So reagiert der Stoffwechsel auf Transitperiode und Kälberfütterung

Wie der Pansen sich an eine neue Laktation anpasst und was die Kälberfütterung mit dem Wachstumshormon zu tun hat, gab es auf dem Dairy Nutrition Symposium in Wageningen zu entdecken!

„Beim Übergang vom Trockenstehen in die Laktation verändert sich der gesamte Organismus der Kuh“, erklärt Kasper Dieho, Wissenschaftler an der Uni Wageningen. Kasper Dieho hat eine Menge Zeit im Labor verbracht, um Pansenzotten zu zählen und auszumessen. Er und seine Arbeitsgruppe wollten wissen, wie genau sich die Transitphase anatomisch auswirkt.
Sie fütterten Kühe mit einer einphasigen Trockensteherration aus 27% Grassilage, 27% Maissilage, 11% Sojamehl und 35% Stroh mit einem Energiegehalt von 5,3 MJ NEL. Die Ration enthielt 109 g Rohprotein, 90 g Stärke und 455 g fermentierbare organische Masse (FOM). Nach der Kalbung bekamen die Kühe dann eine Ration aus 42% Grassilage, 41% Maissilage und 17% Sojamehl (157 g Rohprotein, 139 g Stärke, 561 g FOM). Ab dem dritten Tag wurde zudem die Kraftfuttermenge erhöht: Entweder sehr rasch (+1,0 kg Trockenmasse/Tag) oder eher moderat (+0,25 kg Trockenmasse/Tag; beide Varianten bis auf 10,9 kg TM/Tag). Es zeigte sich, dass die Trockenmasseaufnahme für die gesamte Ration von dem unterschiedlich schnellen Kraftfutteranstieg nicht beeinflusst wurde! Allerdings nahm die Gruppe mit dem schnelleren Kraftfutteranstieg zu Beginn mehr fermentierbare organische Masse auf. Insgesamt fraßen die Versuchskühe während der Trockenperiode rund 12 kg Trockenmasse und 5,5 kg FOM/Tag pro Tag. In der Laktation stiegen diese Werte auf 24 kg Trockenmasse/Tag sowie 14 kg FOM/Tag an.
Wenn der Pansen sich nach der Trockensteherfütterung an die Laktation anpasst, geschieht dies auf drei Arten: mikrobiell, anatomisch und funktionell. Die Bakterienausstattung verändert sich rasch von einer großen Vielfalt hin zu wenigen prominenten Arten. Wie gut der Pansen Nährstoffe aufnehmen kann, hängt von der Dichte der Pansenzotten, der Größe der einzelnen Zotten sowie der Fläche des Pansens ab, die insgesamt von Zotten bedeckt ist. Bei einem höheren Kraftfutteranteil in der Ration steigt auch die von Zotten bedeckte Fläche an. Am dicksten sind Zotten und Pansengewebe im Zeitraum um die Kalbung herum. Zwar wächst die Zottengröße mit einer höheren Kraftfuttergabe schneller, jedoch ändert sich die mikroskopische Struktur des Gewebes unter „normalen“ Transitbedingungen nicht.
Pansenzotten wachsen rasch

(Bildquelle: Elite Magazin)

In dem Versuch zeigte sich jedoch, dass bei Kühen mit rascherem Kraftfutteranstieg das Pansengewebe im Endeffekt nicht mehr freie Fettsäuren aufnahm, obwohl die Zotten schneller wuchsen. Die Forscher vermuten, dass die übrigen Anpassungsmechanismen für das Funktionieren des Pansens ausreichen. Die Bakterienausstattung ändert sich bei Rationswechsel sehr schnell, das Gewebe behält seine Funktion auch während den anatomischen Veränderungen bei.
Künftig will Dieho ergründen, warum größere Zotten nicht auch mehr freie Fettsäuren aufnehmen: Hängt dies mit dem Blutfluss im Pansengewebe zusammen? Lässt sich die Aufnahmekapazität irgendwie steigern? Bis dahin gibt er einen Tipp: „Obwohl die Versuchskühe mit rascherem Kraftfutteranstieg mehr fermentierbare organische Masse zu sich nahmen, würde ich nicht unbedingt die Zusammensetzung der Ration verändern. Viel wichtiger ist, dass die Kühe am Fressen bleiben!“
Ad-libitum Fütterung im Vorteil

Einen weiteren interessanten Vortrag hielt Claire Wathes, Professorin am Royal Veterinary College in London. „Man hätte schon im Alter von einem Monat sehen können, welche Rinder später tragend werden!“ Aber der Reihe nach: Tiere wachsen, weil die Hirnanhangdrüse ein Wachstumshormon produziert. Dieses wirkt jedoch nicht direkt in den Organen, sondern über einen „Mittelsmann“, das IGF (Insulin-like growth factor). Dieser sorgt dafür, dass Zellen sich teilen und erneuern, z.B. im Muskel oder in der Milchdrüse.
Wenn Kühe wachsen, verändert sich der Gehalt an IGF1 in deren Stoffwechsel. Es hat sich  gezeigt, dass die frühe Fütterung bis zum ersten Monat einen signifikanten Effekt auf die IGF1-Konzentration im Blutplasma hat. Und steigt der IGF1-Gehalt im Blut, steigt auch die Wachstumsrate (Zunahme kg/Tag) an. Zudem wiesen Kälber, die im Laufe der ersten sechs Monate nach der Geburt starben, ein geringeres Körpergewicht auf als die überlebenden Kälber. Es scheint hier also ein Zusammenhang zu bestehen.
Zudem beeinflussen die Wachstumsraten die Fruchtbarkeit. Frohwüchsige Jungrinder können früher besamt werden und so das Erstkalbealter der Herde senken. Besonders interessant: Färsen, die mit über 25 Monaten oder gar über 30 Monaten eher spät das erste Mal abkalben (age at first calving, AFC), hätte man rückblickend schon im Alter von einem Monat anhand der IGF1-Gehalte im Blut identifizieren können!
Fazit: „Zwar lässt sich der Gehalt an IGF1 direkt nicht steuern, ad-libitum-Fütterung wirkt sich bei Kälbern aber positiv aus“, rät Claire Wathes. „Reduzieren Sie die Milchmenge nicht zu früh!“
Zum Nachlesen finden Sie
die Folien von Claire Wathes.
die Folien von Claire Wathes.