Klaus Beerhalter arbeitet als Steuerberater, Lisa Langkammerer bei einem Tierernährer. Nebenher führen sie gemeinsam einen Milchkuhbetrieb mit 110 Kühen. Wie kann das funktionieren?
Nach dem Morgenmelken, wenn manch anderer Milchkuhhalter beim Frühstück noch einmal kurz durchatmet bevor der Betriebsalltag weitergeht, setzt sich Klaus Beerhalter in sein Auto und fährt zur Arbeit – zu seiner anderen Arbeit als Steuerberater. „Wenn Klaus zur Arbeit fährt, kann er bis abends abschalten und muss nicht an den Betrieb denken. Mir gelingt das leider nicht so gut“, sagt Lisa Langkammerer. Auch sie hat einen Job außerhalb des Hofs bei einem Futtermittelunternehmen. Vor und nach der Arbeit melken die beiden aus ihren 110 schwarzbunten Kühen über 11.000 kg Milch. Aber wie kommt man auf die Idee, neben einem normalen Arbeitsalltag noch Milchkühe zu halten?
Plötzlich Betriebsleiter
Klaus Beerhalter musste im Oktober 2015 unerwartet die Leitung des Familienbetriebs übernehmen. Zuvor hatte er als Steuerberater gearbeitet. Zuhause half er zwar in der Außenwirtschaft mit, hatte mit Kühen aber wenig zu tun. Er entschied sich trotzdem, den Betrieb seines Vaters weiterzuführen, als dieser verstarb. Lisa Langkammerer wuchs ebenfalls auf einem Kuhbetrieb auf. Als ihre Eltern die Milchproduktion gesundheitsbedingt einstellten, suchte die gelernte Landwirtschaftsmeisterin neben ihrer Arbeit im Außendienst nach einem Melkerjob, denn sie kann nicht ohne Kühe. Auf zwei Betrieben melkte sie zur Probe, entschied sich dann für den Beerhalter-Betrieb. „Ich hatte das Gefühl, dass Klaus meine Hilfe mehr braucht. Und dann hat es ziemlich schnell gefunkt“, erinnert die junge Frau und lächelt.
Die Arbeit auf dem Hof teilen sie sich auf. Lisa Langkammerer hat ein Auge für Kühe und wählt Bullen für die Anpaarungen aus, pflegt das Herdenmanagementprogramm und kümmert sich um die Trockensteher sowie die Trächtigkeitsuntersuchungen. Klaus Beerhalter mag Technik, er kümmert sich um den Roboter und die Außenwirtschaft.
Tagesablauf bei drei Arbeitsstellen
Morgens um 6.00 Uhr stehen die beiden auf. Der erste Weg führt zum PC: Wer hat gerindert? Was machen die frisch abgekalbten Kühe? Dann geht es zum Melken. Während Lisa Langkammerer melkt, streut Klaus Beerhalter die Liegeboxen neu ein. Anfangs melkten sie die Kühe noch in Anbindehaltung. Im November 2016 investierte er in einen Doppel-18er Swing-Over-Melkstand. Seither konnte die Melkzeit um knapp zwei Drittel auf eine Stunde reduziert werden. Nach dem Melken füttert sie die Kälber und er reinigt den Melkstand. Dann besamen sie die brünstigen Kühe – gemeinsam. Anschließend fährt Klaus Beerhalter zur Arbeit auf die landwirtschaftliche Buchstelle. Seit einem Jahr arbeitet er dort wieder in Vollzeit. Lisa Langkammerer macht sich auf den Weg zu ihren Kunden, die sie im Umland betreut.
„Wir haben keine ganz festen Arbeitszeiten“, erklärt er. Etwa von 9 bis 18 Uhr arbeiten die beiden in ihren Berufen außerhalb des Betriebs. Beide können sich ihre Termine selber organisieren, damit bleibt etwas Flexibilität. Nach der Arbeit beginnen sie um 18.00 Uhr mit dem Abendmelken und sind gegen 20.00 Uhr mit der Stallarbeit fertig. Wenn nichts schiefgeht. Wie schaffen die beiden es, im Nebenerwerb so erfolgreich Milch zu produzieren?
