Tristesse Globale

Manche Experten sehen schon einen Silberstreif am Horizont, andere meinen die Talsohle am Milchmarkt sei noch lange nicht erreicht. Doch ganz unabhängig davon, was die Branchenexperten sagen, die Deutschen (Milchbauern) jammern – dafür sind die berühmt! Aber sind sie allein mit ihren Ängsten? Wie sehr sorgt man sich in anderen Ländern um die Existenz? Elite hat sich umgehört.

Niederlande: Verfügbarkeit von Land und Gülleexport wichtiger als Milchpreis

Mit 21 Cent ist der Milchpreis auf ein historisches Tief gefallen. Noch verfügen die meisten Betriebe über Reserven (gebildet im Jahr 2008), doch auch die schmelzen so langsam dahin. Dass unsere Nachbarn im Westen die eigene Situation dennoch nicht ganz so düster sehen, liegt vor allem an ihrer Mentalität, dem Glauben, durch eine Ausweitung der Produktion die Krise durchstehen zu können. Beste Vegetations- und Silierbedingungen im Frühjahr lassen auch in diesem Jahr wieder eine deutliche Quoten-Überlieferung erwarten. Derzeit liegt die Milchanfuhr 3,5 % über dem Vorjahresniveau.
Das konsequente Aufstocken der Herden stellt jetzt viele Betriebsleiter vor neue Herausforderungen: Wie komme ich an Land und wie bekomme ich meine Gülle möglichst kostengünstig vom Hof? Vielerorts werden für den Gülleexport bereits bis zu 7 €/t gezahlt. Diese Fragen treiben dem ein oder anderen Betriebsleiter schon heute wesentlich mehr Sorgenfalten auf die Stirn als der Milchpreis.

Spanien: Molkereien holen Milch nicht mehr ab

Die Wirtschaftskrise, die Spanien mit aller Macht (völlig unvorbereitet) getroffen hat, lässt viele Verbraucher zu günstigen Produkten greifen. Die Folge: Die Milchpreise sind auf rund 30 Cent abgesunken – noch vor einem Jahr haben die Molkereien 10 bis 15 Cent mehr ausbezahlt. Und das, obwohl der Selbstversorgungsgrad bei Milchprodukten auf der iberischen Halbinsel gerade mal 65 % beträgt. Bei einem durchschnittlichen Milchpreis von lediglich 30 Cent/l bedeutet zahlen die meisten Milchbauern 10 bis 15 Cent „drauf“, da die Produktionskosten etwa 39 bis 42 Cent/l betragen.
Zunehmend formiert sich jetzt auch Protest gegen die immer größeren Milchmengen, die aus Frankreich nach Spanien importiert werden. Angeblich bieten französische Molkereien Milch unter dem spanischen Selbstkostenpreis an. Die Folge dieser Importe sind, dass einige spanische Molkereien die Milch der eigenen Bauern nicht mehr abholen. Hinzu kommt, dass erste Molkereien Insolvenz angemeldet haben. Wenn es den Milchbauern nicht gelingt, die Produktionskosten deutlich zu senken, wird ein Großteil von ihnen (die Rede ist von bis zu 30.000!) die Stalltore endgültig schließen müssen, berichten Berater.
Aufatmen können die finanziell angeschlagenen Milchproduzenten in der nordwestspanischen Region Asturien. Dort hat die Regionalregierung hat Soforthilfen in Höhe von 5,5 Mio Euro bewilligt,  umd durch eine Produktionsaufstockung ein Überleben der Betriebe zu gewährleisten (mx. 7.500 €/Betrieb) . Die Gelder sollen unverzüglich an rund 1.600 Milchviehbetriebe ausgezahlt werden. Gefördert werden Kuhhalter, die in den vergangenen fünf Jahren Milchquoten zugekauft haben.

