Stallbau

Brandschutz: Willkür pur?

Brandschutzauflagen machen die Baugenehmigung oft schwierig. Eine einheitliche Richtlinie würde helfen – bis dahin können Milcherzeuger selbst aktiv werden.

Kuhställe brennen selten. Trotzdem sind gerade Brandschutz-Auflagen oft ein Hindernis in Sachen Stallbau-Genehmigung. Was vorgeschrieben ist, legen die Landesbauordnungen fest – und deren Auslegung kann je nach Wohnort wirklich sehr verschieden sein.

Neue Kuhställe brennen selten

Neue Kuhställe sind nur wenig feuergefährdet:
  • Offene Wände und hohe Gebäude begünstigen den Rauchabzug,
  • es ist nur wenig brennbares Material vorhanden,
  • selten lagert man Futter und Maschinen über den täglichen Bedarf hinaus im Stall,
  • Technikräume sind ohnehin feuerhemmend ausgeführt,
  • die Mitarbeitenden kennen sich meist sehr gut aus und sind so lange auf dem Betrieb, dass sie regelmäßig geschult werden können.

Ein Kuhstall ist kein Bürogebäude für 1.000 Menschen

Daher ist es oft möglich, Abweichungen von den baurechtlichen Anforderungen zu beantragen. Denn die Ausbreitung eines Feuers lässt sich auch ohne Abstriche bei der Sicherheit der Rettungskräfte individuell und günstig verhindern. Beispiele:
  • fünf Meter breite Bereiche aus nicht brennbarem Material (Beton, Stahl, Steinzeug, … = „brandlastfreie Binderfelder“) statt Brandschutzmauern,
  • Übergänge zwischen zwei Stallungen aus nicht brennbarem Material,
  • ein Mindestabstand von 10 m zwischen den Giebelwänden von Gebäuden,
  • Äxte oder Messer an den Stützpfeilern, falls die Curtains einmal unten sein sollten und man sich trotzdem den Weg nach draußen bahnen muss (Fluchtwege),
  • für gute Löschwasserversorgung sorgen (1.600 l/min für zwei Stunden),
  • regelmäßige Zusammenarbeit mit dem örtlichen Brandmeister (Begehungen, Übungen, zentraler Feuerwehranlaufplan),
  • überlegen, wohin die Kühe im Notfall evakuiert werden können (umzäuntes Areal) und im Zweifel einen Satz Pfähle und Litze vorhalten, um schnell etwas abzustecken,
  • Schulungen der Mitarbeitenden und Sensibilität gegenüber den häufigsten, meist menschengemachten Brandursachen (Elektrik nicht von einer Fachperson, Unachtsamkeit bei Arbeiten im Stall, feuchtes Heu, …).
Aber: Das setzt voraus, dass die Sachbearbeiter der Genehmigungsbehörde zum einen willens und zum anderen landwirtschaftlich-sachverständig genug sind, um sich auf eine pragmatische, kostengünstige Lösung für alle einzulassen. Etliche Praxisfälle aber zeigen, dass das ganz oft nicht der Fall ist.

Viele Beispiele zeigen: Die Kommunikation ist schwierig

Milcherzeuger aus verschiedenen Regionen Deutschlands berichten von zum Teil kaum nachvollziehbaren Anforderungen: Da sollen Fluchtwege für Kühe vorgehalten werden, welche diese niemals betreten würden, eine teure Brandmeldeanlage über den Liegeboxen würde einen Bereich überwachen, in dem kaum brennbares Material vorhanden ist, oder eine massive Brandwand hätte jede Klimaführung zunichte gemacht. Andere Sachbearbeiter forderten Bescheinigungen und Zertifikate für jedes noch so kleine Bauteil. „Ich kann ja verstehen, dass die Menschen sich absichern wollen“, erzählt ein Milcherzeuger, „aber es soll ein Kuhstall werden und kein Bürogebäude für 1.000 Personen!“

Vielen Sachbearbeitern ist nicht klar, dass ein neuer moderner Kuhstall ein anderes Brandrisiko aufweist als ein alter Anbindestall mit Heulager unter dem Dach. (Bildquelle: Landwirtschaftsverlag GmbH)

In jedem Landkreis in Deutschland brennt es anders.
Clemens Mauch, Berater
Besonders frustrierend ist es, wenn das eigene Bauvorhaben daran zu scheitern droht, sechs Kilometer weiter der gleiche Stall aber mehr oder weniger reibungslos genehmigt wird – bloß, weil ein anderer Landkreis dort zuständig ist und ein anderer Sachbearbeiter die Regeln anders auslegt.

