dazu kommt eine Kontrolle der angepeilten Trockenmasse-Aufnahmen in den einzelnen Gruppen. Dazu misst der Herdenmanager die Trockenmasse der vorgelegten Ration sowie die der Silagen und Feuchtkomponenten einmal pro Woche oder nach starkem Regen.
Erlös nach Futterkosten (IOFC)
„Zu Beginn haben wir alle Ausgaben einbezogen und alle vier Wochen eine komplette Wirtschaftlichkeitsberechnung gemacht“, berichtet Claus Christian Luerßen. „Das hat sich allerdings nicht bewährt, denn wir mussten immer mindestens einen halben Monat warten, bis alle Rechnungen vorlagen. Damit konnten wir wieder nicht direkt kontrollieren.“ Daher setzt er heute auf die Kennzahl „Erlös nach Futterkosten“, auf englisch „Income over feed cost“ (IOFC), die ausschließlich Futterkosten und Milcherlös betrachtet und keine weiteren Kosten einbezieht:
- IOFC (€/kg) = Milchmenge (kg/Kuh) x Milcherlös (€/kg) – Futterkosten (€/Kuh).
- IOFC (€/kg) = Milchmenge (kg/Kuh) x Milcherlös (€/kg) – Futterkosten (€/Kuh).
Das Ergebnis zeigt, wie gut die Herde das Futter in Milch umsetzt. Der Erlös nach Futterkosten steht dann für die Abdeckung von weiteren Kostenblöcken wie Arbeit, Gebäudekosten oder anderen Spezialkosten zur Verfügung. Claus Christian Luerßen: „Die größten Hebel auf einem Milchkuhbetrieb sind Milchpreis, Futtermittelpreise bzw. Rationskosten und Milchleistung je Kuh und Tag. Den Milchpreis kann ich kaum beeinflussen, die Futterkosten zum Teil – über Kontrakte, Timing. Die Milchleistung hingegen kann ich täglich optimieren!“ Ziel ist ein möglichst hoher IOFC.
Pizza fürs Team
Ein so großer Milchkuhbetrieb ist nichts ohne seine Mitarbeiter. Daher ist es wichtig, die Menschen hinter den Kennzahlen nicht zu vergessen. Claus Christian Luerßen versucht zwar, die anfallenden Arbeiten in Form von Checklisten auf einzelne Schritte herunterzubrechen, nachvollzieh- und somit kontrollierbar zu machen. Fotos, einfache Abläufe und häufiges Training helfen dabei, dass diese am Ende auch wie gewünscht ausgeführt werden.
Doch neben all dem ist vor allem ein gutes Auge für die einzelnen Mitarbeiter wichtig: Wie geht es dem-/derjenigen? Gibt es Probleme im Team oder andere Hindernisse, die den Angestellten daran hindern, die Arbeit sauber und effizient zu erledigen?
Auf dem Rischenhof unterstützt ein Personalcoach alle drei Monate bei Mitarbeitergesprächen und der Kommunikation. „Dazu ist uns ‚Zwischenmenschliches‘ wichtig – ein Lob für gute Arbeit, mal eine Pizza fürs Team bei besonders guten Ergebnissen, Betriebs- oder Weihnachtsfeiern“, sagt der Betriebsleiter. „Es gibt zwei wichtige Stunden für mich in der Betriebsführung: Die eine Stunde pro Tag, die ich mit den Kennzahlen und dem Controlling verbringe. Aber auch das wöchentliche Team-Meeting, in dem wir alles Wichtige persönlich besprechen!“
Künftig sollen vor allem die Checklisten und die Dokumentation weiter digitalisiert werden. Auf dem Betrieb gibt es bereits WhatsApp-Gruppen für viele verschiedene Bereiche (Klauengesundheit, Fruchtbarkeit, Kalbung, Personal, Chef,… Mitglieder sind die betreffenden Mitarbeiter), in welche die Angestellten Auffälligkeiten eintragen. „Alles, was auf Zetteln steht, geht verloren“, ist Claus Christian Luerßen überzeugt. Deswegen wünscht er sich eine digitale Lösung, um z.B. Checklisten direkt auf dem Handy abzuhaken. Auch Kennzahlen und Controllinginstrumente unterliegen einem ständigen Wandel.
Fazit
Bei mehreren Hundert Kühen kann Claus Christian Luerßen nicht alle Arbeiten selber machen. Er ist deswegen darauf angewiesen, sich einen Einblick in die Arbeit seiner Mitarbeiter zu verschaffen, möchte er trotzdem eine Steuerungsmöglichkeit in der Hand behalten. Ein so umfangreiches Controlling ist kaum zu leisten, erledigt der Chef alle Arbeiten rund um die Kühe. Dennoch zeigt das Beispiel, welch vielfältige Datenquellen sich auch auf einem Milchkuhbetrieb für die Betriebsleitung und (strategische) Entscheidungen nutzen lassen!
Wichtig: Nicht „abschreiben“, sondern auf den eigenen Betrieb angepasste Kennzahlen erarbeiten, sich mit sich selbst vergleichen und dadurch besser werden. Vergleichbarkeit mit anderen ist viel schwieriger!
C. Stöcker-Gamigliano