Auf Milchleistung verzichten?

Überzüchtet und deshalb auch immer häufiger krank! Ein Rohstofflieferant auf vier Beinen, ein Wunderwerk der Zuchtkunst, mit diesen Worten beschrieb kürzlich der „Stern“ die moderne Milchkuh.
Vor allem Tierschützer und Veterinäre kritisieren immer wieder, dass in der Zucht nur eine einzige Frage zu zählen scheint: Wie viele Liter Milch gibt ein Euter pro Tag her? Das führe dazu, dass die Kühe schon nach wenigen Jahren ausgemergelt zum Schlachter gehen. Mit derartigen Vorwürfen sehen sich Milcherzeuger immer häufiger konfrontiert. Tierwohl ist eben ein Thema, mit dem sich bei den Verbrauchern punkten lässt … Die im kommenden Jahr anstehende Bundestagswahl lässt grüßen.
So ganz vom Tisch wischen lassen sich die Vorwürfe jedoch nicht. Es lässt sich nunmal nicht abstreiten, dass viele Kühe gar nicht erst das Ende der dritten Laktation erleben. Tierärzte forderten deshalb unlängst, dass bei maximal 10.000 kg Milch Schluss sein muss! Wird wirklich alles besser, wenn auf etwas Milch verzichtet wird? Ist das realistisch, oder einfach nur naiv?
Fakt ist, dass selbst hohe Herdenleistungen nicht zulasten der Nutzungsdauer gehen müssen. Wenn das Herden-Management funktioniert, schließen sich eine hohe Milchleistung und eine lange Nutzung der Milchkühe nicht gegenseitig aus. Sicher, der immer höhere Anteil streng selektierter Genomischer Bullen führt zu einem deutlichen Anstieg der Milchleistung, gleichzeitig erhöht sich aber auch die genetische Veranlagung für die Nutzungsdauer!
Selbst wenn infolge von Genomics demnächst Holsteinkühe 15.000 kg Milch und Fleckviehkühe 12.000 kg Milch produzieren können, bedeutet dies nicht automatisch, dass nur noch extrem milchleistungsstarke Kühe in den Ställen stehen müssen. Es wird auch künftig noch möglich sein, robuste Kühe zu züchten, die weniger Milch geben. Doch dann darf man sich bei der Bullenauswahl nicht von den großen Zahlen blenden lassen. Denn die extrem leistungsstark veranlagten Bullen auf den vorderen Plätzen der Top-Listen passen nicht immer zu den eigenen Management-Qualitäten! In vielen Fällen ist es kostengünstiger und nachhaltiger, zunächst das Umfeld der Kühe zu optimieren. Durchleuchten Sie kritisch Ihr eigenes Herden-Management! Beseitigen Sie die vorhandenen Schwachstellen! Bilden Sie sich fort, passen Sie Ihr Know-how der im Stall vorhandenen Genetik an! Erst dann lohnt es sich, verstärkt auf die Milchleistung zu setzen. Manchmal ist weniger mehr!
Gregor VeauthierElite-Redaktion