Den richtigen Melkroboter finden

Die Auswahl an automatischen Melksystemen ist groß. Einzelbox, Mehrboxenanlage, Karussell, neu oder gebraucht? Melken können alle – auf die „weichen Faktoren“ kommt es an.

Immer mehr Milchkuhbetriebe setzen auf automatisches Melken. Familienbetriebe erhoffen sich mehr Flexibilität bei der Arbeit, entspanntere Kühe und mehr Leistung. Für große Betriebe spielt darüber hinaus die zunehmend schlechte Verfügbarkeit von Personal eine Rolle. Auch möchten sie die schwere körperliche Belastung langer Melkschichten senken. Grundsätzlich lassen sich die genannten Ziele mit Melkrobotern erreichen. Doch bevor Sie in automatisches Melken investieren, sollten Sie sich die Frage stellen: Bin ich überhaupt der Typ für Roboter?

Der Alltag ändert sich

Klar ist: Mit Einzug eines oder mehrerer automatischer Melksysteme (AMS) ändert sich der Alltag grundlegend. Natürlich ist man flexibler, kann den Stallrundgang zu einer anderen Uhrzeit durchführen als gewohnt, wenn etwas dazwischenkommt. AMS erzeugen eine Menge Daten, deren Auswertung viel mehr über eine Herde verrät als ein Standard-Melkstand mit Abnahmeautomatik. AMS heißt aber auch:

  • Computerarbeit: Alarmlisten prüfen, Einstellungen und Leistung überwachen.
  • Selbstdisziplin: Man hat die Kühe nicht mehr zweimal am Tag „vor Augen“. Kranke Kühe früh zu finden, bedarf daher viel Konsequenz und Zeit im Stall (Hinweise aus dem Programm überprüfen, Kühe suchen und anschauen, allgemeine Tierkontrolle). Auch die Kontroll- und Wartungsintervalle müssen genau eingehalten werden, damit die Technik läuft.
  • Hygiene: Viel mehr Kühe teilen sich einen Melkplatz. Daher steigt der Reinigungsaufwand. Auch Liegeboxen und Laufgänge müssen penibel saubergehalten werden (obwohl die Reinigung durch den ständigen Kuhbesatz schwieriger wird), denn saubere Zitzen vereinfachen das Melken für das AMS deutlich und sichern die Eutergesundheit ab.
  • Fütterung umstellen: Die Kühe müssen freiwillig zum Melken laufen. Wie die Ration gestaltet ist und welcher Kraftfutteranteil im Roboter oder am Futtertisch gefüttert wird, beeinflusst dies grundlegend. Wer nicht bereit ist, seine Fütterung von der Voll-TMR auf das neue System umzustellen und regelmäßig anzupassen, wird die Möglichkeiten des Robotermelkens nicht ausschöpfen.
  • Verfügbarkeit: Es muss immer jemand erreichbar sein, der sich mit den Robotern auskennt. Daher sollten sich mindestens zwei Personen einarbeiten, damit aus der erhofften Flexibilität keine Abhängigkeit wird.
  • Es geht nicht ohne Ansprechpartner: Glücklich mit AMS wird nur, wer einen kompetenten und vertrauensvollen (!) Servicepartner hat, der bei Störungen schnell reagieren oder weiterhelfen kann. Dazu müssen Sie bereit sein, diesen Service auch zu bezahlen.
  • Wirtschaftlichkeit: Robotermelken ist teures Melken (Strom, Wartung etc.). Die Wirtschaftlichkeit hängt entscheidend von der erzeugten Milchmenge ab und davon, wie viel Arbeitskraftstunden eingespart werden. Daher genau durchrechnen!

Neu oder gebraucht?

Es muss nicht zwangsläufig ein neues AMS sein. Ein gebrauchter Melkroboter kann Kosten sparen, z.B. bei einer Bestandsaufstockung. Melkroboter werden in den meisten Fällen über zwölf Jahre abgeschrieben. In der Praxis halten die Geräte oft länger. Während neue Roboter meist zwischen 100.000 und 150.000 € kosten (eine Box), beläuft sich ein gebrauchtes AMS auf rund 30.000 bis 40.000 €. Dazu kommen Kosten für Aufbereitung, Ersatzteile, Montage und Transport.

Obwohl bewährte Modelle meist keine „Kinderkrankheiten“ mehr haben, steigen bei älteren Robotern die Reparaturkosten an. Ob sich ein gebrauchter Melkroboter für Sie lohnt, sollten Sie in Hinblick auf die kürzere Restnutzungsdauer im Vergleich zu einer neuen Maschine (Abschreibungen) und dem Ausfallrisiko bewerten.

Was muss ich beim Kauf beachten?

