Emissionen aus der Milchviehhaltung – Können wir das Ausmaß beeinflussen?

Seit nun mehr 3 Jahren laufen in dem 2010 fertiggestellten Außenklima-Versuchsstall auf dem Lehr- und Versuchsgut Haus Riswick Untersuchungen zu Emissionen von klimaschädlichen Gasen aus der Milchviehhaltung. Welche Erkenntnisse bisher gewonnen wurden, erfahren Sie hier.

International erste Studie unter Praxisbedingungen

Ziel der Untersuchungen war es, Emissionen von umwelt- und klimarelevanten Gasen wie Ammoniak und Methan aus freibelüfteten Milchviehställen zu erfassen sowie emissionsmindernde Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Der öffentlichen These, dass Wiederkäuer und dabei insbesondere Kühe durch ihre natürlichen Stoffwechselprozesse das Klima schädigen, sollte nun wissenschaftlich nachgegangen werde. Mit dem extra für derartige Messungen konzipierte Boxenlaufstall wird den Studien auf Haus Riswick international eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Denn die meisten Erfassungen zur Gasproduktion von Wiederkäuern werden unter standardisierten Laborbedingungen getätigt und erlauben so keine direkten Rückschlüsse auf die Bedingungen in der Praxis.
 
Der Stall ist in drei Stallabteile gegliedert, dabei unterscheidet sich nur die Bodengestaltung: Zwei Bereiche sind mit Spaltenboden und darunter liegendem Güllekanal ausgelegt und das dritte mit planbefestigtem Boden. Ansonsten sind die Ausführungen der Liegeboxen (Hochboxen mit Gummimatratze und Späneeinstreu) und die Anordnungen der Wiegetröge und Tränken identisch. Der jeweilige Luftraum der Stallabteile ist durch Folienwände vom First bis zum Boden abgetrennt, sodass sich die Luftmengen und die darin befindlichen Gaskonzentrationen nicht vermischen können. Die Stallluft wird über Schlauchsysteme aus den verschiedenen Stallbereichen gezogen und über einen Gaschromatographen analysiert. Eine besondere Herausforderung stellte bei den Untersuchungen die Berücksichtigung der teilweise enorm hohen und immer variierenden Luftwechselraten im Stall dar. Die dadurch bedingten Verdünnungseffekte mussten penibel berücksichtigt werden, um sichere Ergebnisse zu gewinnen.
Versuchsstall

Einblick in den Versuchsstall: Ausgestattet mit Wiegetrögen an beiden, außenliegenden Futtertischen und durch Folienwände voneinander getrennte Stallbereiche. (Bildquelle: Elite Magazin)

Methanemissionen zu 80 % direkt von den Kühen

Bei den Gasuntersuchungen konnte festgestellt werden, dass die Methanemissionen hauptsächlich von der Kuh direkt ausgehen. Denn sobald die Kühe ihre Stallabteile aufgrund der Melkung im externen Melkhaus verlassen hatten, sanken die Methankonzentrationen in der Stallluft erheblich ab. Prof. Dr. Wolfgang Büscher des Instituts für Landtechnik in Bonn, fasste als Verantwortlicher für die Haltungsuntersuchungen zusammen, dass etwa 80 % des Methanaufkommens direkt von der Kuh ausgingen und nur 20 % aus ihrer Umgebung, also dem Haltungssystem – welchem so eine vergleichsweise kleine Bedeutung als Stellschraube zur möglichen Reduzierung zukommt. 

Spalten- oder planbefestigter Boden macht kaum einen Unterschied

Ob gezielte Maßnahmen im Haltungssystem trotzdem zur Minderung der Emissionen beitragen können, wurde in folgender Versuchs-Konstellation untersucht: Es wurden die drei oben beschriebenen Stallbereiche (2 x Spalten, 1 x planbefestigt) gesondert betrachtet, wobei in einem der Spaltenställe die unter Flur lagernde Gülle regelmäßig intensiv aufgerührt wurde und in dem anderen gar nicht. Verständlicherweise wurden beim Gülleaufrühren spontan deutlich erhöhte Konzentrationen an Gasen freigesetzt.
Insgesamt zeigten die Messungen im Jahresmittel teilweise überraschende Ergebnisse: Der planbefestigte Boden, bei dem eigentlich der Mist zügig aus dem Stall geräumt wird, schnitt im Vergleich mit unerwartet hohen Emissionen pro Großvieheinheit (GV) und Tag ab. So waren die gemessenen Methan (CH4)- und Ammoniak (NH3)- Konzentrationen im System Spaltenboden ohne regelmäßiges Aufrühren am geringsten (um 16 % geringer als im gerührten System; um 7 % geringer als im planen System). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Werte hohe Varianzen aufwiesen und damit nicht signifikant abgesichert sind, sowie das beim planbefestigten Boden die Emissionen aus der Lagerung nicht mitberücksichtigt wurden.

