Liegen ohne anzuecken: Liegeboxenabtrennungen, die jedem Atemzug nachgeben oder die Kühe beim Hinlegen, Liegen oder Aufstehen gar nicht mehr berühren – das geht!
Der Gedanke von Liegeboxen-Abtrennungen, die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit erlauben und im Notfall nachgeben, ist nicht neu. 1989 machte die...
Liegen ohne anzuecken: Liegeboxenabtrennungen, die jedem Atemzug nachgeben oder die Kühe beim Hinlegen, Liegen oder Aufstehen gar nicht mehr berühren – das geht!
Der Gedanke von Liegeboxen-Abtrennungen, die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit erlauben und im Notfall nachgeben, ist nicht neu. 1989 machte die Firma Kristen den Anfang mit ihrer BK-Box („die mit dem Holzbrett“). Systeme mit ähnlichen Absichten folgten: 2007 die CowWelfare FlexStalls aus grünem Polymerrohr, 2009 EasyFix, deren Kunststoffrohre mit einer Gummischlaufe verbunden sind sowie 2014 der Deltex-Kompositbügel, der aus einem mit Kunstharz ummantelten Polyesterseil besteht.
Der Deltex-Bügel ist seit einem Jahr in Deutschland im Praxiseinsatz. Das hat uns dazu veranlasst zu schauen, was die Systeme ausmacht.
Ziel: Mehr Kuh-Komfort
Obwohl sich die Systeme in Form und Material unterscheiden, sind ihre Ziele vereinbar:
Freiraum geben und nachgeben
Um diese Ziele zu realisieren, setzen alle Systeme auf freitragende seitliche Abtrennungen sowie Nackenbegrenzungen mit einer bestimmten Flexibilität und einen freien Kopfraum (siehe Fotos).
Seitliche Bewegungsfreiheit: Die Bodenfreiheit unter dem beweglichen Holztrennbügel beträgt bei der BK-Box je nach Einstreuhöhe 0,55 bis 0,75 m. Sowohl beim Hinlegen, Aufstehen und Liegen berühren die Kühe das Holzbrett in der Regel nicht. Die drei Kunststoffsysteme weisen eine zur Kotkante ansteigende Bodenfreiheit auf. Dabei messen die Abstände zur Liegefläche am hinteren Ende bis ca. 0,80 m. Die Kuh kann zwar die Abtrennungen berühren, die Kunststoffelemente geben dem Druck durch ihr Körpergewicht jedoch nach. Zu bedenken ist, dass eine Kuh ca. zehnmal schwerer ist als ein Mensch. Es bedarf also, um sie zwecks Liegeposition und Boxenhygiene zu steuern, einer gewissen Grundspannung. So lässt sich beim Deltex-Bügel beobachten, dass er bei Körperkontakt im hinteren Drittel Atem- oder Wiederkaubewegungen nachgibt, er aber genug Widerstand leistet, um die Kuh gerade auszurichten.
Bei den FlexStalls sorgt das untere Polymerrohr für die Positionierung der liegenden Kuh. Das kürzere oben steuert sie gemeinsam mit dem Nackenrohr beim Hinlegen und verhindert, dass sie sich in der Box querstellt oder umdreht.
Bewegungsfreiheit nach vorne: Die Nackenbegrenzungen geben bei allen Systemen begrenzt nach: Durch Wölbung (Deltex), Federkettenspannung (BK-Box) oder der Dehnungsfähigkeit der Polymerrohre bei FlexStalls und EasyFix. So können die Kühe bequem mit vier Beinen in der Box stehen und notfalls nach vorne flüchten ohne sich zu verletzen – vorausgesetzt, vorhandene Stahlträger sind hoch genug eingerichtet! Das wird bei der BK-Box, und mittlerweile auch bei dem Deltex-Bügel, durch 1,5 m hohe Pfosten ermöglicht, an denen das horizontal-stabilisierende Rohr angebracht ist. FlexStalls und Easyfix sind ohne Querträger aus Stahl konzipiert.
Die vertikalen Pfosten nehmen bei allen nur wenig Raum ein und sind seitlich auf Schulter- (BK-Box) oder Kopfhöhe der liegenden Kuh positioniert.
