Große Eiweißlücke in der EU

Rund 80 % des Proteinpflanzenbedarfs werden importiert. Daher fordert das Europaparlament eine Ausweitung des Anbaus von Proteinpflanzen und eine Sicherstellung von Soja-Importen aus Drittländern. Außerdem soll das Fütterungsverbot tierischer Proteine aufgehoben werden – zumindest für geeignete Schlachtreste.

Das Europaparlament fordert die Europäische Kommission dazu auf, eine konsequente Politik zur Förderung des Eiweißpflanzenanbaus zu verfolgen. Das Parlament verlangt geeignete Maßnahmen, um die lokale Erzeugung gegenüber Importen zu begünstigen, unter anderem durch die Förderung kurzer Lieferketten ohne gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und eine zertifizierte Produktion. Auch die Eiweißpflanzenforschung soll vorangebracht werden: Die Zahl der Projekte sei von 50 im Jahr 1980 auf nur noch 15 im vergangenen Jahr gesunken, heißt es in dem Bericht. Darüber hinaus wird die Kommission aufgefordert, die Auswirkungen von Handelsabkommen zu prüfen, die die Einfuhr von pflanzlichem Protein aus Drittländern begünstigen.

Frankreich und Großbritannien vorn

Eiweißlücke

(Bildquelle: Elite Magazin)

Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen Fraktion, hob das Ausmaß der Eiweißlücke hervor: 80 % des Proteinpflanzenbedarfs würden importiert. Das entspreche einer Fläche von 20 Mio. ha, die die EU in anderen Ländern, vor allem in Brasilien und Argentinien, für ihre Fleischproduktion nutze. In Europa selbst sei hingegen die Produktion unter einen absolut kritischen Wert gefallen.
Laut Schätzungen der EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA) wurden Körnerleguminosen im vergangenen Jahr nur noch auf 1,14 Mio. ha in den „alten“ EU-Mitgliedstaaten (EU-15) angebaut. Die Gesamtproduktion der EU-15 an Eiweißpflanzen belief sich auf etwa 3,3 Mio. t an Erbsen, Ackerbohnen und Lupinen. Damit konnte nur ein Bruchteil des EU-Bedarfs an Futtereiweiß gedeckt werden. Zum Vergleich: Das US-Landwirtschaftsministerium rechnet für die Europäische Union insgesamt im aktuellen Wirtschaftsjahr 2010/11 mit Sojabohnenimporten im Umfang von 14,0 Mio. t. Hinzu kommen prognostizierte Einfuhren von Sojaschrot von mehr als 20 Mio. t.

Nulltoleranz ist Importverbot

Christdemokraten und Liberale forderten zudem die Lockerung der Nulltoleranz. Die Einführung einer zulässigen Vermischungsschwelle von 0,1 % wurde bereits Ende Februar im Verwaltungsausschuss angenommen. Das begrüßte die FDP-Agrarexpertin Britta Reimers. Eiweißpflanzen, vor allem Soja, seien in der Tierfütterung aus ernährungsphysiologischer Sicht von elementarer Bedeutung. Landwirte in der EU bauten jedoch nicht genug Proteinpflanzen an. Dieses Defizit müsse durch Importe ausgeglichen werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Spuren von GVO könne man dabei nicht ausschließen, da sich der Anbau von transgenen Pflanzen außerhalb Europas immer weiter ausdehne. Die bislang praktizierte Nulltoleranz komme daher einem Importverbot gleich und müsse durch minimale technische Schwellenwerte ersetzt werden.

Verfütterungsverbot aufheben

Hinsichtlich einer Lockerung des Verfütterungsverbots tierischer Proteine wurde die Formulierung in der Schlussfassung deutlich verschärft: Die Kommission soll einen Rechtsvorschlag vorlegen, durch den die Verwendung von Schlachtabfällen für die Herstellung von Futtermitteln für Schweine und Gefügel erlaubt wird, „wenn diese Bestandteile von Fleisch stammen, das für den menschlichen Verzehr zugelassen worden ist, und wenn das Verbot der Wiederverwendung innerhalb der Artengrenze und des Zwangskannibalismus voll und ganz umgesetzt und überwacht wird“.
CDU-Europaabgeordnete Christa Klaß sprach sich für eine Lockerung des Verfütterungsverbots tierischer Proteine aus. „Wir können es uns nicht leisten, die wertvollen Eiweißquellen aus Fleisch- und Knochenmehl weiterhin zu vernichten, nur weil entsprechende Regeln fehlen, um den einwandfreien Umgang mit diesen Produkten nachhaltig zu organisieren“, so die Christdemokratin.

Mehr Förderung verlangt

Eiweißlücke

(Bildquelle: Elite Magazin)

Als Reaktion auf die politischen Forderungen des Europaparlaments fordert die Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP) in Deutschland eine höhere Förderung des Anbaus von Körnerleguminosen. Die EU-Eiweißpflanzenprämie der Ersten Säule in Höhe von 55,57 €/ha habe in der Vergangenheit bei weitem nicht ausgereicht, um den negativen Trend beim Anbau von Körnerleguminosen aufzuhalten. Die Agrarumweltprogramme der Zweiten Säule stellten zwar für Eiweißpflanzen in Deutschland einen Anreiz dar, würden jedoch nur von wenigen Bundesländern angeboten, so dass dieses Instrument bislang nicht ausreichend wirke, kritisierte die UFOP.

Aktion für bayerische Eiweißfuttermittel gestartet

Das vor zwei Monaten angekündigte Aktionsprogramm, mit dem der Anbau von Eiweißpflanzen in Bayern gesteigert werden soll, ist von Landwirtschaftsminister Helmut Brunner am Dienstag vergangener Woche gestartet worden. Die Schwerpunkte des Programms liegen auf der Intensivierung der Forschung in Bereichen wie Pflanzenbau, Züchtung und Fütterung sowie auf einer Beratungs- und Informationsoffensive. Geplantes Ziel ist es, den Import von jährlich 800.000 t Sojafuttermitteln aus Übersee für Rinder, Schweine und Geflügel deutlich zu verringern. Bei der Rinderfütterung wird eine Halbierung der Importe auf 200.000 t angestrebt, in der ökologischen Tierhaltung soll der Eiweißbedarf sogar komplett aus heimischer Erzeugung gedeckt werden. Dazu ist kurzfristig eine Verdopplung der bayerischen Anbaufläche für Sojabohnen auf rund 5.000 ha vorgesehen. Zur Umsetzung des Programms stellt der Freistaat in den kommenden zwei Jahren insgesamt 2 Mio. Euro aus der Zukunftsinitiative „Aufbruch Bayern“ zur Verfügung.