Privatpersonen, Hersteller oder externe Firmen verkaufen aufbereitete Melkroboter. Beim Kauf sollten Sie Folgendes beachten:

  • Der Anschaffungspreis ist nur „die halbe Wahrheit“. Besonders bei einem privaten Handel Kosten für Transport und Montage einberechnen! Da es bei einem Privatverkauf keine offizielle Gewährleistung oder Garantie gibt, ist ein Vertrag zwischen den Landwirten zu empfehlen. Außerdem sollte man den Melkroboter zuvor im Herkunftsbetrieb begutachten und kontrollieren, im Idealfall zusammen mit dem Unternehmen, das später auch den Service übernimmt. Schäden und Verschleiß werden häufig aber erst auf dem Prüfstand deutlich, Risiken sind somit schwierig zu kalkulieren.
  • Beim Kauf über Hersteller, Aufbereitungsfirmen oder Händler funktionieren die Maschinen, sind im Vergleich zu neuen AMS durch die Aufbereitung allerdings noch relativ teuer. Eine Aufbereitung umfasst Reinigung, Reparatur, Überarbeitung, Software-Updates sowie den Austausch von Ersatzteilen. Hinzu kommt, dass individuelle Wünsche bei einer Generalüberholung berücksichtigt werden können und fast immer eine Garantie gewährt wird.
  • Achten Sie auf Hygiene: Der gesamte Melkroboter muss gründlich gereinigt und desinfiziert werden (neue Zitzengummis einziehen), bevor er im neuen Betrieb eingebaut wird. Vorsicht: Investitionsförderung entfällt beim Kauf einer Gebrauchtmaschine!

Große Herden automatisch melken

Das Beratungsunternehmen KoeslingAnderson schätzt, dass ab einer Herdengröße von 500 Kühen die Vorteile des zentralen automatischen Melkens an Bedeutung gewinnen. Zentral heißt: Die Kühe leben in konventionellen Ställen und werden in einem Melkzentrum automatisch gemolken. Dadurch, dass die Kühe zwei bis dreimal pro Tag aktiv zum Melken getrieben werden, können die Betriebe das bewährte Management (Leistungsgruppen, TMR-Fütterung) beibehalten.

Lemmer Fullwood ordnet dazu einzelne Roboter sternförmig an. GEA und DeLaval setzen auf ein vollautomatisches Karussell: GEA melkt mit einem Robotermodul pro Platz auf einer Karussell-Plattform. DeLaval bewirtschaftet die Melkplätze des Innenmelkers von unten mit Reinigungs-, Ansetz- oder Dipprobotern. Hierdurch entfällt die typische Melkarbeit. Für auffällige Kühe sowie die Kontrolle der Technik ist Fachpersonal erforderlich. Daten vorzuselektieren und gezielte Einzeltierkontrolle gewinnen an Bedeutung. Auch beim dezentralen Melken (eine oder mehrere Roboterboxen pro Stallgruppe) sollte jede Gruppe von einer Person betreut werden können.

Grundausstattung ähnlich…

Melkroboter existieren seit mehr als 25 Jahren. Auch, wenn nicht alle Hersteller auf eine so lange Erfahrung zurückblicken können: Das Melken funktioniert. Technisch ist es bei allen Modellen möglich, die empfohlenen Melkungen und Milchmengen pro Tag zu erreichen. Bei allen Herstellern lassen sich zudem Sensoren einbauen, die neben Milchmenge, Leitfähigkeit und Farbveränderungen (Blut) auch Zellzahl oder Milchinhaltsstoffe messen.

Technisch unterscheiden sich Ansetzarme, Systeme zur Zitzenerkennung und die Art der Reinigung sowie der Stimulation (im Melkbecher oder mit gesonderten Bürsten/Vormelkbecher). Als wirksame Zwischendesinfektion stehen Dampf oder Peressigsäure zur Verfügung. Auch die Kraftfutterfütterung mit drei bzw. vier Sorten und Flüssigfütterung ist möglich. Alle Hersteller geben an, einen Weidebetrieb ermöglichen zu können.

Die monatliche Milchkontrolle geschieht über Milchprobenentnahmegeräte, die aber nicht im Lieferumfang enthalten sind. Die Kosten betragen mehrere Tausend Euro. Daher kann es sich lohnen, gemeinsam mit einem Nachbarn in ein solches Gerät zu investieren. Einige Landeskontrollverbände verleihen die Geräte, halten aber meist nur das am häufigsten vertretene Modell vor.

