Elite 5/2016: Technik

Die Luft muss wieder raus

Immer mehr Ställe werden per Schlauchbelüftung mit Frischluft versorgt. Jetzt rücken vermehrt die Kühe in den Blickpunkt. Lesen Sie hier Berichte von Betrieben mit ersten "Langzeiterfahrungen" Im Kuhstall!

Wichtig ist, dass die Schläuche genau in der Höhe und Position aufgehangen werden, für die sie auch berechnet wurden. Je nach Stallgeometrie und Wandbeschaffenheit ist ein Wanddurchbruch für den Ventilator oder eine „kreative“ Aufhängung erforderlich. Das reine Aufhängen des Schlauches hingegen geht rasch. Die Kosten belaufen sich auf 150 bis 300 €/lfd. m, ca. 900 Euro für den Ventilator und 300 bis 400 Euro für die Steuerung.
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Betrieb Wegmann: Mehr Besuche an heißen Tag, mehr Milch im alten Stall

Jürgen Wegmann

(Bildquelle: Elite Magazin)

Ein Sommertag im Juli 2016: Die Sonne knallt vom Himmel, es ist gut 30 Grad heiß und schwül. Später soll es noch gewittern, die Wolken beginnen bereits turmhohe, dunkle Gebilde am Himmel zu bauen. Jürgen Wegmann betritt gemeinsam mit mir den 1982 gebauten Stall. „Puh“, denke ich. „die armen Kühe. Für genau dieses Wetter sind sie nicht gemacht.“ Gleichzeitig realisiere ich, was die Hersteller der Lüftungsschläuche meinten, als sie mir den Unterschied zwischen Kühlung und Frischluftzufuhr im Stall erklärten. Kühler ist es bei den Außentemperaturen im Stall nicht – die Kühe profitieren trotzdem.
Warum das so ist, kann man gerade auf dem Betrieb Wegmann gut beobachten. An den alten, 1982 erbauten Laufstall wurde 2012 ein neuer, moderner Laufstall angebaut. In der Mitte melken zwei Lely-A4-Roboter im Gehäuse des ehemaligen Melkstands je eine der beiden Tiergruppen. Die Gruppen (insgesamt 130 Kühe) sind nicht nach Leistung eingeteilt, sondern „zufällig“ zusammengestellt und werden mit der gleichen Ration gefüttert.
Im Rahmen des Neubaus hat Jürgen Wegmann eigentlich geplant, das Dach im alten Stall durch ein neues zu ersetzen. Es sollte isoliert sein, um an heißen Tag das Aufheizen zu vermeiden. Doch der Stall ist niedrig gebaut und weist nur ein geringes Luftvolumen auf. Daher entschied er sich durch einen Ratschlag seines Tierarztes stattdessen für den Einbau einer Schlauchbelüftung im alten Stalltrakt. Schon seit vier Jahren belüftet ein Schlauch den Kälberstall. „Damit bin ich eigentlich zufrieden, die Kälber sind gesünder. Aber der Ventilator ist zu laut. Daher bin ich etwas kritisch an das neue System herangegangen.“ Im Sommer 2015 wurde dann im Kuhstall ein Schlauch installiert (Wert: 8.000 €), der neben den Liegeboxen auch den Fressgang mit 1,1 bis 1,5 m/s belüftet. Schon nach wenigen Tagen gab es auch im Sommer ’15 eine Phasen mit hohen Temperaturen. „Die Kühe verteilen sich besser im Stall. Im neuen Stall ohne Schlauch stehen immer alle geknubbelt um ein offenes Stalltor. Zudem hecheln im alten Stall weniger Kühe als im neuen“, beschreibt Jürgen Wegmann seine Eindrücke. Die Schlauchbelüftung bringe frische Luft in den Stall, die den Kühen das Atmen erleichtere und Schadgase aus dem Stall herausbringe.
Durch die beiden Roboter sind die Gruppen gut vergleichbar. Seit dem Einbau des Schlauches gehen die Kühe zwar „nur“ 2,9 mal pro Tag zum Roboter statt 2,8 mal. „Der Schlauch macht sich besonders an heißen Tagen bemerkbar – die Kühe laufen besser und ich muss weniger nachtreiben. Im Schnitt muss ich sechs Kühe pro Tag holen“, so Wegmann.
Boxenbesuche

(Bildquelle: Elite Magazin)

