Molkereikongress 2016

Mengenregelung - „falsches“ Ansinnen zur falschen Zeit!

Intensiv diskutiert wurde diese Woche auf dem Molkereikongress in München die aktuelle Lage auf den Milchmärkten. Neben vielen ernüchternde Zahlen gab's aber auch positives zu berichten: In Deutschschland legte der Absatz an Molkereiprodukten wieder zu!

Von Krise keine Spur – zumindest dann nicht, wenn der Blick nur auf den Handel gerichtet wird.
Durchaus erfreuliche Zahlen präsentierte Enrico Krien, The Nielsen Company vom Molkereimarkt 2015. Laut dem Marktanalysten konnte die Weiße Linie im letzten Jahr um 2% im Absatz zulegen (nur H-Milch hat leicht verlore), auch wenn der damit verbundene Umsatz milchpreisbedingt um 2,2% zurückging. Ursache ist wohl der hohe Anteil Handelsmarken im Discount (93 %) und bei den großen Verbrauchermärkten wie z.B. bei Edeka, Rewe usw. (74 %) sowie der Abverkauf über Aktionen („Promotion“).  Hoffnungsvoll stimmt aber, dass die Preise im LEH  seit drei Monaten wieder ansteigen!
Die Gelbe Linie legte im SB-Bereich um 5,1% zu, der Umsatz stieg um 1,6%. Der Anteil des Geschäfts, der auf Aktionen entfiel, lag bei 36% im Discounthandel und bei 30% im LEH. Bei Gelber Linie wachsen die Industriemarken zu Gunsten der Handelsmarken, während die Handelsmarken im Preis rückläufig sind, halten die Industriemarken das Preisniveau.
Die Werbeaufwendungen der Milchindustrie legten im letzten Jahr deutlich zu: für die Weiße Linie kamen sie auf 190 Mio. € (+ 31%), für die Gelbe Linie wurden 174 Mio. € (+ 23%) ausgegeben. 90% der Aufwendungen gingen in TV-Werbung, auf das Internet entfielen je über 10 Mio. € für beide Kategorien.
Als laufende Trends nannte Krien unter anderem Bio, GMO-freie, Lactose-freie Produkte (in 2015 wurden wuchs das Segment Lactose-freie Proukte um 19.000 t auf 219.000 t) und kleinere Verpackungsgrößen. Bio wächst mit großen Schritten: mit nunmehr 3,6 Mrd. € haben die Biokäufer 15 % mehr umgesetzt als im Vorjahr; der Absatz stieg um 10,5 %. Auch „vegan“ kommt mit Macht, 526 € Umsatz werden mit veganen Produkten mittlerweile umgesetzt (gesamter Markt). Weiße Linie hat Anteil von 40 %, gelbe Linie von 12 %.

2016 wird ein schwieriges Jahr

2016 werde insgesamt möglicherweise noch schwieriger als 2015, so die Prognose von Sebastian Wolf, dem Chef der deutschen Rabobank-Niederlassung in Frankfurt. Die Marktschwäche dürfte das ganze Jahr über anhalten, schätzt Wolf, weshalb sich die Milchpreise auch nicht vor Ende des Jahres 2016 bzw. erst zu Anfang 2017 erholen dürften. Laut Wolf kompensiert derzeit auf dem Weltmarkt das Rohstoff-Überangebot aus der EU sinkende Milchanlieferungen in Ozeanien, den USA und in Südamerika. Der Banker verwies darauf, dass 50 % der zusätzlichen Rohstoffmenge in der EU in 2015 in Irland und in den Niederlanden gemolken wurde.
War es noch im zweiten Halbjahr 2015 war es aufgrund des schwachen Eurokurses für europäische Molkereien attraktiver, in den Export zu vermarkten anstatt in die Intervention zu liefern. Dies hat sich nun geändert. In den ersten sieben Wochen des laufenden Jahres wurde bereits so viel Ware interveniert wie im gesamten zweiten. Halbjahr 2015, berichtete Wolf. Dies sei aber auch positiv zu werten, weil so Ware aus dem Markt verschwindet und der Druck auf die Preise gemindert wird. Jedenfalls, so Wolf, braucht der Umschwung eine nachfrageinduzierte Erholung im Markt. Selbst wenn das russische Embargo in den kommenden Wochen fallen sollte, werde sich der Milchmarkt nicht grundlegendes ändern, glaubt Wolf. Die Warenströme hätten sich inzwischen verändert, die Milch fließe in neue Kanäle. Russland werde in jedem Fall nicht mehr so viel Ware aufnehmen wie vor dem Embargo. Hingegen sieht der Marktanalyst China auch auf lange Sicht noch als Nettoimporteur von Milchprodukten. Langfristig sei der Ausblick denn auch positiv, allerdings werde die 40 Cent-Marke bei den Milchpreisen nicht so schnell wieder übersprungen.

