EU: Zukunft des Milchsektors spaltet die Fraktionen

Laut der Europäischen Kommission befindet sich der europäische Milchsektor nicht in einer Krise. Dass über diese Einschätzung jedoch insbesondere für die Zukunft keine Einigkeit unter Wissenschaftlern, Verbänden und Politikern herrscht, machen die Stimmen bei einer Anhörung dazu im EU-Parlament deutlich!

Der europäische Milchsektor befindet sich nicht in der Krise – so die Einschätzung der Europäischen Kommission. Das hat EU-Agrarkommissar Phil Hogan vergangene Woche beim Agrarrat in Brüssel unterstrichen. „Ich bin sicher, dass man im Milchsektor noch immer gehörige Gewinne machen kann und es keine Krise gibt“, erklärte er.
Die Milchpreise hätten sich trotz des internationalen Nachfragerückgangs im Großen und Ganzen gut behauptet. Der Erzeugerpreis habe Ende November – der vorerst jüngste Monat mit Zahlen für alle Mitgliedstaaten – im EU-Mittel bei 34 ct/kg gelegen, während die bisherigen Rückmeldungen für Januar auf gut 32 Cent hindeuteten. Das sei noch immer ein vernünftiges Niveau, wenn man die Preisspitzen der vergangenen zwei Jahre und den jüngsten Rückgang der Futterkosten mitberücksichtige, begründete Hogan die Einschätzung.
Mit Blick auf das Auslaufen der Garantiemengenregelung Ende März kündigte er jedoch an, dass die Kommission die Beihilfen zur privaten Lagerhaltung von Butter und Magermilchpulver über Februar hinaus bis Ende September 2015 verlängern werde.

Zukunft des Milchsektors spaltet die Fraktionen

Bei einer Anhörung zur Zukunft des Milchsektors im Europaparlament waren die Meinungen gespalten: Während Wissenschaftler, Vertreter des Deutschen Bauernverbandes (DBV) sowie der EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA) eher auf die Chancen der Milchproduktion an den internationalen Märkten abzielten, warnten unter anderem das European Milk Board (EMB) sowie Politiker der Fraktion Die Grünen/EFA vor dem „blinden Glauben an den sogenannten freien Markt“.
Die Anhörung erfolgte im Vorfeld der Erarbeitung eines Entschließungsentwurfs zum Milchmarkt, für den der konservative Nordire James Nicholson die Federführung übernommen hat.
Stimmen aus dem Europaparlament:

Prof. Ludwig Theuvsen, Universität Göttingen: Mengensteuerung verfehlt

Prof. Ludwig Theuvsen von der Universität Göttingen betonte, dass die langfristigen Aussichten für den Milchmarkt trotz der jüngsten Preisrückgänge gut blieben. Dafür sorgten das globale Bevölkerungswachstum und der damit verbundene Nachfrageanstieg nach qualitativ hochwertigen Produkten. Während der Ökonom ein begrenztes Sicherheitsnetz für sinnvoll erachtet, hält er eine zentrale Mengensteuerung für nicht zielführend, extrem bürokratisch und schwierig in der Umsetzung. Als Beispiel führte er Kanada an. Die dort seit langem praktizierte Angebotssteuerung habe den Strukturwandel nicht verhindert, aber die internationale Wettbewerbsfähigkeit des kanadischen Milchsektors verschlechtert.
Nach Ansicht von Theuvsen dürfen Preisschwankungen nicht als Argument für eine protektionistische Milchpolitik herangezogen werden. Vielmehr gehe es darum, das einzelbetriebliche Risikomanagement zu stärken. Von einem Freihandelsabkommen mit den USA verspricht sich Theuvsen mehr Chancen als Risiken, denn die EU habe ein differenziertes Angebot. Allerdings müsse man regionale Produkte und europäische Qualitätsstandards schützen.

Sieta van Keimpema, European Milk Board: Strafabgaben als Instrument beibehalten

Die EMB-Vizepräsidentin Sieta van Keimpema plädierte einmal mehr für die Einführung einer Mengensteuerung nach einem Bonus-Malus-Konzept. Dieses Instrument sollte jedoch nur im Krisenfall eingesetzt werden. Dazu müsse man jedoch definieren, was eine Krise ausmache. Eine weitere Liberalisierung des Milchmarkts führe nur zu einer noch größeren Preisvolatilität.
Für van Keimpema sind Milcherzeuger, die ihre Produktion übermäßig ausdehnen, potenzielle Verursacher von Preisrückgängen. Deshalb sollten sie im Falle eines tatsächlichen Preisverfalls mit einer Strafabgabe dafür zur Verantwortung gezogen werden. In diesem Zusammenhang bedauerte die EMB-Vizepräsidentin den künftigen Wegfall der Superabgabe. Wie wirkungsvoll diese Instrument sei, belegten die jüngsten saisonalen Produktionsrückgänge in Erwartung einer teilweise sehr hohen Superabgabe für 2014/15.
(AgE)