Im Elbe-Weser-Dreieck überlegen bis zu 40% der Milcherzeuger, die Produktion einzustellen. Elite sprach mit Spezialberater Claus Schnakenberg über die Situation im „Grünen Dreieck“.
In Ihrem Beratungsring wollen von den 81 Milchkuhbetrieben, die Sie in einer langfristigen Analyse ausgewertet haben, rund 40% die Milchproduktion aufgeben, trotz einer Herdengröße von 200 Kühen. Rund 23% der Milcherzeuger sind wohl entschlossen, in den kommenden fünf bis acht Jahren die Stalltore...
Im Elbe-Weser-Dreieck überlegen bis zu 40% der Milcherzeuger, die Produktion einzustellen. Elite sprach mit Spezialberater Claus Schnakenberg über die Situation im „Grünen Dreieck“.
In Ihrem Beratungsring wollen von den 81 Milchkuhbetrieben, die Sie in einer langfristigen Analyse ausgewertet haben, rund 40% die Milchproduktion aufgeben, trotz einer Herdengröße von 200 Kühen. Rund 23% der Milcherzeuger sind wohl entschlossen, in den kommenden fünf bis acht Jahren die Stalltore endgültig zu schließen. Bei weiteren 17% ist es ungewiss, ob sie auch in Zukunft noch melken werden. Das klingt eher nach einem Strukturbruch als nach einem Strukturwandel. Wie ist so etwas in einer der intensivsten Milchregionen Europas möglich?
Schnakenberg: Oft fehlt in den aufgebenden Milchkuhbetrieben ein Hofnachfolger oder aber die junge Generation nimmt die „Arbeitsplatzbeschreibung“ Familienbetrieb nicht an. Hinzu kommt, dass einige Standorte nicht konfliktfrei sind, Entwicklungsmöglichkeiten nicht mehr gegeben sind. Auch scheut so mancher Betriebsleiter wegen der zu geringen Rentabilität davor zurück, Fremdkapital in größerem Umfang aufzunehmen. Zumal die steigenden Pachtpreise dazu führen, dass besonders Landwirte mit einem nennenswerten Anteil an eigener Fläche, nicht mehr auf die Einnahmen aus der Milchproduktion angewiesen sein werden.
Bislang war es immer so, dass die Flächen und Kühe eines aufgebenden Betriebes von den Nachbarn übernommen wurden. Das hat in den letzten Jahren zu einem deutlichen Herdenwachstum geführt. Die Milchproduzenten gehen, die Kühe bleiben…
Schnakenberg: Wachstumsschritte sind kaum noch realisierbar, die meisten Standorte sind „ausgereizt“, quasi nicht mehr entwicklungsfähig. Eine Baugenehmigung für einen größeren Kuhstall zu erhalten, ist kaum noch möglich. Sicherlich wird der ein oder andere Milcherzeuger darüber nachdenken, einen Stall in der Nachbarschaft zu übernehmen und als Satelliten weiter zu bewirtschaften. Aber den Sprung von 300 auf 600 Kühe haben heute die allerwenigsten Betriebsleiter im Kopf. Vor allem die jüngeren Landwirte denken heute anders. Während vor zehn Jahren noch die Verdoppelung der Kuhherden angesagt war, steht heute die Erhöhung der Wertschöpfung im Vordergrund.
Rund 60% der Milcherzeuger wollen trotz aller Widrigkeiten, wie zum Beispiel den geringen Milchpreisen und den immer neuen Auflagen, weiter melken. Auffällig ist, dass diese Unternehmen bei den Banken recht ordentlich, im Mittel mit 1,35 Mio. €, in der Kreide stehen. Sind diese Milcherzeuger zum Weitermelken verdammt?
Schnakenberg: Nein, diese Unternehmer vertrauen auf ihre Stärken. Sie verfügen über eine gute Produktionstechnik und erreichen in der Regel überdurchschnittliche Betriebsergebnisse. Oftmals wirtschaften auch bereits zwei Generationen miteinander auf einem Betrieb. Gerade die jüngeren, gut ausgebildeten Betriebsleiter sind sehr ehrgeizig, sie verzweifeln nicht so schnell. Sie versuchen vielmehr die Herausforderungen, die sich aus den steigenden Anforderungen wie zum Beispiel der DüngeVO ergeben, unternehmerisch zu meistern.
Aber dennoch haben die von Ihnen beratenen Milcherzeuger in den letzten zehn Jahren ihre Gewinne nicht steigern können. Während der vergangenen fünf Jahre haben sie sogar an Eigenkapital eingebüßt, also Substanz verloren. Trotz all dem Optimismus, den die jungen Milcherzeuger mitbringen, scheint die wirtschaftliche Situation doch sehr angespannt.
Schnakenberg: Ja, das ist leider so. Die Margen sind nun mal sehr eng. Bei einem durchschnittlichen Milchvolumen von 1,8 Mio. kg können bereits Abschläge von zwei bis drei Cent beim Milchgeld den Unterschied zwischen Himmel und Hölle ausmachen. Das ist vielen noch immer nicht klar! Die meisten Milcherzeuger werden nicht noch einmal zwei bis drei Jahre mit Auszahlungsleistungen der Molkereien klar kommen (wollen), die unter dem einzelbetrieblich benötigten Mindestmilchpreis von aktuell etwa 34 bis 36 Cent liegen.
Das klingt ja nicht sehr optimistisch!
Schnakenberg: Das gute Wirtschaftsjahr 2017/18 hat leider nicht gelangt, um ausreichend Reserven anlegen zu können, um die in den Vorjahren entstandenen Löcher stopfen zu können. Der Lack ist schon wieder runter! Zumal vielerorts noch Geld für Hofbefestigung, Entwässerung, Wasser- und Güllelagerung in die Hand genommen werden muss. Nicht selten kosten diese aufwändigen Investitionen bis zu zwei Cent pro Liter Milch!
Werden wir uns in den kommenden Jahren auf einen sich drastisch verschärfenden Strukturwandel einstellen müssen?
Schnakenberg: Den Strukturwandel hat es immer schon gegeben, das ist ein ganz natürlicher Prozess. Neu ist allerdings, dass eine weitere Milchpreiskrise oder neue behördliche Auflagen viele Betriebsleiter auch kurzfristig zur Aufgabe der Milchproduktion bewegen könnten. Die wirtschaftliche Situation ist ernster als von außen sichtbar! Da weitere Wachstumsschritte kaum noch möglich sind, hängt künftig alles davon ab, ob es den Unternehmern gelingt, höhere Wertschöpfung am Markt zu erzielen und die Kosten im Griff zu behalten – insbesondere durch Verbesserungen in der Produktionstechnik.
Schnakenberg: Den Strukturwandel hat es immer schon gegeben, das ist ein ganz natürlicher Prozess. Neu ist allerdings, dass eine weitere Milchpreiskrise oder neue behördliche Auflagen viele Betriebsleiter auch kurzfristig zur Aufgabe der Milchproduktion bewegen könnten. Die wirtschaftliche Situation ist ernster als von außen sichtbar! Da weitere Wachstumsschritte kaum noch möglich sind, hängt künftig alles davon ab, ob es den Unternehmern gelingt, höhere Wertschöpfung am Markt zu erzielen und die Kosten im Griff zu behalten – insbesondere durch Verbesserungen in der Produktionstechnik.
Das Interview führte Elite-Redakteur Gregor Veauthier