Elite Workshop

Überleben mit 27 Cent

Die Milchkrise ist noch lange nicht vorbei. Was beim Durchhalten hilft und wie sich die Milchkrise überstehen lässt, das diskutierten diese Woche 200 Milcherzeuger und Berater in drei Elite-Workshop "(Über-)Leben mit 27 Cent" in Papenburg, Meinerzhagen und in Ottobeuren.

Die schlechte Nachricht gab's gleich zu Beginn des Workshops: Mit steigenden Milchpreisen ist vor Ende des 3. Quartals 2016 zu rechnen. Im Frühjahr 2016 ist sogar mit einer weiteren Preisdelle zu rechnen – diese trübe Aussicht beruht auf einer Vielzahl von Expertisen und wirtschaftlicher Indikatoren, die in den letzten Wochen veröffentlicht wurden. So richtig aufwärts gehen wird es für das Gros der Milcherzeuger nach Einschätzung der EU-MArktexperten wohl erst zum Ende der Dekade. Erst ab 2020 wird sich laut den Analysen in der EU der durchschnittliche Milchpreis  bei 35 Cent einpendeln. Für die Milcherzeuger bedeutet dies: Knallhart sparen und sorgfälltig zu kalkulieren.
Gregor

(Bildquelle: Elite Magazin)

Aber nicht nur die nierdrigen Milchpreis stellen laut dem Elite-Chefredakteur Gregor Veauthier vielerorts derzeit die Milchproduktion in Frage, auch die Politik" erschwert vor allem mit Verschärfungen von Umweltauflagen und durch erschwerte Baugenehmigungsverfahren das Überleben (vor allem kleinerer Milcherzeuger). Hinzu kommt noch die zunehmend kritische Berichterstattung in den Medien, die so manchen Milcherzeuger zermürbt. 
Alle diese Entwicklungen führen derzeit zu einem rasant verstärkten Strukturwandel. Mittlerweile verabschieden sich denn auch schon Milcherzeuger mit leistungsfähigen" Produktionsstrukturen von der Milcherzeugung. Es mag hart klingen klingen, aber der Preiskampf im Einzelhandel und der politische Druck (immer höhere Auflagen) könnte letztlich dazu führen, dass langfristig auf der Angebotsseite  etwas „Luft“ entsteht. In der Folge könnten die dann die Milchpreise anziehen.

Ohne gute Spezialberatung geht es nicht

Unbestritten ist, dass zu den jetzigen Milchpreisen kein Milcherzeuger kostendeckend produzieren kann. In Schleswig-Holstein kommen gerade mal 2 % der Milchkuhbetriebe mit 28 Cent über die Runden, erklärte Rolf Tietjen von der Agrar-Beratung Süd-Holstein in seinem ersten Referat. Er empfhal Milcherzeugern kurzfristig Hilfsmittel zu suchen, um die Liquiditätslücke 2016 zu überbrücken. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Ermittlung des gesamten Kapitaldienstes, die Aufstellung sämtlicher Finanzierungen, die Erstellung einer Liquiditätsvorschau bzw. eines Planes und die Ermittlung vorn eventuell noch möglichen Reserven anhand der Betriebszweigauswertung (BZA).
Zur schnellen  Beurteilung der finanziellen Belastung eines Milchkuhbetriebes empfiehlt für Tietjen zwei Kennzahlen :

  • der Kapitaldienst je kg Milch (Zins + Tilgung : kg Milch = Kap.-Dienst/kg)
  • das Fremdkapital je kg Milch (Summer aller Verbindlichkeiten : kg Milch)

Milchkuhbetriebe, die einen Kapitaldienst von weniger als 5 Cent/kg aufweisen, müssen sich kaum Sorgen machen. Enger wird es hingegen bei einem KApitaldienst von 7 bis 9 Cent/kg. Richtig aufpassen müssen Unternehmen mit Kapitaldiensten über 10 Cent/kg Milch.

  • der Kapitaldienst je kg Milch (Zins + Tilgung : kg Milch = Kap.-Dienst/kg)
  • das Fremdkapital je kg Milch (Summer aller Verbindlichkeiten : kg Milch)

Es gibt offensichtlich einige Untermehmen mit einem Kapitaldienst von 12 Cent/kg. Das ist am Ende oft das Ergebnis einer Vielzahl an Investitionsmaßnahmen, die sich manchmal „unbewusst“ angehäuft haben. Um nicht in eine solche existenzgefährdente Lage zu geraten,empfiehlt Tietjen, mindestens einmal im Monat den Finanzstatus zu prüfen!
Einen Fremdkapitalanteil 50 Cent/kg Milch stuft Tietjen das als gut ein. Betriebe die 50 Cent/kg Milch liegen, sollten umgehend eine Beratung in Anspruch nehmen. Hier stellt sich die Frage, ob und wenn ja wie viel Fremdkapital das Unternehmen noch aufnehmen bzw. verkraften kann? Eine Einschätzung, die alleine schwer getroffen werden kann.
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Rolf Tietjen (Bildquelle: Elite Magazin)