Stallsystem

CH4 in g pro GV und Tag

NH3 in g pro GV und Tag

Spaltenboden mit regelmäßigem Gülleaufrühren

375

36

Spaltenboden ohne Gülleaufrühren

322

28

Planbefestigt mit Schieberentmistung

(ohne Berücksichtigung des Güllelagers!)

345

34

Da sich die gemessenen Emissionen der drei Systeme nur geringfügig voneinander unterscheiden, spielt die Ausführung des Stallbodens nach Erkenntnissen von Prof. Dr. Büscher eher eine unbedeutende Rolle. Wichtig hingegen sei hier das Management. So sei ein sehr häufiges Aufrühren aus klimaschonender Sicht als kontraproduktiv zu bewerten und Abdeckungen der Güllelager (Hochbehälter) senken, je nach Art unterschiedlich wirksam, nachweislich das Emissionsaufkommen.

Weniger Methanausstoß bei maissilagebetonter Ration

Das Methan wird von der Kuh vornehmlich beim Ruktus (Aufstoßen des Futterbreis aus dem Vormagensystem zum Wiederkauen) in die Umgebung abgegeben. Es resultiert aus den anaeroben Gärprozessen im Pansen und ist damit ein natürliches Stoffwechselprodukt aus dem Organismus des Wiederkäuers. Also kommt dem Verdauungsprozess im Magen-Darm-Trakt der Kuh hier eine besondere Bedeutung zu – doch wie kann über verschiedene Fütterungsansätze oder gar über die Genetik möglicherweise der Methanausstoß pro Kuh reduziert werden? In der Studie wurden zwei Ansätze verfolgt:

  • es wurden die Auswirkungen einer grassilagebetonten (600 g/kg TM Grassilage; 110 g/kg TM Maissilage) und einer maissilagebetonten (167 g/kg TM Grassilage; 590 g/kg TM Maissilage) Ration (+ Struktur und Konzentrat-FM) auf den Methanausstoß verglichen

  • sowie der Einfluss eines Futterzusatzes (nur für den Versuch zugelassen) von Akazientanninen (Bitterstoffe, welche die Akazie vor Verbiss schützen), die proteinbindend wirken sollen und damit möglicherweise in der Lage dazu sind die Ammoniakemissionen zu senken. Der Zusatz wurde jeweils über 6 Wochen mit 1 % und 3 % der Trockenmasse (TM)-Aufnahme oral über die Ration verabreicht.

Die Futteraufnahme der einzelnen Tiere konnte über Wiegetröge und Wiegetränke exakt ermittelt werden, was letztendlich Aussagen über die Emissionen pro kg TM-Aufnahme erlaubt.
 
Ergebnis Rationsvergleich
  • es wurden die Auswirkungen einer grassilagebetonten (600 g/kg TM Grassilage; 110 g/kg TM Maissilage) und einer maissilagebetonten (167 g/kg TM Grassilage; 590 g/kg TM Maissilage) Ration (+ Struktur und Konzentrat-FM) auf den Methanausstoß verglichen

  • sowie der Einfluss eines Futterzusatzes (nur für den Versuch zugelassen) von Akazientanninen (Bitterstoffe, welche die Akazie vor Verbiss schützen), die proteinbindend wirken sollen und damit möglicherweise in der Lage dazu sind die Ammoniakemissionen zu senken. Der Zusatz wurde jeweils über 6 Wochen mit 1 % und 3 % der Trockenmasse (TM)-Aufnahme oral über die Ration verabreicht.