Risiken schon vorher minimieren
Klaus Beerhalter und Lisa Langkammerer versuchen, langfristig zu denken und konsequent zu handeln. „Wir wollen Risiken schon ausschließen, bevor das Problem überhaupt auftritt“, erklärt Lisa Langkammerer. Deswegen schickt sie einmal im Monat eine Siloprobe zur Untersuchung ein. Dazu macht sie regelmäßig Kotwaschungen im Stall und kontrolliert die Verdauung der Kühe. „Dann kann ich schnell mit der Fütterung reagieren, falls Schwankungen auftreten“, sagt sie. Diese konsequente Arbeitsweise macht sich in guten Milchleistungen bezahlt: Trotz der knappen Zeit erreichen die Kühe Wahnsinnsleistungen von 41,2 kg Milch mit 3,77% Fett und 3,4% Eiweiß (105 Melktage im Durchschnitt).
Aufgrund der knappen Zeit ist eine intensive Kuhbeobachtung schwierig, besonders bei den kalbenden Kühen. Deswegen nutzen sie vor allem Sperma von Bullen mit guten Werten in der Leichtkalbigkeit. „Viele Kühe kalben alleine“, erklärt Lisa Langkammerer. Im Notfall fährt sie aber auch schon mal zwischen den Betriebsbesuchen nach Hause und schaut nach.
Arbeitszeit freimachen
Zudem setzen die beiden auf Technik, die Arbeitszeit einspart. „Ohne das Brunsterkennungssystem und den Fütterungsroboter würde das hier nicht funktionieren“, erklärt Lisa Langkammerer. Für die Brunsterkennung nutzen sie ein Ohrmarken-basiertes System. „Im Stall befinden sich zehn Antennen. Wenn eine Kuh häufiger als üblich den Stallbereich wechselt, schlägt das System aus. Und es erkennt die Fresszeit der Tiere“, erläutert Beerhalter.
Die größte Zeiteinsparung bringt der Fütterungsroboter von Triloiet in Verbindung mit der Grundfutterlagerung in den Hochsilos. „Wenn ich daran denke, wie lange ich früher auf dem Betrieb meiner Eltern gefüttert habe, bei drei Rationen war schon ein ganzer Vormittag weg“, erinnert sich Lisa Langkammerer. Heute benötigt Klaus Beerhalter für die Fütterung maximal 1,5 Stunden im Monat, dank der Technik. Der Roboter fährt 16 Futtertouren am Tag. Dazwischen schiebt er auf den Futtertischen nach. Allein sieben Mal fährt er die knapp 100 laktierenden Kühe an. Diese Kühe bekommen eine TMR aus Gras- und Maissilage, Raps- und Sojaschrot, Getreidekonzentrat und Wasser. „Bei den Komponenten entscheidet nicht vorrangig der Preis, sondern ob sie in die Ration passen“, weiß sie.
Auch die Trockensteher bekommen eine durchdachte Ration. „Viele Leute sind nicht bereit, Trockenstehern eine angemessene Ration zu füttern“, sagt sie. Die beiden wollen das Risiko vermeiden, dass die Kühe nicht ausreichend vorbereitet in die Laktation starten. Deswegen wird eine recht simple und sichere Ration gefüttert. Die Kühe bekommen in diesem Zeitraum 25 kg Maissilage, 2,5 kg Häckselstroh, 1 kg RES sowie langsam verfügbaren Harnstoff und L-Carnithin-haltiges Mineralfutter. „Die Ration ist sehr einfach, aber sie funktioniert“, merkt Lisa Langkammerer an.