Slowakei: Kaum einheimische Produkte im Kühlregal

Kaum einem Land sind die Milchpreise derart drastisch gesunken wie in der Slowakei: Nur noch 15 bis 18 CT/kg werden ausbezahlt – 55 % weniger als im Vorjahresvergleich. Die Frustration der slowakischen Milchproduzenten ist deshalb auch enorm gewachsen. Viele denken an’s Aufhören, das zeigt sich auch an den um 30 % rückläufigen Besamungen.
Die Slowakische Handelskammer für Landwirtschaft und Nahrungsmittel (SPPK) forderte inzwischen die großen Handelsketten auf, verstärkt slowakische Milch und Milchprodukte in die Regale zustellen. Laut einer Erhebung stammen nur 41,9 % aller Milchprodukte in den Läden aus einheimischer Produktion. Die SPPK ermittelte zudem, dass die Läden der Lidl-Kette den geringsten Anteil slowakischer Produkte führten - nur 19,5 %, während deutsche und tschechische Produkte bis zu 63,7 % ausmachten.

Frankreich: Proteste, Erfolge und Zweifel

Unter den französischen Bauern gärt es. Als die Molkereien in Frankreich im April den Milchpreis von 30 auf 21 Cent pro Kilo kam es zu spontanen Manifestationen wütender Milchbauern mit Aktionen vor Supermärkten und Molkereien. Die massiven Proteste haben dazu geführt, man Vertreter der Erzeuger und der Molkereien auf einen Milchpreis für das Jahr 2009 in Höhe von 28 Ct/kg einigten. Ob am Jahresende dieser Durchschnittspreis aber tatsächlich erreicht wird, ist mehr als zweifelhaft. Erste Molkereien haben bereits angekündigt, das selbstgesteckte Ziel nicht erfüllen zu können.
Etwas Luft haben die Milcherzeuger in anderer Hinsicht erhalten: Eigentlich müssten sie bis Ende 2009 ihre Ställe und Güllegruben den neuen Gewässerschutzbestimmungen anpassen. Aufgrund der Krise haben die Behörden den Zeitpunkt für diese «mise en norme» um ein Jahr, bis Ende 2010, verlängert.

USA: Immer mehr Selbstmorde

Eigentlich müssten die US-Milchfarmer ja die Ausschläge am Milchmark kennen, doch der Preisabsturz hat diesmal auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Depressionen ausgelöst. Vor allem fehlende Nachfrageimpulse - bedingt durch die Wirtschaftskrise  (u. a. bei Premiumprodukten in der Käsetheke) - und die rückjläufigen Bestellungen großer Abnehmern aus der Gastronomie (Fast Food-Ketten) halten derzeit die Milchauszahlungspreise auf einem geringen Niveau.
Aktuell pendelt der Milchpreis zwischen 16 und 22 Cent/kg. In den Hauptproduktionsregionen im mittleren Westen oder Kalifornien werden 16 bis 20 Cent/kg realisiert, in markt- und produktionsfernen Regionen wie Florida bis zu 22 Cent/kg gezahlt. Zu wenig bei Vollkosten von 30 Cent! Auch wenn sich mittlerweile die Zeichen auf einen Umschwung am Milchmarkt mehren, so halten zunehmend mehr Farmer dem psychischen Stress nicht mehr stand. Immer mehr steigen aus, manche sogar ganz aus dem Leben. Die Selbstmordrate unter den US-Farmern ist während der letzten Monate sprunghaft angestiegen. Es sind nicht nur die „Kleinen“, die glauben keinen Platz mehr am Markt zu finden, auch Unternehmer, die in den vergangenen Jahren kräftig investiert haben sehen oft keinen anderen Ausweg als den Freitod mehr.
Alarmiert von diesem Trend, kündigte die US-Regierung nun an, die Milchfarmen zu untersützten. Nach jahrelanger Pause werden wieder Ausfuhren bezuschusst. Auch sollen die MIttel des MILC-Programmes aufgestockt werden. Das Programm gleicht einer staatlichen Versicherung gegen niedrige Milchpreise. Fällt der Auszahlungspreis unter ein festgelegtes Niveau, ersetzt der Staat dem Farmer 45 % seines Umsatz-Ausfalls.
Auch eine erneute Abschlachtaktion des im Rahmen des rein privatwirtschaftlich finanzierten CWT-Programmes (Cooperatives Working Together) soll dazu beitragen, die Milchmenge in den USA kurzfristig zu reduzieren. Der Aufkauf der Kühe wird finanziert durch eine Umlage auf der Milchmenge der Betriebe von 0,14 Euro-Cent pro kg Milch.