Und es geht doch. Auch mit Weidehaltung lassen sich hohe Milchleistungen erreichen. Vielmehr als das Haltungssystem entscheidet das betriebliche Management.
Grasende Kühe auf der Weide. Das Idealbild, zumindest nach Meinung der Verbraucher. Aber punktet die Weide tatsächlich bei Tiergesundheit und Tierwohl? Und wie sieht es gegenüber dem Stall mit ihrer Wirtschaftlichkeit aus? Um...
Und es geht doch. Auch mit Weidehaltung lassen sich hohe Milchleistungen erreichen. Vielmehr als das Haltungssystem entscheidet das betriebliche Management.
Grasende Kühe auf der Weide. Das Idealbild, zumindest nach Meinung der Verbraucher. Aber punktet die Weide tatsächlich bei Tiergesundheit und Tierwohl? Und wie sieht es gegenüber dem Stall mit ihrer Wirtschaftlichkeit aus? Um diese Fragen beantworten zu können, verglichen Wissenschaftler der Universität Bonn und der Humboldt-Universität Berlin die Daten von acht norddeutschen Milchkuhbetrieben.
Tierwohl zweimal jährlich bewertet
Für die Untersuchung wurden Betriebe in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen gesucht, die mehr als 100 Holsteinkühe managen, eine Milchleistung von mehr als 8.000 kg realisieren und ihre Kühe im Boxenlaufstall halten. Anhand dieser Kriterien wurden acht Betriebe ausgewählt. Zwei von ihnen halten ihre Kühe nur im Stall, vier lassen die Kühe halbtags und einer stundenweise auf die Weide. Auf einem der Versuchsbetriebe dürfen die Kühe den ganzen Tag ins Grüne (Übers. 1). Zur Datenauswertung wurden pro Jahr fünf Monate Weide- und vier Monate Stallsaison herangezogen, um nur den tatsächlichen Weidegang bzw. die reine Stallhaltung im Winter zu beurteilen.
Zwischen den Jahren 2014 und 2016 erhob zweimal pro Jahr, jeweils am Ende der Sommer- sowie der Wintersaison, dieselbe Person tierbezogene Daten (in Anlehnung an das Welfare Quality Assessment Protocol). Dazu gehörten beispielsweise die Körperkondition, der Verschmutzungsgrad sowie das Vorhandensein von Lahmheiten. Um die Daten nicht durch Tage mit extremen klimatischen Gegebenheiten zu verzerren, wurden Tage, an denen eine Regenmenge über 10 l/Tag bzw. eine Durchschnittstemperatur unter 5°C oder über 30°C auftrat, aus der Auswertung ausgeschlossen. Die Basis für die ökonomische Analyse bildeten die Jahresabschlüsse und, soweit vorhanden, die Betriebszweigauswertungen. Den Arbeitszeitbedarf beurteilten die teilnehmenden Milchkuhhalter anhand eines Fragebogens. Letztlich führten die Wissenschaftler eine Effizienzanalyse (Data Envelopment Analyse) durch. Die hierbei errechnete „technische Effizienz“ (TE) gibt an, inwieweit der Input (z.B. Futter,…) reduziert werden kann, wenn der gegebene Output gleich bleibt (z.B. Milchleistung,…). Der Wert bewegt sich in einem Bereich von 0 bis 1, wobei 1 einen vollständig effizienten Betrieb zeigt, der seinen Input nicht weiter zurückschrauben kann, ohne den Output zu verschlechtern.
Mehr Azidosen bei grasenden Kühen
Gesundheit: Die Zellzahlen lagen in den Weidebetrieben im Schnitt etwas höher als bei den reinen Stallbetrieben (227.400 vs. 201.200 Zellen/ml Milch).
Als Indikator für mögliche subklinische Pansenazidosen bzw. subklinische Ketosen wurde der Fett-Eiweißquotient (F/E) in den MLP-Proben herangezogen. In den Sommermonaten zeigten die Kühe auf der Weide einen um 6,1 Prozentpunkte (10,8 vs. 16,9% der gesamten Herde) höheren Anteil mit subklinischer Azidose (F/E≤1). Dies liegt vermutlich an der Attraktivität von frischem, strukturarmem Weidefutter für die Kühe.
Bei den Anzeichen für subklinische Ketose (F/E ≥1,5) konnten in der Weidesaison hingegen keine Unterschiede zwischen den beiden Haltungssystemen ausgemacht werden. Auf Weidenutzungsbetrieben stieg der Anteil der betroffenen Kühe in der Winterperiode jedoch an und lag dann um 2,4 Prozentpunkte über dem Durchschnittswert der Stallbetriebe.Bei allen Betrieben nahm im Sommer der Prozentsatz an Kühen mit einem erhöhten Milchharnstoffgehalt zu. Allerdings stieg der Milchharnstoffgehalt der Weidekühe mit 10,6 Prozentpunkten deutlich stärker als in der Milch der Stallkühe (+5,0 Prozentpunkte).
