Nach einer riesigen Kündigungswelle in den Jahren 2015/16 kommen inzwischen wieder positive Signale vom Deutschen Milchkontor (DMK). Woher kommt diese Entwicklung und hat sie Bestand?
Der Riese unter den deutschen Molkereien reagierte in der Vergangenheit oft schwerfällig auf sich verändernde Marktsituationen. Ein Grund für das verheerende Auszahlungsergebnis im Jahr 2016. Viele Milcherzeuger hatten deshalb die Nase voll und kündigten, sodass alleine zum Ende 2018 hin voraussichtlich...
Nach einer riesigen Kündigungswelle in den Jahren 2015/16 kommen inzwischen wieder positive Signale vom Deutschen Milchkontor (DMK). Woher kommt diese Entwicklung und hat sie Bestand?
Der Riese unter den deutschen Molkereien reagierte in der Vergangenheit oft schwerfällig auf sich verändernde Marktsituationen. Ein Grund für das verheerende Auszahlungsergebnis im Jahr 2016. Viele Milcherzeuger hatten deshalb die Nase voll und kündigten, sodass alleine zum Ende 2018 hin voraussichtlich ca. 900 Mio. kg Milch das DMK verlassen.
Doch seit Kurzem mehren sich die Anzeichen, dass die Genossenschaftsmolkerei nach dem tiefen Tal wieder neue, erfolgreiche Wege beschreitet. Ihr Ziel: ein stabiler, verlässlicher Marktpartner zu sein. Wir haben mit Dr. Klaus Hein, in der Konzernleitung zuständig für den Bereich Landwirtschaft, über die Entwicklung und die künftige Ausrichtung der Genossenschaft gesprochen.
Im Geschäftsjahr 2017 konnte das DMK seinen Konzernüberschuss verdoppeln, die Eigenkapitalquote blieb stabil. Von außen betrachtet hat man das Gefühl, bei Ihnen geht es gerade bergauf…
Ja, das stimmt. Und wir sehen auch, dass das Vertrauen in unser Unternehmen bei unseren Mitgliedern und anderen Marktpartnern wieder wächst.
Woran machen Sie diese Entwicklung fest? Ende 2018 hat nochmals eine große Milchmenge ihre Molkerei verlassen.
Das ist richtig, aber neue Kündigungen, und das stimmt uns zuversichtlich, sind bislang nicht hinzugekommen. Im Gegenteil, es kommen jetzt Landwirte auf uns zu, die zumindest im vergangenen Jahrzehnt keine Geschäftsbeziehungen mit uns gepflegt haben und für die wir jetzt wieder ein interessanter Partner sind.
Sind das eher Erzeugergemeinschaften oder einzelne Landwirte, die ihr Interesse bekunden?
Hier finden wir verschiedene Gesprächspartner. Viele suchen, u.a. auch durch die Pleite der BMG geprägt, einen festen, stabilen und strukturierten Vertrieb und Marktzugang. Anfragen haben wir in verschiedenen Regionen.
Nehmen Sie denn neue Milcherzeuger auf?
Wir schauen uns genau an, wo Mengen Sinn machen und wo nicht mehr. Es gibt Regionen, da sind wir sehr restriktiv, beispielsweise im gesamten südlichen Erfassungsgebiet. Wenn die Landwirte und die Betriebsgröße zu uns passen und wenn der Betrieb logistisch integriert werden kann, dann können wir miteinander sprechen. So schauen wir uns das Region für Region an. Im Nordosten, also z.B. in Mecklenburg, werden wir sicherlich noch Milchmengen hinzunehmen, weil wir dort bei den Kündigungen auch den größten Abgang verzeichnen mussten.
Das alles hört sich positiv an. Doch gute Nachrichten hat das DMK in den vergangenen Jahrzehnten häufiger verbreitet, ohne dass diesen immer Taten folgten. Wieso glauben Sie, dass Sie jetzt auf einem neuen Weg angekommen sind?
Vertrauen basiert immer auf Leistung und der klaren Ausrichtung auf die Zukunft. Man kann nicht nur Großes ankündigen – man muss es auch tun. Entscheidend für uns ist, dass wir nicht hingegangen sind und alles neu erfunden haben. Wir haben das weiterentwickelt und optimiert, was bereits vorhanden war. Denn dieses Unternehmen hat Potenzial! Deshalb haben wir uns ganz konkret angeschaut, an welchen Baustellen wir besonders arbeiten müssen. Und dazu gehört auch und zu allererst, dass wir die Struktur des Unternehmens umgebaut haben.
Sie sprechen von dem Umbau der Unternehmensstruktur. Was hat sich konkret verändert?