... persönliche Vorlieben entscheiden

Bei der Wahl eines AMS kommt es letztlich auf die betriebsindividuellen Schwerpunkte an:

  • Software: Wie bereitet das Herdenmanagementprogramm die anfallenden Daten auf? Gibt es bereits eine App, um über das Smartphone auf die Daten zugreifen zu können? Wie komfortabel ist diese aufgebaut?
  • Positionierung im Stall: Welcher Zutrieb passt zum Stallgrundriss? Boumatic setzt von hinten an, alle anderen Geräte von der Seite. Bei Lely betreten die Kühe die Box gerade, bei Lemmer Fullwood und GEA sind gerade Ein- bzw. Austriebe möglich. Die anderen Hersteller setzen auf seitliche Ein- und Ausgänge, Boumatic auch beidseitig. Größe und Gewicht der Modelle variieren (gegebenenfalls wichtig bei Stallumbau).
  • Aussehen der Herde: Wie einheitlich sind die Euter? Meist funktioniert das Ansetzen. Doch in den Grenzbereichen gibt es Unterschiede. Wer sehr uneinheitliche Kühe hat und nicht „durchsortieren“ will, sollte hier nachfragen.
  • Kuhverkehr: Lässt sich der Kuhverkehr auf die eigenen Bedürfnisse und Wünsche anpassen? Gerade zum Ende der Laktation müssen Kühe häufig nachgetrieben werden, während im ersten Laktationsdrittel der ungehinderte Zugang zum Grundfutter entscheidend ist. Lösen lässt sich dies z.B. mit elektronischen Durchgangstoren und individuell eingestellten Berechtigungen für die Kühe. Lely, System Happel und Boumatic empfehlen freien Kuhverkehr, andere Hersteller legen sich nicht fest und bieten alle Systeme nach Kundenwunsch an.
  • Reinigungsdauer: Sinnvoll ist es, den Roboter nicht bis an die Kapazitätsgrenze auszulasten bzw. den Kuhbesatz abhängig von der Milchleistung und der Anzahl der Besuche zu wählen. Wer entgegen der Empfehlung knapp auf Kante melken will, muss die Reinigungsdauer beachten.
  • Stromverbrauch und Lärmkulisse: Ist Milcherzeugern Ruhe im Stall wichtig, kann die Lautstärke der Roboter eine Rolle spielen. Diese schwankt beim Melken zwischen 52 (DeLaval) und 70 Dezibel (Boumatic, Lely). Tipp: Für viele Modelle liegen DLG-Tests vor, die den Strom- und Wasserverbrauch der Geräte beurteilen.
  • Erweiterung: Wie möchte man erweitern? Bei Lely können sich zwei AMS, bei GEA drei Boxen eine Versorgungseinheit teilen. Bei Happel lässt sich die Einzelbox zur Doppelbox umbauen. Boumatic bietet ebenfalls eine Doppelbox an.
  • Kompatibilität: Lassen sich evtl. vorhandene Technik oder Stalleinrichtung einbinden? Die meisten Modelle verfügen über eine ISO-Kopplung.
  • Kundenorientierung/Service: Fixe Preise für Melkboxen, Zubehör und Serviceleistungen gibt kaum ein Hersteller an. Daher besteht Spielraum für Verhandlungen! Achten Sie auch darauf, wie die Anbieter Ihre Bedürfnisse berücksichtigen und ob die gesamte Ausstattung (z.B. auch Eimer für die Kälbermilch) nachkaufbar sind! Außerdem sollten Sie Schulungen für mindestens zwei Personen in den Kaufvertrag aufnehmen. Hinweis: Für Witterungsbedingungen oder Stromausfälle fühlen sich die Hersteller nicht zuständig. Frostfreiheit z.B. muss durch den Landwirt gewährleistet werden. Fragen Sie genau nach, welche Voraussetzungen Sie als Kunde schaffen müssen!

Die richtigen Fragen stellen

Automatisches Melken bietet Chancen, schon für die Kuh: Einheitliche Melkroutine, viertelbezogenes Melken, informative Datenerfassung auf Viertelebene, immer gleicher Umgang mit ihnen. Doch einen „Testsieger“ gibt es nicht. Interessierte müssen weiterhin losfahren, sich die Modelle auf Messen und in der Praxis anschauen. Fragen Sie andere Milcherzeuger nach Erfahrungen, erleben Sie das Gerät mit allen Sinnen:

  • Wie gefällt mir das Melken? Wie schnell setzt der Roboter an? Hat eine typische Kuh aus meiner Herde genügend Platz in der Melkbox?
  • Wie gefällt mir die Software? Erkenne ich auf einen Blick alle wichtigen Informationen? Wie sieht die mobile Lösung auf dem Smartphone aus?
  • Auf welche Sensoren im AMS kann man sich verlassen, welche Werte schwanken stark? Was hat der Landwirt nach dem Kauf noch nachgerüstet?
  • Lässt sich das AMS gut reinigen oder liegen empfindliche Kabel frei? Steht irgendwo Wasser, weil Abflüsse fehlen? Schauen Sie in die Ecken!
  • Wie zugänglich ist das AMS? Gibt es ungesicherte Bauteile, die zuschlagen und Kinder verletzen könnten?
  • Gibt es verlässliche Servicepartner? Melken können sie alle. Auf die Details und individuellen Vorlieben und noch viel mehr aufs tägliche Management kommt es an, ob der Roboter nachher im Stall funktioniert!


Mehr zu dem Thema