Schleswig-Holstein

Dem Botulismus auf der Spur

Durch Clostridien ausgelöste Erkrankungen zählen weltweit zu den verlustreichsten Erkrankungskomplexen im Bereich der Rinderhaltung. Vor allem im Norden Deutschlands verbreitet derzeit Botulismus, eine durch Clostridien hervorgerufene Erkrankung, Schrecken unter Milcherzeugern. Auffällig ist, dass sich die betroffenen Betriebe in küstennahen Regionen befinden und dass es sich vielfach um sehr gut geführte, leistungsstarke Betriebe handelt.

Die Statistik der Rinderspezialberatungsringe von 2010 zeigt, dass ca. sechs Prozent der schleswig-holsteinischen Betriebe zehn Prozent Kuhverluste hatte. Im Jahr 2011 wiesen sogar sieben Prozent der Betriebe 15 Prozent Kuhverluste auf. Wie viele davon aber auf die Clostridienerkrankungen zurückzuführen sind, ist absolut unklar. Um diese Frage beantworten zu können, geht die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein mit einer beispiellosen Befragung der milchviehhaltenden Betriebe an den Start.

Checkliste Rindergesundheit

Die sogenannte „Checkliste Rindergesundheit“ umfasst 25 Seiten und deckt die Bereiche  Haltung, Hygiene, Fütterung, Gesundheitsstatus der Herde, Art und Weise Grundfutterproduktion und Flächenstandorte ab. Der umfassende Fragebogen soll  Zusammenhänge zwischen den hohen Tierverlusten, den Krankheitsbildern auf den schleswig-holsteinischen Betrieben und Clostridienerkrankungen aufdecken.
Die Checkliste Rindergesundheit wurde gemeinsam von Beratern der Landwirtschaftskammer, Beratungsringen und Tierärzten entwickelt. Die Teilnahme daran ist freiwillig. Um die Objektivität der Befragung zu gewährleisten, soll die Checkliste in Zusammenarbeit mit dem Hoftierarzt und dem Berater ausgefüllt werden, was ersten Erfahrungsberichten zufolge ca. fünf bis sechs Stunden dauert. Jeder Milchviehhalter, auch solcher, der geringe Tierverluste zu verzeichnen und gute Herdengesundheit hat, kann und soll daran teilnehmen. Das verbessert nicht nur die Auswertungsbasis, auch der Landwirt kann in Form von Aufschlüssen und Erkenntnissen über sein Management von einem gemeinsamen Termin mit Tierarzt und Berater profitieren.
Die Checkliste Rindergesundheit ist auf der Internetseite der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein oder der Tierärztekammer Schleswig-Holstein herunterzuladen.

Was sind Clostridien?

Clostridien sind Bakterien, die überall in der Umwelt in großer Zahl vorkommen. Ihr natürlicher Lebensraum ist der Erdboden, wo sie zusammen mit anderen Bakterien organisches Material abbauen.
Insgesamt sind über 200 verschiedene Arten von Clostridien bekannt, wobei nur wenige durch die Bildung von Toxinen zu schweren Erkrankungen führen können. Das Clostridium botulinum bildet dabei das stärkste von den bekannten biologischen Toxinen: das Botulinum-Toxin, ein Nervengift. Es ist ähnlich dem von Clostridium tetani produzierten Gift, was die bekannte Krankheit Tetanus auslöst. Botulismus-Toxin ist aber zehnmal stärker in seiner Wirkung. Über 10 Millionen Menschen können durch 1 g Botulinum-Toxin getötet werden.

Viele „Botulismus-Typen“

Die Toxine des Erregers Clostridium botulinum lassen sich in sieben unterschiedliche Typen (A-G) und 20 Subtypen einteilen. Beim Rind werden je nach Region meistens die Typen C und D, seltener A, B und E nachgewiesen. Clostridien können nicht nur sehr starke Gifte bilden, sondern zeichnen sich auch durch sehr hohe Widerstandsfähigkeit ihrer Sporen aus. Diese Dauerformen sind resistent gegen Austrocknung, Hitze und Desinfektionsmittel. Nach Aussage von Experten müsste man sie eine Stunde lang kochen um ihre Zerstörung zu erreichen. Diese Eigenschaften ermöglichen es den Sporen über Jahre und Jahrzehnte im Boden zu überdauern um bei günstigen Bedingungen wieder auskeimen zu können.

Symptome

Für das Krankheitsgeschehen, das in den betroffenen Herden beobachtet wird, dessen Ursachen nicht eindeutig geklärt sind, wird das Vorhandensein von Clostridium botulinum bzw. seiner Toxine diskutiert. Die Anzeichen bei Kühen dafür sind sehr vielfältig:
  • Schwanzlähmung
  • gehäuft akut fieberhafte Euterentzündungen
  • lethargische Kühe / verändertes Verhalten
  • fehlender Pupillenreflex
  • unspezifische Klauen-/Gelenkerkrankungen
  • kurze Schritte/ rotierender Bewegung der HintergliedmaßenGeschwüre
  • starker LeistungsabfallAbmagerung
  • Festliegen
  • Labmagenverlagerungen
  • Tierverlust

  • Schwanzlähmung
  • gehäuft akut fieberhafte Euterentzündungen
  • lethargische Kühe / verändertes Verhalten
  • fehlender Pupillenreflex
  • unspezifische Klauen-/Gelenkerkrankungen
  • kurze Schritte/ rotierender Bewegung der HintergliedmaßenGeschwüre
  • starker LeistungsabfallAbmagerung
  • Festliegen
  • Labmagenverlagerungen
  • Tierverlust

Klassischer und viszeraler Botulismus

Die klassischen Form des Botulismus, bei der die Toxine von außen über das Futter aufgenommen werden, entsteht v.a. durch das „Einsilieren“ von Tierkadavern, sowie dem Eintrag von größeren Mengen Sand und Erde in die Silage. Die so in die Silage gelangten Clostridien-Sporen keimen hier bei günstigen Bedingungen unter Luftabschluss aus und bilden Toxine. Ausgebrachter Geflügelmist steht in diesem Zusammenhang genauso im Fokus.
Bei der chronischen bzw. viszeralen (inneren) Form des Botulismus hingegen kommt es erst im Magen-Darmtrakt der Tiere zur Toxinbildung (endogene Toxinbildung). Es wird diskutiert, ob die Krankheitssymptome durch die Wirkung geringerer Toxinmengen, die über einen längeren Zeitraum wirken, hervorgerufen werden.

Welche Einflussfaktoren führen zur Krankheit?

Ein Ausbruch der Krankheit scheint nur dann möglich zu sein, wenn mehrere Einflussfaktoren, die jedoch in komplexer Wechselwirkung zueinander  stehen, zusammen kommen. Bodenbiologie und Bodenbearbeitung, Wasser, Klima, Import von Futtermitteln, Fütterungsmanagement, zu geringe oder übermäßige Mineralstoffversorgung, Silagequalität, Schimmelpilze und Immunstatus des Tieres sind nur einige dieser Faktoren. Auch ist die Frage nicht geklärt, ob es sich bei den Krankheitserscheinungen möglicherweise um eine Symbiose aus mehreren Clostridienarten handelt.