 Um die Finanzlücke zu schließen – vielfach beträgt die Liquiditätslücke zwischen 5 bis 12 Cent/kg Milch – reicht es nicht mehr alleine aus, die Produktionskosten zu senken und dadurch Reserven zu heben. Spätestens jetzt müssen sich Betriebsleiter Gedanken über mittelfristige Finanzierungswege machen – ein halbes Jahr muss mindesten noch mit Auszahlungspreisen unter 30 Cent gerechnet werden! Dafür gibt es diverse Möglichkeiten. Doch jede Darlehensform hat Vor- und Nachteile und sie setzen mitunter sehr viel Disziplin voraus! Eins von vielen Beispielen ist etwa das Kontokorrent zu erhöhen. Das ist einfach, eignet sich gut bei kurzfristigen Engpässen z.B. für die anstehende Maisbestellung. Ist jedoch sehr teuer – der Zinssatz schwankt hier zwischen 4,5 und 15 %! Um hier im unteren Bereich zu bleiben, bedarf es Verhandlungsgeschick des Betriebsleiters und eine gutes Rating. Das maßlose Überziehen des Girokontos ist ebenso ein „Spiel mit dem Feuer“ wie das Anschreiben" lassen beim Landhändler, warnt Rolf Tietjen! Sinnvoller ist es, die Bank von einer kurzfristigen Tilungsausetzung-/Streckung zu überzeugen. Es sind in der Regel die hohen Tilgungen, die einem Unternehmen das Genick berchen, nicht die Zinsen!". Als sehr riskant bewertet Tietjen hingegen den verkauf einzelner Flächen zum Liquiditätserhalt." Auch bei der Inanspruchnahme eines Liquiditätsdarlehen rät der Berater deshalb zur Vorsicht (hohe Tilgung). In der Regel profitieren hiervon nur die Betriebe mit ohnehin niedrigen Kapitaldiensten!

Am Ende gilt es den für den eigenen Betrieb besten Weg zu wählen und nicht den einfachsten. Dazu gehört auch zu prüfen, ob eine Kombination von unterschiedlichen Darlehensformen möglich ist (z.B. von Liquiditätsdarlehen, über endfällige Darlehen bis zur großen Umfinanzierung (die einen Betrieb retten kann!)). Versuchen Sie das nicht im Alleingang zu bewerkstelligen, Sie brauchen dazu einen guten Betriebsberater und einen versierten Banker, dem Sie vertrauen!

Controlling ist ein Muss!

Hanjoerg

Hanjörg Thießen (Bildquelle: Elite Magazin)

 Im Anschluss berichtete Hanjörg Thießen, Milcherzeuger aus Borstel-Hohenraden, der in den vergangenen Jahren seinen Kuhbestand auf 340 Milchkühe erhöht hat, von seinen Erfahrungen. Thießen setzt auf ein intensives Controlling. Jeweils einmal im Monat überprüft er mit Hilfe von diversen Kennzahlen sein Betriebsmanagement. Um sich  einen Überblick über die gegenwärtige Situation in seinem  Unternehmen zu verschaffen, hat er sich ein eigenes Controlling-Werkzeug gebaut. In eine Excel-Anwendung lässt er die aus einer Sicht wichtigsten Daten (Produktion: Stallrundgang, MLP und Molkerei; Finanzen: Geldrückbericht) einfließen. Die errechneten Kennzahlen werden dort farbig (gut bis schlecht) dargestellt.
Die monatliche Auswertung  dient ihm als Grundlage für die Zusammenarbeit mit seiner Produktionsberaterin, hilft ihm bei der Entscheidungsfindung (Investitionen, Prioritäten) und ist auch Grundlage für Mitarbeitergespräche (wo hakt es im Management z.B. bei der Eutergesundheit oder beim Mischen der Ration). „Das ist zwingend notwendig, um effektiv an einem Problem arbeiten zu können und das gibt mir in all meiner Verantwortung Sicherheit.“

Betriebsgröße nicht entscheidend

In seinem 2. Referat präsentierte Rolf Tietjen mögliche Überlebensstrategien bei Milchpreisen unter 30 Cent. Tietjen verwies dabei auf eine Analyse von 245 Milchkuhbetrieben aus dem Norden zeigt, aus der hervorgeht, dass die Herdengröße dabei nicht ausschlaggebend ist. Vielmehr entscheidet sind  die unternehmerischen und die Managementfähigkeitend des Betriebsleiters. Oftmals ist das Herdenmanagement leichter einfacher zu verbessern, als die eignen unternehmerischen Fähigkeiten. Zwei essentielle Fragen rät Tietjen deshalb auch (zukünftigen) Betriebsleiter sich zu stellen:  Bin ich wirklich ein Unternehmer? Und wie kann ich gegebenenfalls meine Unternehmer-Eigenschaften (Defizite) bearbeiten?
Tietjens Top-10 der wichtigsten Unternehmer-Eigenschaften:
  • Konsequentes handeln;
  • Gut strukturiert im Denken und im Betrieb;
  • selbstständig und selbstbewusst;
  • hohe soziale Kompetenz (Mitarbeiter!);
  • entscheidungsfähig sein;
  • „pro aktiv“ sein;
  • ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit (Gespräche mit Banken, Behörden, Öffentlichkeit!);
  • gutes Gespür für Chancen und Geschäfte;
  • Lust auf das haben, was man macht (Mission Milcherzeuger!)
  • Resilienz (die Fähigkeit mit Krisen zurecht zu kommen).

Es hat sich gezeigt, dass Betriebsleiter die sowohl über kaufmännische Fähigkeiten verfügen und zudem noch Lust auf Kühe haben, ihr Tagesgeschäft im Griff haben besonders jetzt in der Krise am wenigsten Probleme haben.“
  • Konsequentes handeln;
  • Gut strukturiert im Denken und im Betrieb;
  • selbstständig und selbstbewusst;
  • hohe soziale Kompetenz (Mitarbeiter!);
  • entscheidungsfähig sein;
  • „pro aktiv“ sein;
  • ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit (Gespräche mit Banken, Behörden, Öffentlichkeit!);
  • gutes Gespür für Chancen und Geschäfte;
  • Lust auf das haben, was man macht (Mission Milcherzeuger!)
  • Resilienz (die Fähigkeit mit Krisen zurecht zu kommen).

Hinweis: Die Workshops wurden unterstützt von bergophor und Lemmer Fullwood.