Kein Konsens in der Milchkrisen-Politik

Erneute Kritik gegen die aktuell gefahrene Politik in der Milchkrise gaben die Landwirtschaftsminister Höfken (Rheinland-Pfalz) und Meyer (Niedersachsen) bei einem Symposium zum Milchmarkt in Berlin. Beide sehen in einer neuen Mengenregulierung das Allheilmittel. Andere Branchenvertreter nicht.

Daran, dass der Milchmarkt in Europa nicht ohne eine Mengenregulierung funktioniere, halten die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken und ihr niedersächsischer Amtskollege Christian Meyer unverrückbar überzeugt fest. Bei einem Symposium zum Milchmarkt am vergangenen Donnerstag (26.11.) in Berlin wurde wiederholt über Handlungswege diskutiert, die den deutschen sowie europäischen Milchmarkt in Zeiten anhaltend niedriger Milchpreise stabilisieren und damit die Milcherzeuger stärken könnten. Nach Angaben von Höfken seien derzeit bundesweit rund 76.000 Milcherzeugerbetriebe sowie 30.000 Arbeitsplätze bei den Molkereien bedroht. Kontra in Sachen Mengenregulierung gaben dagegen unter anderem der Göttinger Agrarökonom Dr. Markus Fahlbusch.

Die Stimmen des Symposiums zusammengefasst:

Die Landwirtschaftsministerin der Rheinland-Pfalz, Ulrike Höfken, warf der EU, der Bundesregierung und dem Bauernverband vor, mit der von ihnen verfolgten Exportstrategie die vorwiegend bäuerlichen Strukturen der europäischen Landwirtschaft zu schwächen und gleichzeitig Dumpingpreise auf dem Weltmarkt zu fördern. Stattdessen müsse bei der Milchproduktion auf EU-Märkte, Qualität und Regionalität gesetzt werden, betonte sie. Immerhin entscheide sich der wirtschaftliche Erfolg der Landwirtschaft zu 90 % auf dem Binnenmarkt, so die Ministerin. Nach dem Wegfall der Milchquote seien zudem neue Werkzeuge zur Mengenregulierung in Krisenzeiten unerlässlich. „Wir suchen nach Instrumenten, mit denen in Krisenzeiten wirksam Milch vom Markt genommen werden kann, um den Preisverfall zu verhindern und den Markt zu stabilisieren. Private Lagerhaltung und staatliche Intervention verschieben das Problem nur“, erklärte Höfken. Auch die deutsche Agrarministerkonferenz habe von der Bundesregierung bessere Kriseninstrumente für den Milchmarkt gefordert.
Christian Meyer, Landwirtschaftsminister Niedersachsen, warnte davor, bei der Diskussion über geeignete Kriseninstrumente Vorschläge wie eine flexible Milchmengenregulierung zu tabuisieren. Eine ganz ähnliche Regelung sei in Reaktion auf das russische Importembargo im europäischen Obst- und Gemüsebau angewendet worden und habe sich als hilfreich erwiesen. Solche Eingriffe seien ohnehin in vielen Märkten normal und stießen nur bei der Milch auf große Ablehnung, so der Minister. Nach seinen Angaben hat der Preiseinbruch um rund 10 ct/l allein die niedersächsischen Milchbauern bereits 800 Mio. Euro gekostet. Auch Meyer sieht deshalb Handlungsbedarf und hält zeitlich befristete Eingriffe in das Angebot für das Mittel der Wahl.

Es muss sich etwas ändern, aber was?