Die Maße müssen stimmen
Das auch eine gut eingestellte Box mit freitragendem Stahlbügel Liegekomfort ermöglichen kann, ist nicht nur Praxiserfahrung, sondern wissenschaftlich bewiesen. Ruud und Bøe (2011) zeigten, dass es zwischen einem modernen Stahlbügel und einem flexiblen System keine Unterschiede in der Liegezeit (13,5 h bzw. 14,0 h), den Liegepositionen und der Boxenhygiene geben muss. Konnten die Kühe frei wählen, entschieden sie sich jedoch in 65,2% ihrer Liegezeit für Boxen mit flexibler Abtrennung!
Kühe schätzen die Fähigkeit des Nachgebens also offenbar. Stahl kommt genau hier an Grenzen und das ist immer dann ein K.-o.-Kriterium, wenn die Maße der Boxen nicht dem „Gold-Standard“ nachkommen. Hier gilt Folgendes als richtungsweisend:
- Kühe sollen liegen, ohne dass Hüfte oder Beine in die nächste Liegefläche ragen. Für die heute größeren Kühe gilt: Länge 3,0 m (inkl. Kopfraum); Breite 1,22 m (640 kg-Kuh) bzw. 1,27 m (730 kg-Kuh).
- Damit Kühe gerade liegen und sich aufschwingen können, muss der Kopfraum weit und frei sein: 0,90 m ist das Maß bei gegen- und 1,22 m bei wandständigen Boxen. Die Bugbegrenzung soll max. 0,1 m hoch und nicht zu breit sein, so kann die Kuh ein Vorderbein und den Kopf bequem ausstrecken.
- Kühe sollen liegen, ohne dass Hüfte oder Beine in die nächste Liegefläche ragen. Für die heute größeren Kühe gilt: Länge 3,0 m (inkl. Kopfraum); Breite 1,22 m (640 kg-Kuh) bzw. 1,27 m (730 kg-Kuh).
- Damit Kühe gerade liegen und sich aufschwingen können, muss der Kopfraum weit und frei sein: 0,90 m ist das Maß bei gegen- und 1,22 m bei wandständigen Boxen. Die Bugbegrenzung soll max. 0,1 m hoch und nicht zu breit sein, so kann die Kuh ein Vorderbein und den Kopf bequem ausstrecken.
Erfahrungen aus der Praxis
Da sich in Altgebäuden diese Idealbedingungen meist nicht umsetzen lassen, sind flexible Systeme hier besonders gefragt. Milchkuhhalter, die ihre veraltete Boxeneinrichtung durch ein flexibles System ausgetauscht haben, aber dennoch Kompromisse in Boxenbreite oder Kopfraum eingegangen sind, berichteten uns Folgendes: Die Kühe legen sich zügiger hin bzw. stehen auf. So koten oder urinieren sie weniger im Liegen und es gibt keine aus Angst vor dem Aufstehen festliegende oder in den Kopfraum gekrochene Kühe. Verletzungen oder gar Verluste bei Kühen, die durch den Kopfraum flüchten oder sich in der Box drehen wollten, treten nicht auf. Es gibt keine Druckstellen und es stehen weniger Kühe nur mit den Vorderbeinen in der Box herum.
Aber Achtung! Wenn ein flexibles System eingesetzt wird, aber in der Boxenbreite Kompromisse eingegangen werden, hat die Einzelkuh für sich zwar mehr Liegekomfort, doch die Box bleibt schmal. Und das bedeutet, dass in der Box neben einer liegenden Kuh oft kein Platz mehr für eine andere Kuh ist. Die Box bleibt also im ungünstigsten Fall leer und die Liegeplätze sind trotz theoretischem 1:1-Verhältnis überbelegt! In diesem Fall sollte die Belegdichte der Liegeplätze entsprechend reduziert werden.
Milcherzeuger, die die Systeme im Neubau mit Idealmaßen einsetzen, zeigen sich ebenfalls überzeugt von Bewegungsfreiheit und insbesondere von der höheren Sicherheit für ihre Kühe. Dennoch: Meinungen und Erfahrungen von Praktikern zu bzw. mit den einzelnen Systemen weichen teilweise voneinander ab. Umso wichtiger ist es, sich bei Interesse eine eigene Meinung zu bilden. Dazu bieten sich Besuche von Versuchsställen oder Referenzbetrieben der Hersteller an. Teilweise bieten die Firmen bzw. Händler auch an, einige Boxen im eigenen Stall probeweise umzurüsten. Preise (BK-Box ca. 165 €; FlexStalls ca. 100 €; EasyFix ca. 140 €, Deltex ca. 135 €; alle zzgl. MwSt.), Service und Garantie sind entscheidungsrelevant, sollten aber der Funktionalität untergeordnet sein.K. Berkemeier