Bei der Rationszusammenstellung zu Laktationsbeginn ist viel Fingerspitzengefühl erforderlich. Denn die Kühe benötigen ausreichend Faser, aber auch etwas Stärke. Entscheidend ist die Abstimmung mit der Ration der Trockensteher.
In den vergangenen Jahren stand die Ausgestaltung der Transitphase im Fokus vieler wissenschaftlicher Studien....
Bei der Rationszusammenstellung zu Laktationsbeginn ist viel Fingerspitzengefühl erforderlich. Denn die Kühe benötigen ausreichend Faser, aber auch etwas Stärke. Entscheidend ist die Abstimmung mit der Ration der Trockensteher.
In den vergangenen Jahren stand die Ausgestaltung der Transitphase im Fokus vieler wissenschaftlicher Studien. Allerdings richtete sich die Aufmerksamkeit meist nur auf die Bedürfnisse der Trockensteher. Vielfach durchs Raster gefallen sind die Frischlaktierer (1. bis 21. Laktationstag). Es finden sich in der Literatur kaum Studien, die auf eine Optimierung der Fütterung zu Laktationsbeginn abzielen.
In leistungsstarken Herden wird den frisch abgekalbten Kühen unmittelbar nach dem Abkalben oft eine (mit Stroh) verdünnte Hochleistungsration vorgelegt. Dadurch soll ein sanfter Übergang von der strukturreichen Trockensteherration auf die kraftfutterbetonte TMR (Totale Mischration) gewährleistet werden. Die Kühe sollen sich so an die stärkehaltige Ration gewöhnen können und nicht an einer Azidose erkranken.
Ist diese Fütterungspraxis zielführend? Lassen sich Stoffwechselentgleisungen vorbeugen und trotzdem hohe Milchmengen melken?
Auf die Trockensteher abstimmen
In zwei im US-Bundesstaat New York gelegenen Forschungsinstituten, im Miner Institut und im Cornell Dairy Research Center, wurden kürzlich zwei Fütterungsversuche durchgeführt, um die optimale Stärke- und Fasermenge in Rationen für Frischlaktierer (bis zum 21. Laktationstag) zu ermitteln.
Versuch A (Dann und Nelson, 2011): Hier wurden 72 Holstein-Kühe (≥2 Laktationen) nach dem Abkalben mit drei Rationen gefüttert, die sich im Stärkegehalt unterschieden:
Es stellte sich heraus, dass die mit wenig bzw. moderat mit Stärke gefütterten Kühe mehr Trockenmasse aufgenommen haben und mehr Milch gaben als die mit viel Stärke versorgten Kühe.
In Versuch B (McCarthy et al., 2015), erhielten 21 erst- und 49 mehrlaktierende Kühe entweder 21,5% oder 26,2% Stärke bis zum 26. Laktationstag. Anschließend wurde allen Tieren die gleiche stärkereichere Ration (26,2%) vorgelegt. Im Gegensatz zu Versuch A ließ ein höherer Stärkegehalt (26,2%) die TM-Aufnahme und Milchleistung schneller ansteigen (ab der vierten Woche waren dann keine Unterschiede mehr zu sehen). Zudem fielen sowohl die NEFA- als auch die BHBA-Konzentration zu Laktationsbeginn geringer aus.
Die Ergebnisse der beiden Fütterungsversuche widersprechen sich. Wie ist dies zu erklären? In Studie A wurde den Trockenstehern vor der Kalbung eine Ration (einphasig, über 40 Tage) vorgelegt, die mit 13,5% nur sehr wenig Stärke enthielt. Hingegen wurde den Trockenstehern in Studie B in der Anfütterungsphase mehr Stärke (17,4% gesamt) gefüttert.
Es scheint, als würde das Adaptionsvermögen des Pansens (nach der Kalbung) maßgeblich von der Höhe der Stärkeversorgung in der Trockenphase beeinflusst. Kühe, die sich während der Trockenphase an höhere Stärkemengen gewöhnen konnten, vertragen nach der Kalbung größere Mengen an Stärke.
Saurer Pansen bei 27% Stärke
In einer dritten Studie (Williams et al., 2015) wurden 16 Milchkühe in der Trockenperiode mit 15,5% Stärke versorgt. Nach der Kalbung wurde der Stärkegehalt bis zum 21. Laktationstag auf 21,3% bzw. 27,2% angehoben. Unterschieden haben sich die beiden Futtermischungen auch im NDF-Gehalt: Die stärkearme Ration enthielt 37% NDF, die stärkereiche Ration nur 32% NDF. Es stellte sich heraus, dass die Kühe, denen die stärkereiche Ration (27,2%) gefüttert wurde, während der ersten drei Laktationswochen deutlich „saurer“ waren (Pansen-pH lag doppelt so lange unter 5,8; Übersicht 2). Auch fiel die Konzentration der Akut- Phase-Proteine im Blut der Kühe deutlich höher aus (unspezifische Immunreaktion, u.a. hervorgerufen durch Gewebsschädigungen und Entzündungen).