Wir haben das Unternehmen in sechs Business Units unterteilt. Die Verantwortlichkeiten sind nun klar geregelt. Der Kollege, der sich beispielsweise für die Handelsmarke verantwortlich zeichnet, ist nicht mehr nur für den Vertrieb oder nur die Produktion zuständig, sondern für den gesamten Bereich der Handelsmarke. So entsteht mehr Transparenz, neue Entwicklungen versanden nicht mehr irgendwo im Unternehmen, sondern können zeitnah mit viel Power umgesetzt werden. So ist jede Business Unit für ihre Geschäfte verantwortlich. Neben der neuen Struktur muss sich aber auch die Unternehmenskultur anpassen.
Kommen wir noch einmal auf die Kündigungen zurück. Bieten sie nur Risiken für Ihr Unternehmen oder erwachsen aus dem Rückgang auch Chancen?
Sicherlich können wir mit diesem Rückgang Verwertungen abschneiden, die uns vorher nach unten gezogen haben. In 2016 hatten wir zu viel Milch für unsere Verarbeitungsmöglichkeiten. Das war ein Problem. Diese absolute Auslastung führte natürlich dazu, dass wir in puncto Verwertung Zwängen unterlagen. Jetzt haben wir bei der Verarbeitung Spielräume, sodass wir auch in Saisonspitzen nicht mehr unter Druck geraten können.
Allein über die Optimierung der Kapazitäten wird man den Milchpreis aber auch nicht stabil halten können.
Das stimmt. Deshalb arbeiten wir kontinuierlich daran, am Markt mehr Wertschöpfung zu erzielen. Ein Punkt ist beispielsweise, wie wir die Marke Milram weiter aufwerten. Inzwischen wächst die Marke und hat einen Anteil an unserem Gesamtumsatz von 10%. Was nicht wenig ist. Das kann aber nicht das Ende der Fahnenstange sein. Unser Ziel ist deshalb, Milram weiter emotional aufzuladen, ihr eine ‚Heimat‘ geben. Also die Marke noch bekannter, eingängiger zu machen und damit die Markenwertschöpfung zu erhöhen.
Reicht das, um einen stabilen Milchpreis zu generieren?
Natürlich schauen wir uns auch an, in welchen weiteren Kanälen wir die Wertschöpfung erhöhen können. So sehen wir im industriellen Bereich einen Schwerpunkt. Wir haben uns gefragt, wie wir Käse in der Verwertungsstruktur so verändern können, dass wir weniger Standardware herstellen. Unser Käse wird jetzt eher weiß, weniger gelb. Das bedeutet, dass wir stärker in die Mozzarella-Produktion gehen. Und auch, dass wir unsere Marken wie Uniekaas oder Alteveer in den Niederlanden wieder neu beleben.
Sie sind aber immer noch ein großer Produzent von Handelsmarken. Wie passen da Ihre Maßnahmen zur Erhöhung der Wertschöpfung hinein?
Wir denken Handelsmarke heute ganz anders als früher. Handelsmarken öffnen im Lebensmitteleinzelhandel oft den Weg für unsere eigenen Marken. Etablieren sich die Handelsmarken, wird eine Marke wie Milram ins Regal kommen, wenn ein Trend etabliert und eine entsprechende Nachfrage aufgebaut ist.
Wenn mit dem Lebensmitteleinzelhandel bisher gesprochen wurde, fiel immer nur das Wort Preiskampf. Lässt sich ihre Zusammenarbeit weiterhin nur auf dieses Wort reduzieren?
Nein, wir müssen feststellen, dass auch der Einzelhandel, im Zeitalter des Online-Shoppings, neue Ideen sucht und braucht. Wir entwickeln deshalb gemeinsam mit dem Handel neue Wertschöpfungskonzepte. In den Gesprächen geht es deshalb nicht mehr nur darum, H-Milch oder Sahne zu verkaufen, die sehr im Preisfokus stehen, sondern auch darum welche neuen Produkte so interessant sein könnten, dass sie bei den Kunden einen schnellen Umsatz generieren. Das führt nicht immer direkt zu mehr Geld in der Kasse. Aber wir können über den Umweg eines intensiveren Vernetztseins neue Wertschöpfungskonzepte entwickeln. Service- und Mehrwertkonzepte sind Themen, mit denen wir echten Mehrwert für die Molkerei und Landwirte entwickeln wollen und die uns nicht austauschbar machen.
Andere Molkereien erhöhen ihre Wertschöpfung auch durch Programme wie Weide- oder Tierwohl-Milch? Ist auch beim Ihnen geplant solche Qualitätsprogramme zu installieren?
