Hohe Milchleistungen und Bio: Geht das? Ja, aber nur bei hochwertigem Grundfutter. Um dieses Ziel zu erreichen, muss Carsten Bliefernicht viel Arbeitszeit in seinen Futterbau investieren.
Was macht eigentlich den wirklichen Unterschied zwischen einem konventionellen und einem Bio-Milcherzeuger aus? Ist es der weitgehende Verzicht auf Antibiotika...
Hohe Milchleistungen und Bio: Geht das? Ja, aber nur bei hochwertigem Grundfutter. Um dieses Ziel zu erreichen, muss Carsten Bliefernicht viel Arbeitszeit in seinen Futterbau investieren.
Was macht eigentlich den wirklichen Unterschied zwischen einem konventionellen und einem Bio-Milcherzeuger aus? Ist es der weitgehende Verzicht auf Antibiotika oder doch vielmehr die höheren Ansprüche an Weide- und Stallhaltung? Für Carsten Bliefernicht, Bio-Milcherzeuger, spielen diese Faktoren im Vergleich zur konventionellen Milchproduktion eine eher untergeordnete Rolle. „Um hohe Leistungen erreichen zu können, muss ich sehr viel Zeit in meinen Futterbau und damit in die Grundfutterqualität investieren.“ Denn gute Leistungen über das Kraftfutter zu ermelken, ist bei Nettopreisen von 48 € pro dt Bio-Kraftfutter (18/3) zu teuer. „Das macht für mich den entscheidenden Unterschied bei Bio aus.“
Intensiv passt zum Standort
Die Blätter rascheln. Mit einem knackenden Geräusch reißt Carsten Bliefernicht einen Maiskolben ab. Er schaut sich seine Maisbestände regelmäßig an. „Intensiv oder extensiv. Es gibt in der ökologischen Landwirtschaft nicht den einen Weg. Wir haben uns, aufgrund unseres Standortes, entschieden, intensiv zu wirtschaften. Deshalb bauen wir u.a. Mais an.“ Denn das, rund um den Milchviehbetrieb gelegene, Grünland reicht als Futtergrundlage allein nicht für die Kühe aus. „In diesem Jahr weiden die Kühe auf ca. 4,5 ha Grünland am Stall. Nächstes Jahr wird sich die Fläche zwar auf acht Hektar erhöhen, aber für eine reine Weidehaltung ist das nicht ausreichend.“ Aus diesem Grund und weil die Pachtpreise bei bis zu 1.000 € pro Hektar liegen, macht für Carsten Bliefernicht nur eine intensive Bewirtschaftung Sinn.
Seine Fruchtfolge besteht aus Kleegras, Silomais und Getreide. „Das Kleegras ist nicht nur ein sehr gutes Futter. Es ist gleichzeitig eine wichtige Vorfrucht für den Mais, da es den für die Maispflanze notwendigen Stickstoff im Boden bindet.“ Der Mais macht bei Carsten Bliefernicht maximal 25% der Fruchtfolge aus. So steht er frühestens nach vier Jahren wieder an dem gleichen Standort. „In kürzeren Abständen können wir Mais nicht anbauen. Schwierige Unkräuter nehmen sonst Überhand“, erklärt Carsten Bliefernicht mit Nachdruck. Außerdem reichen die Nährstoffe im Boden nicht aus, da der Mais viel Humus abbaut. Bei der Wahl der Maissorte setzt Carsten Bliefernicht, wegen des vorgeschriebenen Verzichts auf eine Unterfußdüngung, auf Sorten mit einer frühen Entwicklung. Denn je schneller der Mais durchstartet, desto weniger konkurriert er mit Unkräutern.
Aber nicht nur der Anbau macht den Futterbau so aufwendig. Vor allem die Arbeitszeit, die der Milcherzeuger in die Kulturen investieren muss, ist deutlich höher als im konventionellen Futterbau. Allein für das Hacken der Maisbestände - um Unkräuter in Schach zu halten – benötigt Carsten Bliefernicht ungefähr sechs Stunden pro Hektar zusätzlich. „Von Ende Mai bis Anfang Juli hacke ich jede Woche mindestens zwei Tage die Maisbestände“, resümiert er schulterzuckend.