Frühzeitig aktiv werden

Den Eindruck der Milcherzeuger teilt auch Stallbauberater Herbert Pohlmann: „Es kommt total auf die zuständige Kreisbehörde an. Mal sind sie pragmatischer, mal nicht. Besonders problematisch wird es bei Anbauten an bestehende Gebäude.“ Haupthinderungsgründe sieht er in einer überhöhten oder sehr engen Auslegung des möglichen Rechts.
Herbert Pohlmann rät daher, so früh wie möglich das Gespräch mit den zuständigen Brandschutzsachverständigen zu suchen – sobald das grobe Baukonzept steht, noch vor dem Bauantrag. „So können Sie ins Gespräch kommen: ‚Das und das haben wir vor, was sagen Sie dazu? Wo sollten wir noch nachbessern?‘ Nehmen Sie gerne auch jemanden dazu, der neutral bleiben kann.“
Es braucht Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten. Eine solche Genehmigung ist ein Prozess, bei dem es zwei Teilsieger geben muss.
Clemens Mauch, Berater
Überzogenen Forderungen könne man gut mit einem Vor-Ort-Termin begegnen. Das erhöht die Chancen, den Ermessenspielraum zu Gunsten des Stalles auszurichten. Auch Milcherzeuger-Berater Clemens Mauch wirbt für eine proaktive Kommunikation: „Dazu gehört eine gewisse Kompromissbereitschaft auf Seiten des Landwirts. Wenn dort eine Öffnung hinsoll, dann sagen wir: ‚Das machen wir! Wäre es so möglich?‘ So kann man in einen gestalterischen Prozess eintreten, der Zeit und Aufwand spart und festgefahrene Fronten vermeidet. Denn letztendlich sitzen die anderen am längeren Hebel.“

Ein gutes Team zusammenstellen

Einen Teil der Verantwortung sieht Mauch aber auch bei Architekten und Stallbaufirmen. Diese müssten einhaken, wenn sie wissen, dass eine bestimmte Konstellation nicht durchgehen wird. Wichtig ist, einen Planer mit guter Qualifikation und Erfahrung im Bereich des Brandschutzes zu engagieren. Denn: Je weiter die Betriebe in den Außenbereich rücken und je dünner die freiwilligen Feuerwehren in Zukunft möglicherweise besetzt sind, desto relevanter wird ein schlüssiges Brandschutzkonzept.
Tipp: Das KTBL veröffentlicht diesen Sommer eine neue Schrift zum vorbeugenden Brandschutz bei landwirtschaftlichen Bauten, die aktuelle Informationen zum Planungs- und Genehmigungsprozess bereitstellt.

Kommentar: Wir brauchen eine bundesweit einheitliche Leitlinie zum Bau von Milchkuh-Ställen!

Brandschutz ist wichtig, damit im Notfall kein Mensch und möglichst auch kein Tier zu Schaden kommt. Gleichzeitig muss es Milcherzeugern möglich sein, den Betrieb für die Zukunft aufzustellen. Es gibt immer weniger Milchkuhbetriebe und somit auch immer weniger Bauvorhaben, an denen die Sachbearbeitenden in den Genehmigungsbehörden Erfahrungen sammeln könnten. Umso wichtiger, anders für Aufklärung zu sorgen:
Wir brauchen dringend eine bundesweit einheitliche Leitlinie, die den „Spezialfall Kuh“ für Fachfremde herunterbricht und Problembewusstsein schafft. So müsste nicht jeder Milcherzeuger neu erklären, dass Kühe nicht einfach so über den Futtertisch gerettet werden können und Luft im Stall das Tierwohl fördert. Auf einer solchen Basis könnten Sachbearbeiter und Milcherzeuger informiert zu individuellen und praxistauglichen Ergebnissen kommen, die beide Seiten zufriedenstellt – ohne Unmengen Zeit, Geld und Nerven dafür zu verschwenden.
Christine Stöcker-Gamigliano, Redaktion Elite

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