Bestandsspezifische Impfstoffe werden aus Krankheitserregern im Bestand hergestellt. Sie können Impflücken schließen und helfen, den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren.
Impfungen sind unverzichtbar, um Rinderbestände gesund zu erhalten. Die passende Impfung reduziert die Infektionserreger und verhindert im optimalen Fall das Auftreten von...
Bestandsspezifische Impfstoffe werden aus Krankheitserregern im Bestand hergestellt. Sie können Impflücken schließen und helfen, den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren.
Impfungen sind unverzichtbar, um Rinderbestände gesund zu erhalten. Die passende Impfung reduziert die Infektionserreger und verhindert im optimalen Fall das Auftreten von klinischen Symptomen. In Zeiten der Antibiotikaminimierung kommt der Impfung ein immer größerer Stellenwert zu. Doch nicht für alle Krankheiten im Rinderbereich gibt es einen kommerziell hergestellten Impfstoff. Das gilt zum Beispiel für Mykoplasmen oder Moraxellen (Übersicht 1, S. 48). Mitunter sind die Erreger auch so unterschiedlich in den Beständen (viele verschiedene Stämme und Serotypen), dass kommerzielle Impfstoffe nicht passen. Hier greifen dann sogenannte bestandsspezifische Impfstoffe. Das sind inaktivierte Impfstoffe, die unter Verwendung eines in einem bestimmten Bestand isolierten Krankheitserregers hergestellt worden sind und nur in diesem Bestand angewendet werden dürfen. So schreibt es die Tier-Impfstoff-Verordnung vor.
Die maßgeschneiderten Vakzine stehen nicht in Konkurrenz zu den kommerziellen Impfstoffen, da sie nur dann eingesetzt werden dürfen, wenn erstere nicht wirken. Wenn zugelassene Impfstoffe vermeintlich unwirksam sind, muss als Beweis zuerst der Impferreger als Ursache für das Bestandsproblem diagnostiziert werden (Untersuchungsbefunde) und weiterhin eine Unwirksamkeitsmeldung an offizieller Stelle vorliegen (Pharmakovigilanzsystem).
Maßarbeit
Erst dann ist der Weg frei, bestandsspezifische Vakzine herstellen zu lassen. Es dauert mindestens sechs bis acht Wochen von der Isolation der Erreger bis zur Herstellung des Impfstoffes. Die maßgeschneiderten Impfstoffe können ohne Zulassung und ohne staatliche Chargenprüfung in Verkehr gebracht werden. Es besteht lediglich die Verpflichtung der Impfstoffhersteller, jährlich an das Paul Ehrlich Institut zu melden, welche Impfstoffe sie hergestellt haben. Für bestandseigene Vakzine gibt es im Gegensatz zu kommerziellen Impfstoffen keinen Wirksamkeits- und Unschädlichkeitsnachweis, denn der neue Impfstoff ist unter den individuellen Bedingungen der Herde noch nie ausprobiert worden. Weiterhin gibt es keine genauen Infos über die Haltbarkeit der Vakzine. Die bestandseigenen Impfstoffe sind deshalb nach Abfüllung nur sechs Monate und nicht mind. zwei Jahre haltbar (wie kommerzielle). Jede Flasche wird gekennzeichnet mit „Bestandseigener Impfstoff“.
Salmonellose nicht unterschätzen
Ein Beispiel für die Herstellung von Bestandseigenen Vakzinen ist der Ausbruch der Salmonellose in einem Rinderbestand. Im Jahr 2016 wurden 100 Ausbruchsbestände gemeldet. Man geht davon aus, dass es sich dabei nur um die Spitze des Eisberges handelt und dass die Infektion aufgrund zögerlicher Diagnostik oft unerkannt bleibt.
Die anzeigepflichtige Tierseuche ist ein Fall für den Amtstierarzt, der dann über das weitere Vorgehen entscheidet. Zu den Maßnahmen kann u.a. die Impfung klinisch unauffälliger Tiere gehören. Je nach Situation im Bestand werden unterschiedliche Impfstoffe benötigt. Handelt es sich um eine Infektion mit Salmonella typhimurium können Kälber mit einem Lebendimpfstoff und Kühe mit einer inaktivierten kommerziell erhältlichen Vakzine geimpft werden. Geht die Infektion auf Salmonella dublin zurück, gibt es nur eine Lebendvakzine, die nur bei Kälbern und Jungtieren eingesetzt werden kann. Für Kühe besteht hier eine Impflücke und damit die Möglichkeit, Bestandseigene Vakzine herstellen zu lassen.
Korrekte Diagnostik
Bestandseigene Vakzine werden i.d.R. direkt aus den Bakterien hergestellt, die für die Infektion verantwortlich sind. Ausnahme stellt die Viruserkrankung „Papillomatose“ dar. Hier wird der Impfstoff nicht aus den Viren, sondern aus den Warzen direkt hergestellt. Der Impfstoff kann immer nur so gut sein, wie das Material, aus dem der Erreger isoliert wird. Ganz wichtig für den Erfolg der Bestandsspezifischen Vakzine ist die Diagnostik und sachgemäße Gewinnung des Untersuchungsmaterials und passenden Diagnostik. Geeignet sind zum Beispiel typisch erkrankte Tiere (am besten nicht antibiotisch behandelt), die gestorben sind und zur Sektion zur Verfügung stehen. Wird regelmäßig gegen den gleichen Erreger geimpft, muss auch eine bakteriologische Nachkontrolle erfolgen.
Erfolgskontrolle
Wer bestandsspezifische Vakzine einsetzt, sollte den Impferfolg (Rückgang der Symptome, Krankheitsfälle) systematisch dokumentieren, um zu überprüfen, ob die Impfmaßnahme den gewünschten Erfolg bringt. Von bestandsspezifischen Impfstoffen darf man, wie auch von kommerziellen Produkten, keine Wunder erwarten. Sie sind bei multifaktoriellen Krankheitsgeschehen ein Werkzeug von mehreren in der Bekämpfung. Bei jeder Infektion gilt es, die Neuansteckungen und Weitergabe von Infektionserregern zu unterbrechen und die Haltungs- und Stallklimabedingungen kritisch zu begutachten. M. Weerda