Mengenbegrenzung durch die Hintertür?

Verbände und Politik eint derzeit die Forderung nach Soforthilfen für die Milcherzeuger. Uneins sind sich die Akteure jedoch im Hinblick auf die Ausgestaltung regulierender Maßnahmen. Für Irritationen sorgte diese Woche Agrarminister Christian Schmidt, der über andere Instrumente einer Mengensteuerung reden will.

„Was wir dringend brauchen, ist ein wirksames Instrument zur freiwilligen Mengenreduzierung im Krisenfall“, erklärte diese Woche die Rheinland-Pfälzische Agrarministerin Ulrike Höfken (Bündinis 90/Die Grünen). Als möglichen Ansatz brachte die Ministerin einen finanzieller Ausgleich für eine Senkung der Milchproduktion ins Gespräch. So könnte beispielsweise die Vergabe von Liquiditätshilfen an eine Reduzierung der Erzeugungsmenge gebunden werden. Auch kann sich Höfken vorstellen, dass Betriebe, die jetzt ihre Milchlieferung um mindestens fünf Prozent in Bezug auf einen festzulegenden Vergleichszeitraum runterfahren, dafür einen finanziellen Ausgleich erhalten. Denn stabile Preise seien nur erreichbar, wenn es dauerhaft gelänge, die Milchmenge an die Nachfrage anzupassen.
Neben der Grünen Politikerin fordern auch Agrarexperten aus den Reihen der SPD und CSU ein Eingreifen in den Milchmarkt. Für Irritationen in der Branche sorgte die Äußerungen von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, der nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus den Ländern in Berlin zwar eine Rückkehr zur einer staatlichen Quotenregelung ausschloss, jedoch über andere Instrumente einer Mengensteuerung reden wolle, so der CSU-Politiker vor Journalisten in Berlin. Schmidt nannte keine Einzelheiten; klar sei jedoch, dass es „keine Denkverbote“ gebe.

Klare Absage von den Verbänden

Auf wenig Verständnis stoßen Höfken und Schmidts Überlegungen beim Deutschen Bauernverband (DBV) und dem Deutschem Raiffeisenverband (DRV). Der DBV lehnt ein neues Mengensteuerungssystem ab und sieht sich gleichzeitig in der Ankündigung eines Exportgipfels durch den Bundesminister darin bestätigt, dass eine verstärkte Absatzförderung und eine Exportoffensive notwendig seien. Die dazu von der EU-Kommission bereitgestellten finanziellen Mittel müssten aber weiter aufgestockt werden, so der DBV.
Auch der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Manfred Nüssel, lehnt eine Rückkehr zu mengensteuernden Maßnahmen im EU-Milchmarkt ab. Angesichts offener Märkte und des Einflusses weltweiter Angebots- und Nachfrageentwicklungen kann es auf dem europäischen und nationalen Markt weder mit staatlichen noch privaten Modellen gelingen, Milchpreise für längere Zeiträume zu gestalten, erklärte der DRV-Präsident. Nüssel betonte, dass die Molkereiwirtschaft auch künftig im Exportgeschäft auf eine intensive Unterstützung von Seiten der Politik angewiesen sei. Nur so könne es Molkereien gelingen, Exportchancen auch im Interesse der Milcherzeuger bestmöglich zu nutzen. Konkret nannte Nüssel in diesem Zusammenhang bilaterale Handelsabkommen bis hin zur Vereinbarung praxisgerechter Exportbedingungen sowie Zertifikate für deutsche Produkte in Drittländern.

Beim europäischen Milchindustrieverband (EDA; European Dairy Association) lehnt man es rundweg ab, über eine Einführung einer Mengensteuerung zu diskutieren. In aller Eile zusammengezimmerte Hilfsprogramme mögen vom politischen Willen zum akuten Krisenmanagement zeugen, erklären EDA-Präsident Michel Nalet und Generalsekretär Alexander Anton in einem Gastbeitrag im MIV-Politikreport, „was fehlt, ist eine strategische Neuausrichtung der europäischen Milchpolitik.“ Mit dem im September beschlossenen Maßnahmenpaket haben nach Ansicht des EDA die europäischen Agrarminister eine Chance vertan, den Anspruch auf eine europäische Gestaltung der Agrar- und Milchpolitik zu untermauern. Der EDA hätte sich eine Anpassung des Interventionspreises für Magermilchpulver, der seit 2007 bei 1.690 Euro pro Tonne liegt, auf ein in 2015 marktkompatibles Niveau gewünscht. Auch wenn diese Maßnahme den Milchpreis nicht über Nacht hätte ansteigen lassen, sei aber die Wirkung auf die Märkte klar gewesen. „Wenn ökonomische Daten auf Marktpsychologie treffen, gewinnt immer die Psychologie.“

Streit über Anhebung der Interventionspreise

Von einer Anhebung der Interventionspreise für Butter und Magermilchpulver will wiederum der DRV nichts wissen (nicht zielführend). Sie würde zu einer Verlängerung des Preistiefs beitragen. Wie DRV-Präsident Nüssel erklärte, bedarf es zur Verbesserung der unbefriedigenden Einkünfte der Milcherzeuger nicht nur höherer Preise für einzelne Produkte, sondern über alle Segmente hinweg. Andernfalls könnte es zu Verzerrungen in den Auszahlungsmöglichkeiten zwischen den in verschiedenen Produktbereichen tätigen Molkereien kommen, warnte der DRV-Präsident. Dabei verwies er insbesondere auf Käse, in dessen Herstellung mehr als die Hälfte der Milch hierzulande geht. 
Vorstellbar sei allenfalls die Gewährung von Beihilfen für die private Lagerhaltung von Butter und Magermilchpulver sowie die Öffnung der Intervention auch außerhalb der in der Einheitlichen Marktordnung festgelegten Zeiträume (derzeit bis Ende September 2016).

Agrarminister wollen keine vorzeitige Auszahlung der Hilfsmittel

Immerhin eine konkrete Ansage statt weiteren Forderungen gab es diese Woche: Die Minister der Bundesländer waren sich laut Backhaus einig, dass eine mögliche vorzeitige Vorauszahlung von 70 Prozent der Flächenprämien ab dem 16. Oktober „aufgrund des hohen Verwaltungsaufwandes und der großen Sanktionsgefahr durch die EU“ nicht stattfinden wird. „Unser Ziel bleibt es, im Dezember 100 Prozent auszuzahlen“, sagte Backhaus.
Positiv aus Sicht der Milcherzeuger ist, dass mittlerweile fast alle Finanzämter in den Ländern bereits grünes Licht zur Stundung von Steuerschulden gegeben haben.