Molkereien müssen robuster werden

Die meisten Molkereien leiden derzeit unter rückläufigen Erlösen und steigenden Milchmengen. Die Entscheider in den Molkereien müssen mehr denn je zuvor tragfähige, robust und zukunftsfähige Geschäftsmodell entwickeln. Wie kann das gelingen?

Gerald Lindinger-Pesendorfer, Bereichsleiter Food/FMCG bei der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner hat acht „Stellhebel“ gefunden, die vor allem Genossenschaft helfen können, sich profitabler aufzustellen.
1: Differenzierende Rohware: Insbesondere im preisaggressiven deutschen Markt bieten differenzierende Rohwaren vielfältige Chancen. Die Mehrzahlungsbereitschaft für Bio- und regionale Produkte ist klar nachgewiesen. Mehrwert-Konzepte auf Basis von Heumilch, OGT, Bio oder Regionalität ermöglichen eine deutliche Steigerung der Wertschöpfung.
2: Innovatives Produktangebot: Sich ändernde Lebensgewohnheiten bieten vielfältige Chancen für Innovationen: Ein natürliches Produkt (z. B. herkömmliche Erzeugungsmethode, natürlicher Fettgehalt) kann ebenso zu einer relevanten Differenzierung führen wie ein funktionales Produkt (z. B. Protein- oder Frühstücksdrink, Anreicherung durch Kalzium/ Vitamine). Verpackungsinnovationen, die auf Convenience, Haltbarkeit oder Nachhaltigkeit abzielen sowie Ersatzprodukte auf Basis von Nüssen, Soja oder Getreide sind weitere Möglichkeiten. Immer wichtig: Der Blick auf ein klar definiertes Bedürfnis einer wachsenden Zielgruppe.
3: Starke Marken: Haben Marken eine signifikante Bedeutung – ggf. in einem klar definierten Segment – werden höhere Gewinne und Renditen im Vergleich zu Handelsmarken- bzw. Commodity-Herstellern erhalten. Auch mit dem steigenden Qualitätsbewusstsein der letzten Jahre gewinnen Marken an Bedeutung. Bei Milchprodukten treffen u. a. regionale Konzepte – auch für weniger finanzkräftige Molkereien – auf fruchtbaren Boden. Die moderne Methode des „natürlichen Markenaufbaus“, die Transparenz und Glaubwürdigkeit in den Vordergrund stellt, bietet vor allem auch Marken mit einer Spezialisten- bzw. Nischenpositionierung gute Chancen.
4: Zugang zu attraktiven Märkten & Vertriebskanälen: Entscheidend für den Erfolg in internationalen Märkten ist die Fokussierung auf die richtigen Märkte. Vertriebsniederlassungen und Produktionsstandorte in der Zielregion können – wenn auch mit Risiken verbunden – durchaus sinnvoll bzw. unabdingbar notwendig sein. Deutsche Genossenschaften meiden offensichtlich diesen Weg, weil die oberste Prämisse die Verwertung der „eigenen“ Milch ist. Dabei wird jedoch verkannt, dass von einem erfolgreichen Geschäftsmodell die Gesellschafter, eben die Genossen, profitieren.
5: Effiziente Supply Chain: Bei zunehmender Milchmenge in Europa wird auch der Kostendruck ungebrochen groß bleiben. Nur Unternehmen, die nachhaltig und permanent an der Optimierung der Standortstruktur und der Effizienz und Integration der gesamten Supply Chain arbeiten, können in diesem Umfeld erfolgreich sein. Investitionen in eigene Standorte und Anlagen sowie Initiativen zur Einbindung der Milchbauern, wie z. B. das Milkmaster-Programm der DMK, tragen zur Effizienzsteigerung bei.
6: Flexibilität: Volatilität darf nicht regelmäßig zu Ertragskrisen führen. Grundsätzlich sind Produktportfolio, Vertriebskanäle, Produktionsstrukturen und Verträge so zu gestalten, dass auf Marktveränderungen bzw. Marktschocks schnell und angemessen reagiert werden kann. Die Gestaltung des Gesamtportfolios sollte zumindest teilweise ausgleichend wirken. Wichtig: Das Verhältnis von Eigentümer-/Vertragsmilch zu Zukaufmilch. Auch wenn bei Genossenschaften sehr umstritten, benötigt dieser Aspekt eine fundierte Lösung.
7: Schlagkräftige Organisation: Viele Molkereien haben den Veränderungsbedarf durch den Marktumbruch erkannt und stellen sich neu auf. Ob eine Molkerei den Schwerpunkt auf Internationalisierung oder Markenaufbau legt – in jedem Fall ist sowohl die Organisationsstruktur zu überdenken, als auch die Kompetenz der Mitarbeiter bzw. Teams aufzubauen. Ein umfassendes Ziel- und Controlling-Konzept muss gewährleisten, dass die zentralen Prioritäten in allen Organisationsbereichen konsistent verstanden und umgesetzt werden.
8: Finanzkraft und Investitionsfähigkeit: Jede Entwicklungs- oder Wachstumsstrategie muss die Finanzierungsmöglichkeiten der Molkerei berücksichtigen. Es gilt, die Investitionen fundiert nach Rentabilität und strategischer Passung zu priorisieren. Können notwendige Investitionen nicht im gegebenen Finanzrahmen „gestemmt“ werden können, sollte die Finanzierungsstruktur geprüft sowie Partnerschaften und Zusammenschlüsse überdacht werden.

Es gibt kein Patentrezept

Klar ist: Für keine Molkerei gibt es ein passendes Patentrezept. Wie die Stellhebel optimal anzupassen sind, ist für jedes Unternehmen individuell. Dabei spielen die Wünsche und Ziele der Gesellschafter und Genossen eine zentrale Rolle. Jene Molkereien, die sich ebenso intensiv mit der Zukunft des internationalen Milchmarktes wie auch mit den eigenen Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten befassen, haben gute Möglichkeiten, nachhaltig erfolgreich zu sein – eben tragfähig, robust und zukunftsfähig.