Die Milchleistung ist auf diesem Betrieb im alten Stall mit dem neuen, modernen Boxenlaufstall gleichgezogen und geht sogar darüber hinaus. Das ergibt für die Hälfte der Kühe ein Plus von 3 kg (von 30 auf 33 kg Milch im Schnitt je Kuh und Tag).
Milchleistung

Der blaue Strich markiert den Einbau der Schlauchbelüftung (Vetsmarttubes) im alten Stall. Rot ist der Roboter im alten Stall mit Schlauchbelüftung, blau der Roboter im neuen Stall ohne weitere Belüftung. (Bildquelle: Elite Magazin)

Betrieb Oberascher: Die Frischabkalber starten besser

„Seit 2015 hat sich unsere Milchleistung von 10.500 auf 11.000 kg gesteigert. Leider können wir das nicht sicher der Schlauchbelüftung zurechnen, weil wir in dem Zeitraum 10 Kühe von einem 12.000kg-Betrieb zugekauft haben. Einen Anteil hat der verringerte Hitzestress aber mit Sicherheit“, erzählt Regina Oberascher. Mit ihrem Mann Hannes melkt Regina Oberascher im oberösterreichischen Frankenmarkt 70 Kühe und bewirtschaftet 60 ha Ackerland und Weide auf 540 m NN.
2012 wurde an den vorhandenen Boxenlaufstall ein Strohbereich angebaut, der die natürliche Belüftung fortan deutlich behindert hat. Große Ventilatoren brachten die Kühe nicht weiter, denn „10 Meter weiter hat man vom Luftzug nichts mehr gespürt.“ 2014 war dann eine Zeitlang so heißes Wetter, dass die Futteraufnahme deutlich heruntergegangen und das Futter auf dem Futtertisch warm geworden ist. „Wir mussten viel Silage wegschmeißen.“
Zu diesem Zeitpunkt haben sich Oberaschers entschieden, einen Schlauch (Vetsmarttubes) über dem Futtertisch anzubringen. „Wir waren erst skeptisch, denn es ist ja doch eine Menge Geld“, berichtet Hannes Oberascher (insgesamt haben beide Systeme rund 13.000 Euro gekostet). Der Schlauch wurde installiert – mit dem Ergebnis, dass fortan bei heißem Wetter die ganze Herde im Futtergang stand. Kurzerhand wurde ein zweiter Schlauch über den Liegeboxen und dem Strohbereich eingebaut. „Jetzt sind die Kühe im Stall wieder gleichmäßig verteilt und kommen sogar besser aus dem Melkstand, weil die Luft draußen angenehmer ist“, so Oberascher. „Früher hatten wir bei heißem Wetter häufig abends hechelnde Kühe, die gibt es heute nicht mehr.“ Auch sind Fliegen im Stall kein Thema mehr. Zudem konnten sie die Milchmenge im Sommer 2016 halten, nur die Inhaltsstoffe seien etwas abgesunken.
Frischmelker stehen in einer Strohbox an der Kopfseite des Boxenlaufstalles. „Wir können jetzt nicht sagen, dass sich die Eutergesundheit oder die Fruchtbarkeit seit letztem Jahr eklatant verbessert hat. Aber unsere Frischabkalber fressen sehr gut. Seit einem halben Jahr haben wir keine Labmagenverlagerungen mehr gehabt und die Kühe machen insgesamt einen fitteren Eindruck.“
Theoretisch könnte die Belüftung das ganze Jahr über laufen, Oberaschers nutzen sie meist von März bis Oktober. Sie schalten die Ventilatoren morgens ein und abends gegen 21 Uhr wieder aus. Im Winter werden die Geräte zum Einstreuen eingeschaltet, dann ist der Staub sehr rasch wieder aus der Luft verschwunden. Weiterer Vorteil: Der Betrieb der beiden Ventilatoren ist günstiger als der von drei oder vier weiteren, sonst benötigten Anlagen. Ein Ventilator benötigt 0,8 kWh. Nachteilig ist allerdings eine hohe Lautstärke, wenn die Ventilatoren unter Volllast laufen.
Fazit: Der Einbau einer Schlauchbelüftung verbessert nicht konkret diese oder jene Kennzahl. Durch eine verbesserte Frischluftzufuhr und ggfs. Kühlung verringert sich aber der Hitzestress, die Kühe fühlen sich besser. Eine bessere Futteraufnahme führt im Idealfall letztlich zu einer Leistungssteigerung.
C. Stöcker