Neun Mal im Jahr silieren
Auch das Silieren der Klee- und Wiesengrasbestände frisst Zeit. So muss der Unternehmer pro Saison ca. acht bis neun Mal das Mähwerk anhängen: „Das Kleegras schneiden wir im Schnitt fünf Mal, die Wiesen drei bis vier Mal. Besonders beim Kleegras müssen wir den richtigen Zeitpunkt zum Einfahren abpassen. Ist das Kleegras in einem Moment noch zu nass, kann es kurze Zeit später schon zu trocken sein und die wertvollen Kleeblätter gehen verloren.“ Mähwerk und Schwader besitzt Carsten Bliefernicht deshalb selbst. „Mit dem eigenen Schwader können wir besser auf die Witterungsverhältnisse reagieren.“ Welchen Stellenwert der Futterbau im Betriebsmanagement für Carsten Bliefernicht hat, lässt sich auch an seinen Anbauversuchen erkennen. Seit einigen Jahren baut er auf kleinen Parzellen Luzerne mit Rotklee, Weißklee und Lieschgras an und beobachtet, welche Bestände sich über die Jahre am besten entwickeln und ertragreich bleiben. „Die Luzerne würde ich gerne ganz in meiner Fruchtfolge etablieren.“
Eigenes Kraftfutter
Das Selektionstor am Ende des Laufhofes öffnet sich zu beiden Seiten mit einem klackernden Geräusch. Eine schwarze Kuh mit Blesse geht mit langsamen Schritten hindurch. Hinter ihr schließt sich das Tor wieder.
Auf die Weide können Carsten Bliefernichts Kühe zwischen 08.00 und 14.00 Uhr. Dazu müssen sie nach dem Besuch des Melkroboters das Selektionstor passieren. Zusätzlich zur Weide füttert der Milcherzeuger seinen 143 Kühen (125 in Milch) eine Teil-TMR am Futtertisch. Die Ration ist auf 23 Liter ausgelegt. Sie besteht zu 60% aus Kleegras, 20% Wiesengras und 20% Maissilage. Zudem füttert Carsten Bliefernicht 3,0 kg Kraftfutter, eine Energie- und Eiweißmischung, über den Mischwagen. Um die Strukturwirkung der Ration weiter zu justieren, mischt er außerdem bis zu 1,0 kg Stroh über den Futtermischwagen ein.
Je nach Leistung in der Milch erhalten die Kühe am Roboter zusätzlich noch bis zu 4,6 kg einer Kraftfutter-Eigenmischung. „Die insgesamt 7,6 kg Kraftfutter sind für mich oberste Grenze. Damit kann ich die Leistungsspitzen allerdings nicht immer ausfüttern. Ein Grund dafür, dass ich die Kühe erst dann besame, wenn sie sich nach dem Energiedefizit zu Laktationsbeginn wieder gefangen haben. Also ab dem 80. Laktationstag.“ Die Entwicklung der Kühe überwacht Carsten Bliefernicht auch über die Waage im Roboter. In der Laktationsmitte reduziert er die Kraftfuttermenge entsprechend der gemessenen Milchleistung am Melkroboter. Im Schnitt füttert er so 23 dt Kraftfutter pro Kuh und Jahr.
Die Kraftfutter-Eigenmischung besteht aus betriebseigenem Getreide, Körnermais sowie zugekauften getoasteten Lupinen, Lein- und Rapskuchen. „Besonders wichtig sind die getoasteten Lupinen. Sie verbessern die Schmackhaftigkeit der Kraftfuttermischung. Zudem haben sie einen sehr hohen Anteil an pansenstabilem Eiweiß.“ Gemischt wird dieses Kraftfutter von einer mobilen Mahl- und Mischanlage. Dennoch, selber mischen lohnt sich, davon ist der Betriebsleiter überzeugt. „Wenn ich selber mische bzw. mischen lasse, habe ich mehr Möglichkeiten das Optimum herauszuholen. Die Mischung auszutüfteln, das ist mein Steckenpferd“, sagt der Betriebsleiter schmunzelnd. Zudem könne er kontinuierlicher hochwertige Komponenten einmischen.