Die Weidebetriebe wiesen weniger Abgänge aufgrund von Eutererkrankungen auf. Wegen Fruchtbarkeitsstörungen gingen in beiden Systemen gleich viele Kühe ab. Klauenerkrankungen (Übers. 2) waren auf den Weidebetrieben etwas häufiger der Grund dafür, dass die Kühe den Betrieb verlassen mussten.
Weide: Weniger Hautläsionen
Tierwohl: Im Winter legten die Kühe in allen Betrieben ähnliche Werte bei Verschmutzungen, Körperkondition, Nasen- sowie Augenausfluss und Durchfällen an den Tag. Im Sommer zeigten sich bei der Körperkonditionsbewertung (Body Conditioning Score) vergleichbare Werte zwischen der Weide- und der reinen Stallfütterung (Übers. 4). Bei beiden Gruppen vergrößerte sich der Anteil unterkonditionierter Kühe um ca. sieben Prozentpunkte auf ca. 30% der Herde. Die Verschmutzung der Tiere nahm bei Weide ab, ebenso die Zahl an Kühen mit Hautverletzungen und geschwollenen Gelenken. Zudem lahmten bei Weidehaltung weniger Kühe. Im Winter neutralisierten sich jedoch diese Regenerationseffekte. Während der Weideperiode waren die Kühe unterschiedlich aktiv. So bewegten sie sich beim Grasen ausgeprägter (um 45,9% höhere Aktivität). Im Schnitt zeigten die Kühe bei reiner Stallhaltung sowohl im Winter als auch im Sommer etwas geringere Liegezeiten pro Tag als die Kühe mit Austrieb.
Alle arbeiten gleich lange
Wirtschaftlichkeit: Die Herden der Weidebetriebe waren kleiner als die der Stallbetriebe und gaben im Schnitt auch weniger Milch (9.034 kg vs. 9.691 kg). Die Nutzungsdauer war mit 2,7 Laktationen (Weide) bzw. 2,6 Laktationen (Stall) nahezu vergleichbar. Gemittelt über die Wirtschaftsjahre zeigte sich, dass die Weidebetriebe insgesamt geringere Aufwendungen hatten (Übers. 3). Beim Arbeitszeitbedarf wurden folgende Tätigkeiten begutachtet: Stallarbeiten, Fütterung, Melken, Weidearbeiten, Buchführungs- und Sonderarbeiten. Bei den Fütterungs- und Buchführungsarbeiten ließen sich keine Unterschiede feststellen. Das Melken nahm in allen Betrieben am meisten Arbeitszeit in Anspruch (Übers. 5). Insgesamt war der Aufwand für Weidearbeiten eher gering, schwankte aber zwischen den Betrieben. Entgegen der allgemeinen Einschätzung zeigten sich nicht nur Betriebe mit Vollweide arbeitswirtschaftlich konkurrenzfähig, sondern auch Teilweidebetriebe, die über günstige Voraussetzungen, wie z.B. arrondiertes Grünland verfügten. Der Aufwand für die Stallarbeiten fiel, wie zu erwarten, bei den Weidebetrieben geringer aus. Damit hob sich der Mehraufwand für die Weide nahezu auf, sodass die gesamte Arbeitszeit zwischen Stall- und Weidebetrieben vergleichbar war.
Für die Effizienzanalyse wurden folgende Inputfaktoren herangezogen: Arbeitserledigung, Futterzukauf, Tierarzt und Besamung. Als Output wurde die Milchmenge berücksichtigt. Im Mittel wiesen die Weidebetriebe eine um 5,3% höhere technische Effizienz (TE) als die Stallbetriebe auf (TE Weide 0,888; TE Stall 0,834), wenngleich die Unterschiede nicht sehr ausgeprägt sind. Eine pauschale Aussage, ob Weide- effizienter als Stallbetriebe sind, kann, aufgrund der geringen Anzahl an Betrieben, jedoch nicht getroffen werden.
Fazit: Die insgesamt hohe Leistung zeigt, dass Weide und hohe Leistungen nicht per se einen Widerspruch darstellen. Das Leistungsniveau wird mehr durch das Management bestimmt. Nutzungsdauer sowie Reproduktionsrate werden allein durch die Weide nicht verbessert. Aber die Weide birgt in puncto Tierwohl (Hautläsionen,…) deutliche Vorteile.-os-