Es ist wichtig sich genau anzuschauen, welchen Zug man besteigt. Der Rohstoff darf nicht nur besonders sein, man muss auch einen Mehrwert erhalten. Ich brauche nicht die ganze Wertschöpfungskette mit Kosten zu belasten, wenn das Programm keinen Mehrwert bringt. Bei GVO-freier Milch haben wir uns innerhalb von zwei Jahren mit 3 Mrd. kg Milch zum größten Anbieter entwickelt. Wir haben damit gezeigt, dass wir so etwas sehr schnell stemmen können. Die Voraussetzung bleibt aber auch hier, es muss Mehrwert entstehen. Das sehe ich bei GVO noch.
Bringt die GVO-Freiheit Ihren Lieferanten wirklich einen Mehrwert?
Der höhere Aufwand für den Landwirt, beispielsweise für Futterkosten und Dokumentation, wird honoriert. Als Unternehmen muss ich schauen, dass ich meine Zusatzkosten sowohl in der Logistik, Verarbeitung als auch für den Rohstoff aus dem Markt zurückbekomme. Im Moment ist das gegeben. Aber wir müssen darauf achten, dass wir diese Boni auch auf Dauer für unsere Landwirte aus dem Markt bekommen.
Und wie sieht es mit weiteren Qualitätsprogrammen aus?
Wir produzieren in den Niederlanden, beim DOC, Weidemilch für Käse. Gemeinsam mit Kunden und Landwirten arbeiten wir an speziellen Programmen wie z.B. für Babynahrung. Das Thema Weidemilch im Frische-Bereich beobachten wir, bieten dieses Produkt aber nur in geringem Umfang an. Auch Segmente, die in Richtung Tierwohl oder Tierhaltung gehen, sehen wir uns intensiv an. Wir können aber definitiv nicht die gesamte Milchmenge in viele verschiedene Sondermilchprogramme zerlegen. Auch in Zukunft wird es das nicht geben.
Sie sprachen gerade das Thema Tierwohl und Tierhaltung an. Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung?
Ich denke wir sind mit unserem Milkmaster schon sehr weit. Über die Audits müssen alle Lieferanten für uns wichtige Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Daneben können wir über das Bonussystem die Produktion stärker in die gewünschte Richtung lenken. Wir führen zudem einen sehr intensiven Dialog mit unseren Landwirten über die ganzjährige Anbindehaltung. Denn dieses Thema ist auch im wahrsten Sinne des Wortes für uns als Molkerei eine „Haltungsfrage“. Insgesamt geht es nicht darum, vorauseilenden Gehorsam zu leisten, sondern Möglichkeiten des Marktes mit den tatsächlichen Anforderungen der Gesellschaft in Einklang zu bringen.
In puncto Nachhaltigkeit gibt es in Ihrer Branche viele verschiedene Ansätze.
Ja, deshalb müssen wir uns in der Milchwirtschaft schon die Frage stellen, inwieweit möchten, können und sollten wir über solche Programme in den Wettbewerb treten. Man kann natürlich über einzelne Aspekte konkurrieren. Einige Molkereien tun das, indem sie z.B. einseitig auf Glyphosat verzichten. Und dies auf Grünland-Standorten mit 100% Grünland durchsetzen. Aber führt uns das dann am Ende wirklich zu einem gesamtheitlichen Bild, was wir als Milchwirtschaft gegenüber den Verbrauchern vermitteln wollen? Das sind Einzelmaßnahmen, die wir kritisch sehen. Deshalb regen wir im Rahmen einer Sektorstrategie an, uns Gedanken zu machen, wie sieht unsere gemeinsame Vision für unseren Sektor aus. Und da gehört das Thema nachhaltige Tierhaltung mit dazu.
Wir haben bisher ausschließlich über den europäischen Markt gesprochen. Wie sieht Ihr internationales Engagement aus?
Unser derzeitiger Schwerpunkt liegt in Russland. Dieses Engagement trägt sich selbst. Das ist natürlich jetzt aber auch für eine Zeit nach dem Russland-Embargo wichtig. Daneben haben wir in Nigeria, einem sehr interessanten afrikanischen Markt, investiert. Und wir bauen unseren Vertrieb in Asien aus.
Was bedeuten diese neuen Strategien für den Milchpreis im nächsten Jahr?
Wenn ich eins gelernt habe in den Jahren seitdem ich in der Milchbranche arbeite, ist es, keine Versprechungen zu machen, was der Milchpreis bringen wird. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir mit den eingeleiteten und vollzogenen Maßnahmen unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter verbessern können!
Vielen Dank für dieses Gespräch.