Mehr Faser, weniger Probleme…
In einem weiteren Fütterungsversuch (McCarthy et.al, unveröffentlicht) wurde überprüft, wie sich mehr Stärke verfüttern lässt, wenn der Fasergehalt in der Ration angehoben wird. Denn eine gute Faser-Versorgung sollte theoretisch für einen stabilen pH im Pansen sorgen und dessen Übersäuerung verhindern. Dazu wurde in die Trockensteherration während der letzten vier Wochen Stroh eingemischt. Nach der Kalbung wurden den Kühen zwei unterschiedlich stärkereiche Rationen vorgelegt, die sich jeweils nochmals im Fasergehalt unterschieden (wenig bzw. viel NDF):
- HSLF (high starch, low fiber): 28,3% Stärke und 26,4% NDF
- LSLF (low starch, low fiber): 22% Stärke und 31,5% NDF
- HSHF (high starch, high fiber): 26,2% Stärke und 34,3% NDF
- LSHF (low starch, high fiber): 21,5% Stärke und 36,9% NDF
- HSLF (high starch, low fiber): 28,3% Stärke und 26,4% NDF
- LSLF (low starch, low fiber): 22% Stärke und 31,5% NDF
- HSHF (high starch, high fiber): 26,2% Stärke und 34,3% NDF
- LSHF (low starch, high fiber): 21,5% Stärke und 36,9% NDF
Ergebnis: Die Effekte der höheren Faserversorgung stellten sich sofort ein. Es erkrankten keine Kühe an einer Labmagenverlagerung, auch wurden deutlich weniger Ketosen diagnostiziert. Anscheinend begünstigte ein hoher Fasergehalt (Struktur) in der Ration die Adaption der Tiere an höhere Stärkegehalte zu Laktationsbeginn. Dafür spricht u.a. auch, dass die Kühe der HSHF-Gruppe (viel Stärke und viel Faser) am meisten Trockenmasse gefressen haben (21,45 kg TM). Allerdings war ein hoher Fasergehalt in der Ration mit leichten Einbußen bei der Milchleistung verbunden (Übersicht 1).
…doch zu viel Faser „bremst“!
Bestätigt wurden die Ergebnisse des letztgenannten Versuches inzwischen auch nochmals durch die Daten einer weiteren Studie (Williams und Overton, 2016). Hier wurde der Einfluss der unverdaulichen NDF (uNDF240: NDF die nach 240 Stunden in vitro-Fermentation übrig bleibt) und der physikalisch effektiven NDF (peNDF) auf die Trockenmasseaufnahme, die Wiederkautätigkeit und die Milchleistung ermittelt.
Die Untersucher unterstellten, dass Kühe, die höhere uNDF240-Mengen aufnehmen (ca. 10,7% der TM), insgesamt mehr Trockenmasse fressen und deshalb einen besseren Gesundheitsstatus aufweisen im Vergleich zu Kühen, die nur etwa 8,3% uNDF240/kg TM konsumieren. In der Studie wurden 56 mehrlaktierende Holsteinkühe nach dem Abkalben in zwei Futtergruppen aufgeteilt. Die Frischlaktierer erhielten bis zum 28. Laktationstag zwei Futtermischungen vorgelegt, die sich in ihren uNDF240- und peNDF-Gehalten unterschieden:
- LF (strukturarm): 32,8% aNDFom, 9,5% uNDF240 und 21% peNDF
- HF (strukturreich): 35,3% aNDFom, 12% uNDF240 und 25% peNDF
- LF (strukturarm): 32,8% aNDFom, 9,5% uNDF240 und 21% peNDF
- HF (strukturreich): 35,3% aNDFom, 12% uNDF240 und 25% peNDF
Anschließend, vom 29. bis zum 42. Laktationstag, wurden alle Kühe dann auf eine Ration umgestellt.
Ergebnis: Kühe der Gruppe HF haben in den Wochen drei und vier etwas weniger Trockenmasse aufgenommen. Keine Unterschiede ließen sich bei der Wiederkaudauer (durchschnittlich 543 min/Tag) beobachten. Allerdings gaben die faserreicher gefütterten Tiere etwas weniger Milch in Woche 4 (46,4 vs. 50,1 kg/Tag). Es scheint, als würden höhere uNDF240- und peNDF-Gehalte ab der zweiten Laktationswoche die Futteraufnahme etwas ausbremsen. Dafür spricht auch, dass die Kühe nach der Umstellung auf die faserärmere (LF-)Ration wieder mehr gefressen haben. Anscheinend enthielt letztgenannte Futterration ausreichende Mengen an uNDF240.
Schlussfolgerungen für die Praxis
- Enthält die Trockensteheration weniger als 15% Stärke, dann sollte die nach der Kalbung vorgelegte Ration auch nur 21% bis 23% Stärke beinhalten.
- Werden in Trockenperiode hingegen 17% bis 19% Stärke gefüttert, kann nach der Kalbung der Stärkegehalt durchaus auf 26% bis 27% angehoben werden. In diesem Fall sollte aber auf eine ausreichende Faserversorgung geachtet werden. Denn höhere Faser/peNDF/uNDF-Gehalte in der Futtermischung können den Frischlaktierern helfen, stärkereiche Rationen zu verdauen.G. Veauthier
- Enthält die Trockensteheration weniger als 15% Stärke, dann sollte die nach der Kalbung vorgelegte Ration auch nur 21% bis 23% Stärke beinhalten.
- Werden in Trockenperiode hingegen 17% bis 19% Stärke gefüttert, kann nach der Kalbung der Stärkegehalt durchaus auf 26% bis 27% angehoben werden. In diesem Fall sollte aber auf eine ausreichende Faserversorgung geachtet werden. Denn höhere Faser/peNDF/uNDF-Gehalte in der Futtermischung können den Frischlaktierern helfen, stärkereiche Rationen zu verdauen.G. Veauthier