Nicht immer muss Trockenstellen antibiotisch erfolgen. Häufig reicht ein Zitzenversiegler aus – wenn die Kuh zuvor gesund war. Das zeigt ein Praxisversuch in Rheinland-Pfalz.
Antibiotische Trockensteller werden schon seit Jahren in vielen Milchviehbetrieben routinemäßig eingesetzt. So werden mehr als 80% aller Milchkühe in Deutschland mit Antibiotika trockengestellt. Dadurch...
Nicht immer muss Trockenstellen antibiotisch erfolgen. Häufig reicht ein Zitzenversiegler aus – wenn die Kuh zuvor gesund war. Das zeigt ein Praxisversuch in Rheinland-Pfalz.
Antibiotische Trockensteller werden schon seit Jahren in vielen Milchviehbetrieben routinemäßig eingesetzt. So werden mehr als 80% aller Milchkühe in Deutschland mit Antibiotika trockengestellt. Dadurch steigt die Gefahr für Resistenzen. Aus diesem Grund sollten gerade eutergesunde Kühe ohne antibiotische Trockensteller „in Elternzeit gehen“. Eine Möglichkeit, den Antiobiotikaeinsatz zu minimieren, bietet das selektive antibiotische Trockenstellen. Hierbei werden nur noch infizierte bzw. erkrankte Euterviertel unter antibiotischem Schutz trockengestellt.
Im Rahmen einer Masterarbeit der Universität Bonn wurde in Kooperation mit dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Westpfalz und dem Landesuntersuchungsamt Koblenz eine Studie durchgeführt, die sich mit diesem Thema beschäftigt hat.
Mehr als 50 Kühe intensiv beprobt
Insgesamt wurden 54 Tiere in die Studie einbezogen. Eine Woche vor dem Trockenstellen wurden Milchproben bakteriologisch untersucht (BU). Am Tag des Trockenstellens wurde dann ein Schalmtest in allen Vierteln durchgeführt. Das Ergebnis des Schalmtests, der BU und der Zellgehalt der letzten drei Milchleistungsprüfungen (MLP) bestimmten das Vorgehen beim Trockenstellen:
MLP-Ergebnisse unter 200.000 Zellen/ml Milch, keine Hinweise auf euterpathogene Keime, keine Auffälligkeiten im Schalmtest: Trockenstellen nur mit Zitzenversieglern ohne antibiotischen Trockensteller.
Wurde ein Kriterium nicht eingehalten oder BU-Ergebnis positiv (euterpathogene Keime vorhanden): Trockenstellen mit Antibiotikum und Zitzenversiegler.
Über 80% der Euterviertel unauffällig
Ein Großteil der Kühe startete gesund in die Trockenstehzeit. In 82,1% aller Viertelgemelksproben konnte kein bakteriologischer Befund nachgewiesen werden. In 12% der Proben fanden sich KNS (koagulase-negative Staphylokokken) und in 4,7% S. aureus (meist nur in einem Viertel/Kuh). In vier Eutervierteln wurden Enterokokken und in zwei Vierteln S. dysgalactiae entdeckt. Dennoch wurden 35 Tiere (65%) mit Antibiotika und Zitzenversieglern trockengestellt, weil ein weiteres Kriterium (MLP-Ergebnisse, Schalmtest) nicht gepasst hat. 35% der Tiere (19 Kühe) wurden lediglich mit einem Zitzenversiegler trockengestellt.
Niedrige Zellzahl nach der Kalbung
Um zu überprüfen, ob die zuvor getroffene Entscheidung des Trockenstellens richtig war bzw. um deren Erfolg (Verbesserung der Eutergesundheit) festzustellen, wurden die MLP-Ergebnisse und die Milchleistung in den ersten drei Monaten nach der Kalbung herangezogen. Zudem wurde eine erneute bakteriologische Untersuchung im Zeitraum zwischen dem 14. und 21. Laktationstag durchgeführt.
Ergebnisse: Kühe, die mit antibiotischem Trockensteller trockengestellt wurden, wiesen vor dem Trockenstellen höhere Zellgehalte auf (Übersicht 2). Das ist nicht verwunderlich, da die Zellzahl als Entscheidungskriterium für antibiotisches Trockenstellen dient. Innerhalb der ersten drei MLP-Ergebnisse nach der Kalbung lagen beide Gruppen auf dem gleichen niedrigen Niveau. Die Kühe in beiden Gruppen haben im Durchschnitt mit einem gesunden Euter die neue Laktation begonnen. Das Trockenstellen nur mit Zitzenversieglern führt also nicht per se zu höheren Zellgehalten! In Bezug auf die Milchleistung oder die verwendeten Zitzenversiegler-Präparate (Noroseal, Orbeseal) gab es keine Unterschiede.
Fazit
Es ist möglich, Kühe nur mithilfe eines internen Zitzenversieglers und ohne Antibiotika trockenzustellen. Bei 35% der Kühe konnte so beim Trockenstellen auf Antibiotika verzichtet werden. Im Rahmen des Gesamtprojektes zum selektiven Trockenstellen (Dezember 2013 bis heute) gelang dies am Hofgut Neumühle bei 55% aller Kühe.
Auf Basis der Ergebnisse wurde ein Entscheidungsbaum entwickelt, nach dem Sie festlegen können, welche Kühe sich zum selektiven Trockenstellen eignen (Übersicht 1). Diese Bedingungen sollten erfüllt sein:
Grenzwert der Zellzahl: 100.000 Zellen/ml Milch;
keine euterpathogenen Keime;
Schalmtest am Tag des Trockenstellens unauffällig;
Entscheidung unter Berücksichtigung der Mastitisgeschichte jeder Kuh: Ein Tier, das beim Trockenstellen unauffällig war, jedoch z.B. einen S. aureus-Befund in einer vorhergegangenen Laktation aufweist, sollte immer mit Antibiotika und einem internen Zitzenversiegler trockengestellt werden.-cs-