Wäre ein automatisches Melksystem nicht der nächste logische Schritt? Nein, erklärt Klaus Beerhalter, das sei nicht so gut vereinbar mit dem Job auf der Buchstelle. „Wenn dann das Telefon klingelt und der Roboter zickt, ist die Anfahrt einfach zu lang. Eine halbe Stunde hin, eine halbe zurück, das passt nicht mit dem Job zusammen.“ Lieber melken die beiden die Kühe selbst. „Mit dem Melkstand ist das besser durchführbar. Wir melken und sind dann bis abends auch damit fertig“, ergänzt sie.
Kleine Management-Tipps nutzen
Bei den Besamungen denken die beiden bereits an den Zeitbedarf für die Färsenaufzucht. „Bei 70% der Kühe nehmen wir Limousin und Weißblaue Belgier. Die besten 20% unserer Kühe besamen wir mit gesextem Sperma“, sagt er. „Lieber weniger Jungvieh, dafür aber Qualität“, fügt Lisa Langkammerer hinzu.
Sie versucht, alle anfallenden Termine auf dem Betrieb auf ihren freien Tag zu legen. Dann kommt der Viehhändler um die Kälber abzuholen, der Tierarzt alle zwei Wochen für die Trächtigkeitsuntersuchungen. „Wir haben mittlerweile auch einen Briefkasten am Stalltor hängen, für alle, die während unserer Abwesenheit auf den Hof kommen. Der Viehhändler kann die Tierpässe mitnehmen. So kann er auch vorbeikommen, wenn wir nicht zuhause sind. Das ist einfacher und die Dokumente sind gegen Wind und Wetter geschützt“, beschreibt sie.
Eigene Maschinen für den Futterbau
Zu dem Betrieb gehören 80 Hektar Fläche, davon 30 ha Grünland und 55 ha Acker, auf dem Beerhalter hauptsächlich Mais anbaut. Bis auf das Maislegen und Pflanzenschutzmaßnahmen übernimmt er die Feldarbeiten selbst. „Mit der Düngung ist Klaus sehr penibel“, sagt Lisa Langkammerer und schmunzelt. Letztes Jahr habe es in der Gegend viele Maiszünsler gegeben, etliche Maispflanzen in der Nachbarschaft gingen kaputt. „Viele Fahnen waren umgeknickt“, erinnert sich Lisa Langkammerer. Deswegen schickt ihr Lebenspartner mittlerweile regelmäßig Bodenproben in die USA. Neben Phosphor, Kalium und Stickstoff lässt er seinen Boden auch auf Kationenaustauschfähigkeit und weitere Nährstoffe wie Zink und Bor untersuchen. Die Bordüngung habe sich positiv auf den Maiszünslerbefall ausgewirkt, erklärt er und fügt hinzu: „Ich möchte nicht nur Mängel auffüllen, sondern auch Überschüsse beseitigen.“
Vier Schlepper fahren im Lohn in der Nachbarschaft. Ein alter Hoflader reicht für die Arbeiten im Stall aus. „Wir haben lieber ältere Schlepper und sind dafür liquide“, ergänzt Lisa Langkammerer. Zum Fuhrpark des Betriebs gehört ein eigener Häcksler. Der bringt ihm mehr Flexibilität, sagt Beerhalter. Nicht nur den Mais, auch das Gras häckselt er damit. In der Erntezeit helfen Bekannte aus der Nachbarschaft mit. „Zwei Zimmerer und drei Industriemechaniker, die gerne Trecker fahren“, sagt Klaus Beerhalter und lacht. „Innerhalb von maximal 48 Stunden haben wir den Mais drin, wir haben kurze Wege“, erklärt er. „Drin“ bedeutet in einem der drei Hochsilos, die neben dem Kuhstall stehen.