Bei einer durchschnittlichen Trockenmasseaufnahme (TM) von 21 kg pro Kuh und Tag schnitten die Kühe mit der maisbetonten Ration mit einem etwas geringeren Methanausstoß pro Tag besser ab. So lagen die durchschnittlichen Werte der „Grassilagegruppe“ bei 360 g Methan pro Kuh und Tag und bei der „Maissilagegruppe“ um etwa 20 g niedriger, bei 340 g pro Kuh und Tag. Den Verlauf der Versuchsergebnisse finden Sie in der folgenden Grafik, wobei in den ersten zwei Wochen eine Anpassungsfütterung für die Versuchskühe erfolgte (beide Gruppen erhielten die gleich Ration).
Methanemission

Methanemission der grassilage- und der maissilage-betonten Ration im Vergleich (Bildquelle: Elite Magazin)

Dr. Sebastian Hoppe, Referent für Rinderhaltung der LWK NRW auf Haus Riswick für die Fütterungsversuche verantwortlich, wies im Hinblick auf das Ergebnis darauf hin, dass diese Ergebnisse einer Beispielration seien. Also mit variierenden Anteilen an Futterkomponenten in einer Ration sicherlich andere Ergebnisse erzielt würden. Zudem ist und bleibt die Milchviehhaltung bezüglich ihres benötigten Grundfutters von den Standortbedingungen abhängig und müsse letztendlich mit dem wirtschaften, was zur Verfügung stehe – also kann nicht pauschal von einer 2/3 Maissilage - 1/3 Grassilage-Ration im gesamten Bundesgebiet ausgegangen werden! Fakt ist, dass die Fütterung das Emissionsausmaß beeinflussen kann.
Ergebnis Akazientannine
In der ersten Versuchsphase erhielt die Versuchsgruppe die 1 %ige Tanningabe, die dann in der zweiten Phase auf 3 % angehoben wurde. Die folgende Grafik gibt die Ergebnisse übersichtlich wieder: Versuch- und Kontroll (keine Tanningabe)-Gruppe unterscheiden sich bei einer 1 %- Gabe nicht bezüglich ihrer Ammoniakausscheidungen. Bei der 3 %-Gabe allerdings schon: die NH3-Ausscheidung lag zwischen 30 bis 40 g geringer als in der Kontrollgruppe.
Ammoniakemission

Einfluss einer 1 %- und einer 3 %-Gabe von Akazientanninen auf die Ammoniakemissionen (Bildquelle: Elite Magazin)

Eine eigentlich geplante Steigerung der Tanningabe auf 5 % wurde nicht durchgeführt, da sich bereits bei der 3 %-Gabe bedenklich niedrige Harnstoffgehalte in der Milch einstellten. Eine Wirksamkeit der Tannine konnte bestätigt werden – allerdings ist ihr Einsatz nur begrenzt möglich, um nicht die bedarfs- und leistungsgerechte und damit tiergerechte Ernährung der Kühe zu gefährden.

Je höher die Leistung, desto geringer die Emission je Liter Milch

Als Fazit blieb aus der Präsentation der ersten Ergebnisse aus dem Versuchsstall Haus Riswick festzuhalten, dass ja, Rinder schlicht und ergreifend klimarelevante Gase ausscheiden, dieses aber einfach der Natur eines Wiederkäuers entspricht. Das Ausmaß an Emissionen aus der Milchviehhaltung ist bisher nur geringfügig beeinflussbar. Eine Minderung der Emissionen durch das Fütterungsmanagement zu erreichen ist bisher noch nicht praxisreif. Für die Zukunft sind allerdings weitere Versuche bezüglich verschiedener Ansätze geplant, wie etwa ein gezielter Ersatz von Eiweißfuttermitteln durch Aminosäuren, um möglicherweise so Proteinüberschüsse zu reduzieren.
Bei all dem sollte die bedarfs- und leistungsgerechte Ernährung der Kühe an erster Stelle stehen – denn so waren sich alle Beteiligten im Versuch einig: Die Emission klimarelevanter Gase auf den Liter Milch bezogen, ist bei hochleistenden Kühen (10.000 kg +) deutlich geringer als bei Kühen mit einer Milchleistung unterhalb von 8.000 bis 9.000 kg! Eine intensive Fütterung unserer Milchkühe, die deren genetisches Leistungspotenzial ausschöpft, ist laut Dr. Hoppe auch aus Sicht des Klimaschutzes gut zu vertreten.