Mengenregelung: Die EU hat gerade andere Probleme

Prof. Dr. Dr. Thomas Roeb (Hochschule Bonn-Rhein-Sieg) thematisierte die aktuelle Diskussion einer Mengenregelung. Nicht nur dass den Handel  die Marktsituation so gar nicht beschäftige, Roeb zufolge kommt dieses „falsche“ Ansinnen zur falschen Zeit, denn gerade erst hat die EU die Milchquote abgeschafft. Angesichts der aktuellen Probleme – Stichwort Finanzkrise und Flüchtlingswelle – habe die EU andere Sorgen als das Thema Mengenregelung. „das holt keiner mehr aus der Mottenkiste.“
Die Molkereien warnte Roeb davor, die steigende Beliebtheit von Milchimitaten nicht zu unterschätzen. Wurde Analogkäse vor Jahren noch verteufelt, so ist er heute angesichts der Vegan-Welle fast schon zum Premiumprodukt geworden. Roeb sieht im Bereich der Alternativprodukte durchaus Chancen für Molkereien, es gebe hier Preisspielraum. 20 % der Verbraucher, zumeist junge Frauen, interessieren sich für Milchersatzprodukte."

Einige Molkereien werden noch verschwinden

Dr. Werner Motyka, Munich Strategy GmbH referierte zum Thema Zukunftsfähigkeit von Unternehmen der Lebensmittelindustrie. Laut Motyka wird gerade die Milchindustrie in den kommenden Jahren, ausgelöst durch gesättigte Märkte und den damit anhaltenden Druck des Lebensmittelhandels in Zugzwang geraten. Ein organisches Wachstum dürfte kaum noch möglich sein. Eine Befragung von Molkereien decke auf, dass sich im Markt Unternehmen befinden, die stark wachsen, aber auf Dauer zu wenig Geld verdienen. Daneben gibt es Molkereien, die gutes Geld verdienen, aber kaum wachsen, sowie Unternehmen (Underperformer), bei denen Gewinn und Wachstum nicht befriedigen. Letztere gelten als Übernahmekandidaten. Bei Kooperationen steht in der Branche meist die Effizienzsteigerung im Vordergrund, während es bei Aufkäufen vor allem um Marktanteile und Marktzugang geht.

International am Ball bleiben

Gerald Lindinger Pesendorfer (Dr. Wieselhuber & Partner) stimmte hingegen die Milchbranche auf kurzfristig schwere Zeiten ein (more pain). Die Molkereibranche schneidet bei den Gewinnen im Vergleich zur Lebensmittelindustrie deutlich schlechter ab. Der Unternehmensberater empfahl den anwesenden Molkeristen, mehr Wert auf die Entwicklung eigener Marken zu legen (geben Orientierung in Krisenzeiten). Angesprochen auf die Internationalisierung, empfiehlt Lindinger Pesendorfer nicht wahllos, sondern gezielt vorzugehen! Wichtig sei aber, sich im Ausland nach Partnern und Märkten umzuschauen, denn der Zug in Richtung Internationalisierung sei schon fast abgefahren, die meisten deutschen Molkereien haben hier bereits den Anschluss verpasst. Sparen sei jetzt nicht in jedem Fall die richtige Entscheidung, mahnte der Berater, denn ohne Investitionen lass sich kein Unternehmen langfristig wettbewerbsfähig halten.
Der Molkereikongress 2016 wurde am 24./25. Februar in München von der Lebensmittel Zeitung ausgerichtet.