„Die Beschaffung der entsprechenden Komponenten ist sicherlich für mich etwas schwieriger als für konventionelle Betriebe. Ich muss mindestens vier Wochen im Voraus den Einkauf planen“, erklärt der Milcherzeuger. „Da die Zahl der Bio-Milchviehbetriebe angestiegen ist, komme ich in den vergangenen Jahren jedoch immer besser an die Komponenten, da das Angebot an ökologisch erzeugten Futtermitteln größer wird.“
Die Energie, die Carsten Bliefernicht in die Fütterung steckt macht sich bezahlt. So geben seine Bio-Kühe inzwischen 9.828 kg mit 3,93% Fett und 3,16% Eiweiß, die Grundfutterleistung liegt bei 4.550 kg. „Im ersten Jahr nach der Umstellung ist unsere Leistung zwar um 1.000 kg zurückgegangen. Seitdem steigt sie jedoch wieder Schritt für Schritt an“, sagt Carsten Bliefernicht mit einem Lächeln.
Prävention ist wichtig
Hohe Milchleistungen lassen sich, neben einer ausgefeilten Fütterung, aber auch nur mit einer guten Tiergesundheit erreichen. „Das ist genauso wie in der konventionellen Milcherzeugung.“ Allerdings gibt es auch Unterschiede. So darf der Milcherzeuger beispielsweise Antibiotika nur einsetzen, wenn er zuvor einen Erregernachweis durchgeführt hat. Zudem muss er das Doppelte der gesetzlichen Wartezeit einhalten. Milch von Kühen, die in einer Laktation mehr als dreimal behandelt wurden, darf er nicht mehr als ökologisch erzeugtes Lebensmittel verkaufen. Carsten Bliefernicht setzt sich deshalb stärker mit alternativen Heilmethoden wie der Homöopathie auseinander. „Viel wichtiger aber ist es mir Krankheiten vorzubeugen. Wenn ich Homöopathika oder gar Antibiotika einsetzen muss, dann ist ja vorher schon etwas falsch gelaufen. Ich investiere meine Energie lieber in die Krankheitsprophylaxe als in die Behandlung.“ Dass diese Strategie erfolgreich ist, zeigt auch die beachtliche Lebensleistung der gemerzten Kühe von 56.000 l Milch.
Verschleißteile im Fokus
Klauen trappeln im Laufhof. Eine Kuh legt ihren Kopf auf den Rücken einer anderen und springt auf.
Vor allem der Kuhkomfort ist für Carsten Bliefernicht ein Schlüsselfaktor für gesunde Kühe. Als er im Jahr 2010 die beiden Melkroboter installierte, baute er draußen zwanzig überdachte Liegeboxen. „Zwischen den außenliegenden Boxen und dem Stall ist so ein Laufhof entstanden, der jede Stunde von einem Mistschieber abgeschoben wird. Unsere Kühe zeigen sehr deutlich wenn sie brünstig sind. Ein Grund dafür ist vielleicht, dass sie auch im Winter viel Licht bekommen.“
Prophylaxe fängt bei Carsten Bliefernicht auch bei der Wartung der Roboter an: „An die Empfehlungen der Hersteller halte ich mich nicht. Ich wechsele sowohl die Bürsten als auch die Zitzengummis früher, als von den Firmen empfohlen. So kann ich eine Überbeanspruchung der Zitzen und Hyperkeratosen vermeiden.“ Die Bürsten tauscht Carsten Bliefernicht bereits nach 100 Tagen aus, die Zitzengummis nach 10.000 Melkungen.
Straffe Zentralbänder
Last but not least hat für den Milcherzeuger das Euterexterieur Einfluss auf die Eutergesundheit. „Schlechte Melkbarkeiten gehen bei uns gar nicht!“, sagt der Milcherzeuger mit fester Stimme. Deshalb legt er bei der Bullenauswahl neben der Nutzungdauer bereits seit Jahren viel Wert auf gute Euter. Durch die Bank haben alle Kühe feste, mit einem straffen Zentralband aufgehängte Euter. „Passende Bullen für unseren Betrieb zu finden ist schwierig, da ich seit sechs Jahren nur Hornlos-Vererber einsetze.“
Obwohl die Bio-Herde von Carsten Bliefernicht leistungsstark ist, ist für ihn noch nicht alles rund. „Bei der Fütterung und Tiergesundheit bleiben immer Reserven, die es zu bergen gilt. Aber daran weiter zu feilen macht Spaß und ist mein Ziel!“ B. Ostermann-Palz