Zu den Auswirkungen einer Milchmengenbegrenzung auf den Markt und zu möglichen alternativen Lösungsvorschlägen, gingen die Meinungen auf dem Symposium gewohnt stark auseinander:
Beim Landvolk Niedersachsen stößt die Idee der Mengenregulierung unverändert auf keine Gegenliebe. Landvolkvizepräsident Albert Schulte to Brinke erteilte einer Mengensteuerung erneut eine klare Absage. Er betonte, die Effekte solcher Angebotseingriffe seien von etlichen Experten als äußerst gering beurteilt worden, was selbst unter der Annahme eines geschlossenen EU-Marktes gelte. Für Schulte to Brinke ist die Marktausrichtung der Milch- und Molkereiwirtschaft ungeachtet der derzeitigen Probleme der richtige Weg.
Ludwig Börger vom Deutschen Bauernverband (DBV) wies darauf hin, dass der Selbstversorgungsgrad bei Milch und Milchprodukten in Deutschland bei 116 % liege. Maßnahmen zur Mengensenkung würden da schnell verpuffen. Ohnehin würden viele Fachleute die Wirksamkeit und die Umsetzbarkeit einer entsprechenden Mengenbeschränkung bezweifeln, zumal in einem solchen Fall EU-weit schnell über riesige Mengen geredet werden müsse.
Der Milchmarktexperte sieht in einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Milcherzeuger, politischen Anreizen zur Risikovorsorge sowie in dem Aufbau eines echten Sicherheitsnetzes nach unten die bessere Alternative.
Der Agrarökonom Dr. Markus Fahlbusch von der Universität Göttingen befürchtet, das bei der Einführung einer wie auch immer gearteten Mengenbeschränkung Fehlanreize entstehen könnten, die den Markt in immer neue Spiralen aus Preisvolatilitäten und Angebotssprüngen treibt. Ein zu früher Einstieg in die Angebotssenkung könnte etwa andere Länder mit ähnlichen oder niedrigeren Produktionskosten zur Ausweitung ihrer Milcherzeugung ermuntern. Andererseits könnte eine zu späte Mengenregulierung zu einem übermäßigen Preisanstieg führen, der die Grundlage für die nächsten Angebotsüberschüsse schaffen würde. Hier drohe im schlimmsten Fall die Gefahr einer ständigen Krisensituation, warnte Fahlbusch.
Er rät stattdessen zu einer steuerlichen Regelung für eine Risikoausgleichsrücklage.
Romuald Schaber vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) bezeichnete indes den ersatzlosen Wegfall der europäischen Milchquotenregelung als fahrlässig. Die derzeit zur Verfügung stehenden Kriseninstrumente reichten nicht aus, um eine schnelle Lösung herbeizuführen. Notwendig sei eine zeitlich befristete Mengenregulierung auf EU-Ebene, so Schaber. Er verwies auf den Vorschlag seines Verbands, nach dem auf Basis eines Marktindexes ein dreistufiger Regulierungsmechanismus ausgelöst wird, mit dem der Milchmarkt in Krisen stabilisiert werde solle: 1. Absatzförderprogramm und Stärkung der privaten Lagerung;  2. freiwilliges Begrenzungssystem (Abgaben für „Vielerzeuger“ und Boni für Betriebe, die weniger produzieren);  3. zeitlich befristete Deckelung der Produktion aller Betriebe.
Nach Darstellung des Vorsitzenden vom MEG Milchboard, Peter Guhl, hat das Quotenende für eine völlig neue Situation am Milchmarkt gesorgt. Er sieht die Erzeuger dadurch gegenüber den Molkereien benachteiligt und fordert eine bundesweit umzusetzende vertragsgebundene Milcherzeugung, die Position der Milcherzeuger stärke. So lasse sich eine bedarfsgerechte Milchproduktion noch am ehesten umsetzen. Gleichzeitig hätten alle Beteiligten dann Klarheit über Mengen und Preise, so Guhl. Die Andienungspflicht ist aus seiner Sicht nicht mehr zeitgemäß und sollte zu Gunsten solcher Vertragskonstruktionen abgeschafft werden.
Dr. Björn Börgermann vom Milchindustrie-Verband (MIV) verwies im Zusammenhang einer vertragsgebundenen Milcherzeugung auf die Privatmolkereien, wo solche Vertragsbeziehungen bereits Gewohnheit seien. In den Genossenschaftsmolkereien könnten die Erzeuger zudem über die Satzung Änderungen in den Lieferbedingungen erreichen. Auch die Andienungs- und Abnahmepflicht hat laut Börgermann weiter ihre Berechtigung. So biete sie den Bauern gerade in Überschusszeiten Sicherheit. Eine Einflussnahme des Staates auf die Lieferbeziehungen von Landwirten und Verarbeitern lehnt der MIV-Vertreter daher ab.
(AgE)