Selbst gebaute Entnahmefräse
Das Gesicht des Landwirts beginnt zu strahlen, wenn er von seinen Hochsilos erzählt. Die Silos mit Fassungsvermögen von 700, 1.300 und 2.600 m3 sind jeweils aus Holz, Beton und Emaille. Die Entnahme erfolgt über eine Oberentnahmefräse in den Silos. Während er im Grassilo vom Einstiegsloch hinüber zur Fräse läuft, berichtet er stolz über die Eigenkonstruktion. Da es für die Größe seiner Silos mit 12 m Durchmesser keine Fräse am Markt gab, modifizierte er kurzerhand eine kleinere Fräse für seine Betriebsgröße. Die Vorteile liegen für ihn in der wetterunabhängigen Futterentnahme. Auch wenn es draußen windet oder regnet verläuft die Entnahme vollautomatisch, ohne dass er zusätzliche Arbeit hat. „Der Roboter kann zu jeder Zeit Futter aus den Silos entnehmen“, erklärt er und klopft mit seinem Fuß auf die Silage, um die Verdichtung zu prüfen.
Die Kosten für die gesamte Anlage mit Roboter, Hochsilo, sechs Kraftfuttersilos, einem Lagerraum für Kraftfutter, Strohlager und Ansteuerung liegen bei ca. 350.000 € netto. Das rechnet sich für Klaus Beerhalter mehr als die Kosten für ein befahrbares Silo und einen dafür notwendigen Futtermischwagen.
Was passiert, wenn etwas passiert?
Wenn das Risikomanagement auf dem Betrieb nicht funktioniert, dann kann jedoch auch schnell „die Hütte brennen“. Bei allem Erfolg stoßen die beiden Nebenerwerbslandwirte zuweilen auch an ihre Grenzen. Das geben sie offen zu. Als zum Beispiel im Winter die Wasserrohre einfroren. Damals kostete es enorm viel Zeit, morgens und abends die Wasserleitungen im Melkstand aufzutauen und die Tiere mit Wasser zu versorgen. Oder als nach der Umstellung auf den Melkstand die Zellzahlen plötzlich in die Höhe schossen. Bis die beiden die Ursache herausfanden, dauerte es Wochen. „Das belastet dann schon richtig“, erklärt Beerhalter.
Was passiert, wenn einer der beiden ausfällt und keine Vertretung zu finden ist? Im Moment können die Eltern von Lisa noch einspringen, wenn ein Urlaub oder eine Fortbildung ansteht. Wenn diese aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr können, würde es ganz anders aussehen.
„Mit guten Mitarbeitern steht und fällt ein Betrieb“, sagt Lisa Langkammerer. Mittlerweile werde es immer schwieriger, gute Mitarbeiter zu finden, die effizient und zufriedenstellend arbeiten. Froh sind sie über einen zuverläsigen Helfer, der regelmäßig zum Güllefahren kommt.
Langlebige Kühe sind das Ziel
Die Kühe finanzieren sich auf dem Betrieb Beerhalter selbst. Die Tierarztkosten liegen etwa bei 0,5 Cent pro Kilogramm Milch. Betriebskapital wird für private Zwecke kaum entnommen.
Die Weiterentwicklung des Betriebes erfolgt in kleinen Schritten. Dafür wollen sie so wenig Fremdkapital wie möglich einsetzen und dieses soll möglichst durch das Umlaufvermögen gedeckt sein. Nächstes Jahr wollen sie den Kuhstall erweitern. „Der Stall ist von 1996. Der passt schon lange nicht mehr zu den Leistungen“, erklärt Klaus Beerhalter die Pläne. Dann soll es einen Abkalbebereich und einen eigenen Bereich für die Frischlaktierer geben. Auch in den Kuhkomfort wollen die beiden investieren. „Wir wollen die Nutzungsdauer und die Langlebigkeit unserer Kühe verbessern“, sagt Lisa Langkammerer.
Warum machen die zwei beides, Job außerhalb und noch den Betrieb mit den Kühen dazu? Steuerberater Beerhalter hält kurz inne und schaut dann hinüber zum Kuhstall. Dann sagt er: „Ich mache beides gerne, Büro und Stall. Wenn man nach der Arbeit noch ein paar Kühe melken kann, ist das einfach toll.“ S. Oehler